6.1 Voraussetzung: Berufliche bzw. betriebliche Nutzung des Arbeitszimmers

Nach der BFH-Rechtsprechung können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn der Raum ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Entscheidend ist nach wie vor, ob das häusliche Arbeitszimmer zum privaten Bereich hin abgeschlossen ist.

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 27.7.2015[1] beim häuslichen Arbeitszimmer das Aufteilungs- und Abzugsverbot beibehalten.

Nach der Entscheidung des großen Senats des BFH muss eine ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung vorliegen. Das heißt, die private Nutzung darf nicht mehr als 10 % betragen. Der BFH unterstellt eine mehr als 10 %ige Privatnutzung, wenn das Arbeitszimmer durchquert werden muss, um in andere Wohnräume oder zur Terrasse bzw. in den Garten zu gelangen (sog. Durchgangszimmer).

Muss das häusliche Arbeitszimmer durchquert werden, um ins Schlafzimmer zu gelangen, liegt die private Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers deutlich niedriger. Der BFH ist in diesen Fällen von einer untergeordneten Privatnutzung (nicht mehr als 10 %) ausgegangen.[2] Dieses Urteil gilt nach wie vor, weil eine prozentuale Aufteilung nicht möglich ist.

Wird das häusliche Arbeitszimmer auch als Gästezimmer genutzt, sind die Kosten insgesamt nicht abziehbar, auch wenn der Unternehmer seinen Schreibtisch und Regale in einer Ecke des Wohnzimmers aufstellt.

Für die Anwendung der Homeoffice-Pauschale gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG ist es dagegen irrelevant, ob es sich um eine Arbeitsecke oder ein Durchgangszimmer handelt. Die Pauschale kann auch bei Vorhandensein einer Arbeitsecke oder einem Schreibtisch im Schlafzimmer in Anspruch genommen werden.

6.2 Häuslicher Behandlungsraum oder häusliches Arbeitszimmer

Voraussetzung ist immer, dass der Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken genutzt wird. Das bedeutet, dass die Abgrenzung nicht immer ganz einfach ist. Obwohl der für Notfälle eingerichtete Behandlungsraum einer Ärztin nicht vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient, hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass es sich um ein häusliches Arbeitszimmer handelt.[1] Nach Auffassung des Finanzgerichts Münster dürfen die Aufwendungen, die für den Behandlungsraum entstehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Der Raum erfüllt nicht das Merkmal der "leichten Zugänglichkeit". Aus diesem Grund nimmt das Finanzgericht eine schädliche private Mitnutzung an.

 
Praxis-Beispiel

Erreichbarkeit eines Raums bei Publikumsverkehr

Eine Augenärztin, die an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt ist, hat zur Behandlung von Notfällen im Keller ihres privaten Wohnhauses einen Behandlungsraum eingerichtet. Der Raum ist nur vom Flur des Wohnhauses aus erreichbar. Die Klägerin wollte die Kosten für den Behandlungsraum als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis geltend machen. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil der Raum ein häusliches Arbeitszimmer darstelle.

Das Finanzgericht ließ den Betriebsausgabenabzug nicht zu, weil eine schädliche private Mitnutzung vorliege. Denn die Patienten müssen, um in den Notbehandlungsraum im Keller zu gelangen, zunächst den Eingangsbereich des Hauses und einen Teil des Flures im Erdgeschoss durchqueren. Es gibt nur eine Haustür, die ohne gesonderten Flur in das Erdgeschoss führt, wo sich außer der Treppe zum Keller das Schlafzimmer der Klägerin, das Wohnzimmer, die Küche und ein Gäste-WC befinden. Nach dem Betreten des Flures im Erdgeschoss müssen die Patienten, um in den Notbehandlungsraum zu gelangen, die Treppe zum Keller benutzen und im Keller nochmals einen Flur durchqueren, der nicht nur zum Notbehandlungsraum führt, sondern zu weiteren privat genutzten Räumen.

Bei einer Werkstatt, einem Tonstudio und einem Warenlager spielt es keine Rolle, wie der abgeschlossene Raum erreicht wird. Eine private Mitnutzung scheidet aus, weil hier anders als bei einer ärztlichen Notfallpraxis kein Publikumsverkehr stattfindet. Das Finanzgericht stellt also bei einer Tätigkeit mit Publikumsverkehr entscheidend auf die leichte Zugänglichkeit ab.

Das BMF folgte der Einschränkung des Finanzgerichtes nicht. Das Finanzgericht hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (BFH, Az. VIII R 11/17). Der BFH entschied in seinem Urteil vom 29.1.2020 zugunsten der Klägerin.[2]

Der BFH lehnte die Ansicht des Finanzgerichts aufgrund rechtsfehlerhafter Annahme, dass die Aufwendungen der Klägerin für den in ihrem privaten Wohnhaus gelegenem Notfallbehandlungsraum dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG unterliegen, ab. Der BFH stellte weiterhin fest, dass es sich bei dem Notbehandlungsraum um einen betriebsstättenähnlichen Raum handelt und deshalb die von der Klägerin hierfür getragenen Aufwendungen in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar sind.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts ist ...

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