OFD Koblenz, Verfügung v. 18.2.2008, S 2246 A - St 314

Der BFH hat in seinem Urteil vom 9.2.2006, BFH/NV 2006 S. 1270, eine ingenieurähnliche Tätigkeit als gegeben angesehen, wenn sich das Fachwissen auf „einen” der Kernbereiche des jeweiligen Fachstudiums erstreckt. Wie der Begriff Wissen „eines” Kernbereichs auszulegen ist, wird nachfolgend erläutert:

Freiberufliche Einkünfte erzielt, wer eine selbstständige Berufstätigkeit i.S.d. Katalogberufes gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausübt. Eine freiberufliche Tätigkeit ist aber auch gegeben, wenn die ausgeübte Tätigkeit einem Katalogberuf „ähnlich” ist.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung liegt ein ähnlicher Beruf vor, wenn sowohl die Ausbildung als auch die berufliche Tätigkeit mit einem Katalogberuf vergleichbar ist (BFH-Urteil vom 19.9.2002, BStBl 2003 II S. 27). Setzt ein Katalogberuf eine qualifizierte Ausbildung voraus, reicht die Vergleichbarkeit der tatsächlichen beruflichen Tätigkeit durch den Stpfl. für die Annahme eines ähnlichen Berufes alleine nicht aus (BFH-Urteile vom 10.11.1988, BStBl 1989 II S. 198 und 18.4.2007, BStBl 2007 II S. 781).

Ein Steuerpflichtiger, der eine Ausbildung in einem förmlichen Ausbildungsgang nicht besitzt, kann die vergleichbaren Kenntnisse im Wege

  1. der Fortbildung,
  2. des Selbststudiums und
  3. praktischer Arbeiten

nachweisen.

Dabei bedarf es bei den Punkten 1. und 2. einer substantiierten Darlegung hinsichtlich der Art und Weise sowie des Inhalts der Fortbildung bzw. Selbststudiums (BFH-Urteil vom 21.2.1986, BFH/NV 1986 S. 603).

Der Nachweis zu 3. setzt eine besonders anspruchsvolle Tätigkeit als auch ein Wissen zumindest in der Tiefe und Breite „eines” Kernbereichs eines Fachstudiums voraus (BFH-Urteile vom 5.10.1989, BStBl 1990 II S. 73 und 11.7.1991, BStBl 1991 II S. 878). Soll nämlich von der Art der ausgeübten Tätigkeit auf den Kenntnisstand und die Qualifikation des Berufsausübenden geschlossen werden, so muss sich diese Tätigkeit an der allgemeinen Aufgabenbeschreibung des Vergleichsberufes messen lassen (BFH-Urteil vom 21.2.1986, BFH/NV 1986 S. 603).

In seinem Urteil vom 18.4.2007, BStBl 2007 II S. 781, führt der BFH aus, dass soweit in der BFH-Rechtsprechung der Nachweis des Wissens „eines” Kernbereichs eines Fachstudiums für notwendig erachtet wird, dies entgegen den Ausführungen des BFH-Urteils vom 9.2.2006 nicht dahingehend zu verstehen ist, dass das Wissen auf einem Teilgebiet eines Fachstudiums ausreicht. Die BFH-Rechtsprechung habe vielmehr wiederholend Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Katalogberufs verlangt.

Beabsichtigt ein Autodidakt den Nachweis über den Weg der praktischen Arbeiten zu erbringen, ist dieser entsprechend der Auslegung des BFH-Urteils vom 18.4.2007, BStBl 2007 II S. 781, zu verlangen, d.h. er muss eigene praktische Arbeiten vorlegen, die Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen des Fachstudiums zu erkennen geben.

Hinweis:

Die Finanzverwaltung hat aber auch die Möglichkeit, über einen Sachverständigenbeweis gemäß § 96 AO begutachten zu lassen, ob der Steuerpflichtige über die vergleichbaren Kenntnisse verfügt. Die Beantragung eines Sachverständigengutachtens ersetzt allerdings nicht den erforderlichen Tatsachenvortrag zu den Umständen des Erwerbs der Kenntnisse und der praktischen Anwendung der erworbenen Kenntnisse (BFH-Beschluss vom 13.10.1994, BFH/NV 1995 S. 420). Es bedarf daher zunächst der Vorlage umfassender und geeigneter Unterlagen, aufgrund denen sein Erwerb von vergleichbaren Kenntnissen beurteilt werden kann.

Der Sachverständigenbeweis kann ein geeignetes Beweismittel sein, wenn

  • die vorgelegten praktischen Arbeiten den Rückschluss auf vorhandene Kenntnisse in der gebotenen Tiefe und Breite eines Kernbereichs eines Fachstudiums zulassen oder
  • in dem Gutachten auch eine Wissensprüfung vorgenommen wird, in dem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert

(BFH-Urteil vom 26.6.2002, BStBl 2002 II S. 768). Bei Letzterem ist anzumerken, dass die Wissensprüfung lediglich als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommt, da die Examinierung Defizite auf weitere Rückschlüsse über den Kenntnisstand zum zurückliegenden Veranlagungszeitraum mit sich bringt. Ein solcher Beweis kommt auch nur dann in Betracht, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige über hinreichende Kenntnisse verfügt (BFH-Urteil vom 4.5.2000, BStBl 2000 II S. 616).

Die Bundesagentur für Arbeit weist über den Link http://infobub.arbeitsagentur.de/kurs/index.jsp, Hochschulen, Fachhochschulen, Berufsakademien, Universitäten u.Ä. der entsprechenden Berufsziele aus, über die ein Sachverständiger i.S. von § 96 AO bestellt werden kann. Bei der Auswahl ist zu beachten, dass es sich vorrangig um einen solchen Gutachter handeln sollte, der an den betroffenen Institutionen als Dozent tätig ist und deshalb die Kenntnisse des Kernstudiums des jeweiligen Fachstudiums abdeckt.

Prozessual sei hier noch darauf hingewiesen, da...

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