Leitsatz

1. Kosten der Lebensführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG sind die Kosten des Haushalts und die sonstigen Lebenshaltungskosten im Haupthausstand.

2. Die finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung darf nicht erkennbar unzureichend sein. Ob dies der Fall ist, bedarf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Eine bestimmte betragliche Grenze sieht das Gesetz nicht vor, ebenso wenig ist eine laufende Beteiligung erforderlich.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 bis 3 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte im Streitjahr (2015) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Seit 2013 unterhielt er eine Wohnung in B. Von dieser Wohnung fuhr der Kläger täglich zu seiner Arbeitsstelle in L.

Zudem bewohnt der Kläger gemeinsam mit seinem Bruder eine Wohnung im Obergeschoss seines Elternhauses in X. Diese Wohnung besteht aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, einem Büro, einem kleinen Zimmer mit Sportgeräten sowie Küche und Bad. Die vorstehenden Räumlichkeiten im Obergeschoss sind dem Kläger und seinem Bruder von den Eltern, die im Erdgeschoss des Hauses wohnen, unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden. Die Wohnung im Obergeschoss ist nicht baulich getrennt von der Wohnung im Erdgeschoss, sondern über ein Treppenhaus vom Haupteingang des Hauses frei zugänglich. Zum Wäschewaschen nutzen der Kläger und sein Bruder die im Erdgeschoss befindliche Waschmaschine.

Im Streitjahr erwarb der Kläger für sich und seinen Bruder Lebensmittel und Getränke für 1.240,97 EUR bzw. 169,50 EUR. Im Dezember 2015 überwies er zudem 1.200 EUR mit dem Verwendungszweck "Nebenkosten/Telekommunikation" sowie 550 EUR mit dem Verwendungszweck "Anteil neue Fenster in 2015" auf ein Konto seines Vaters. Mit Beginn des Jahres 2016 richtete die Familie ein "Haushaltskonto" ein, auf das der Kläger und sein Bruder monatlich 100 EUR bzw. 150 EUR überweisen. Die Eltern zahlen monatlich 200 bis 250 EUR ein.

Mit der ESt-Erklärung für das Streitjahr beantragte der Kläger die Berücksichtigung von der Höhe nach unstreitige Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung i.H.v. 6.746 EUR sowie Kosten für 47 Familienheimfahrten i.H.v. 1.199 EUR als Werbungskosten.

Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Beträge auch im Einspruchsverfahren nicht als Werbungskosten, da eine ausreichende finanzielle Beteiligung am gemeinsamen Haushalt (Eltern und Brüder) in X nicht nachgewiesen worden sei.

Der hiergegen gerichteten Klage gab das FG statt. Es war im Wesentlichen der Ansicht, der Kläger habe im Streitjahr einen eigenen Hausstand in X unterhalten, in dem er zusammen mit seinem Bruder die im Obergeschoss belegene Wohnung innegehabt und sich mit den Einmalzahlungen sowie den Lebensmittel- und Getränkeeinkäufen an den Kosten der Lebensführung des Mehrgenerationenhaushalts in ausreichender Höhe finanziell beteiligt habe (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.9.2019, 9 K 209/18, Haufe-Index 13615963, EFG 2020, 262).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Denn das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger im Streitjahr die geltend gemachten notwendige Mehraufwendungen wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen könne.

 

Hinweis

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG setzt das Vorliegen eines eigenen Hausstands das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.

2. Durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013 (BGBl I 2013, 285) hat der Gesetzgeber den schon bisher in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG verwendeten Begriff des eigenen Hausstands erstmals im Gesetz definiert. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs sollte durch die gesetzliche Konkretisierung des Begriffs des eigenen Hausstands zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen und Streitpotenzial vermieden werden (BT-Drucks 17/10774, 13). Die Vorschrift knüpft damit einerseits an die gefestigte Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Vorliegen eines eigenen Hausstands an, fügt dem Begriff des eigenen Hausstands aber andererseits das Erfordernis einer finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung hinzu.

3. Die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung ist damit grundsätzlich auch auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts weiterhin anzuwenden. Sie ist allerdings im Hinblick au...

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