BMF, 22.2.2023, IV C 3 - S 2196/22/10006 :005

Mit Urteil vom 28. Juli 2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022 S. 108, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass Steuerpflichtige, die sich nach § 7 Absatz 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes berufen, sich jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint, soweit daraus Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sind.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die Inanspruchnahme der AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer folgende Grundsätze:

Anwendungsregelung

Dieses Schreiben ist ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe im Bundessteuerblatt (BStBl) auf alle offenen Fälle anzuwenden.

 

1. AfA von Gebäuden nach typisierten festen AfA-Sätzen

1

Gemäß § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG und § 52 Absatz 15 EStG gelten für die lineare AfA von zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäuden typisierte feste Prozentsätze (AfA-Sätze), die in Abhängigkeit von der Nutzungsart (Betriebsgebäude, soweit nicht zu Wohnzwecken genutzt, oder andere) und dem Zeitpunkt der Fertigstellung oder der Stellung des Bauantrages oder des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Vertrags 2 oder 2,5 oder 3 oder 4 Prozent betragen. Der jeweils für ein Gebäude anzusetzende AfA-Satz ist unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsdauer des Gebäudes und auch unabhängig vom tatsächlichen Alter des Gebäudes anzuwenden. Er gilt daher auch für die Abschreibung einer erworbenen Bestandsimmobilie. Die AfA-Zeiträume für die einzelnen AfA-Sätze sind nicht gleichbedeutend mit der Gesamtnutzungsdauer im Sinne des Bewertungsgesetzes bzw. der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV). In der Regel wird die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes länger als der AfA-Zeitraum sein.

 

2. AfA von Gebäuden nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

2

Ist die tatsächliche Nutzungsdauer bei einem Gebäude kürzer als die sich aus der Anwendung des AfA-Satzes ergebende Nutzungsdauer, kann – in begründeten Ausnahmefällen – anstelle der AfA nach § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende AfA vorgenommen werden (§ 7 Absatz 4 Satz 2 EStG). Den Steuerpflichtigen steht insoweit die Option zu, die Abschreibung nach der tatsächlichen Nutzungsdauer statt nach typisierten festen AfA-Sätzen vorzunehmen.

3

Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Absatz 1 Satz 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann.

4

Die AfA nach § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG setzt voraus, dass die tatsächliche Nutzungsdauer

  • bei einem Gebäude, das zu einem Betriebsvermögen gehört und nicht Wohnzwecken dient und
  • für das der Bauantrag/obligatorische Vertrag nach dem 31. März 1985 und vor dem 1. Januar 2001 gestellt/rechtswirksam abgeschlossen wurde, weniger als 25 Jahre (§ 52 Absatz 15 EStG) oder
  • für das der Bauantrag/obligatorische Vertrag nach dem 31. Dezember 2000 gestellt/rechtswirksam abgeschlossen wurde, weniger als 33 1/3 Jahre (§ 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1; § 52 Absatz 15 EStG),
  • bei einem Gebäude, das die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt und
  • das nach dem 31. Dezember 2022 fertiggestellt wurde, weniger als 33 1/3 Jahre (sinngemäße Anwendung von § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG in den Fällen des § 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a EStG)
  • das vor dem 1. Januar 2023 und nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt wurde, weniger als 50 Jahre (§ 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b EStG) oder
  • das vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellt wurde, weniger als 40 Jahre (§ 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c EStG)

beträgt.

5

Ob der AfA eine die gesetzlich vorgesehenen, typisierten Zeiträume (§ 7 Absatz 4 Satz 1 EStG) unterschreitende kürzere tatsächliche Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls.

 

3. Rechtfertigungsgründe für eine AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

6

Für die Bemessung der linearen Gebäude-AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer bedarf es einer konkreten Rechtfertigung auf Grund der objektiven Gegebenheiten. Entscheidend ist, ob das Gebäude vor Ablauf des sich aus § 7 Absatz 4 Satz 1 EStG oder § 52 Absatz 15 EStG ergebenden AfA-Zeitraums objektiv betrachtet technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist.

7

Bei Anwendung des § 7 Absatz 4 Satz 2 EStG ist die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer – prognostisch – zu bestimmen; dabei sind auch ungewisse künftige Ereignisse zu berücksichtigen. Der Bestimmung der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer ist eine an der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit orientierte Schätzung zu Grunde zu legen. Hierbei finden alle – von den Steuerp...

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