Leitsatz

1. Im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG ist (lohnsteuerrechtlicher) Arbeitgeber der Verleiher.

2. Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung i.S. des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-)Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis.

3. Besteht der Einsatz des Arbeitnehmers bei dem Entleiher in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG, § 1 Abs. 1 Satz 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist seit 2012 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag bei einem Personaldienstleister (A) angestellt, der u.a. Arbeitnehmer im Rahmen von Zeitarbeit überlässt. Gemäß § 1 des Arbeitsvertrags vom 23.1.2012 sollte der Kläger als überbetrieblicher Mitarbeiter bei Kunden von A eingesetzt werden, ohne dass dadurch ein Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Kunden begründet werden sollte. Die Arbeitsleistung war bei verschiedenen Kunden von A und an verschiedenen Einsatzorten zu erbringen. Eingesetzt war der Kläger im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses zu A ausschließlich bei B. Die Arbeitnehmerüberlassung des Klägers war nach den zwischen B (Entleiher) und A (Verleiher) geschlossenen Vereinbarungen jeweils befristet. Der weitere Einsatz des Klägers bei B war danach davon abhängig, dass B nach Ablauf der jeweiligen Frist mit A eine weitere (befristete) Arbeitnehmerüberlassung begründete. Im Streitjahr (2014) selbst war der Kläger ausweislich einer Bescheinigung von A für die Zeit vom 1.1.2014 bis zum 30.9.2014 und danach vom 1.10.2014 bis zum 31.12.2014 bei B im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung befristet eingesetzt.

In der ESt--Erklärung für das Streitjahr machte der Kläger für die Fahrten von seiner Wohnung zu B Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen (0,30 EUR je gefahrenem Kilometer) als Werbungskosten geltend. Das FA setzte hierfür im ESt-Bescheid für das Streitjahr hingegen lediglich die Entfernungspauschale (0,30 EUR je Entfernungskilometer) an. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.5.2020, 1 K 382/16, Haufe-Index 14058299, EFG 2020, 1412).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Denn das FG habe das Vorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte des Klägers zu Unrecht bejaht.

 

Hinweis

1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich (nur) eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

2. Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist.

3. Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Einer gesonderten Zuordnung für einkommensteuerliche Zwecke bedarf es nicht.

4. Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.

a) Eine Zuordnung ist unbefristet i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.

Keine unbefristete Zuordnung bei befristeten Arbeitsverhältnissen

Ist ein Arbeitsverhältnis befristet, kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht. Denn es ist in einem solchen Fall ausgeschlossen, dass "der Arbeitnehmer unbefristet ... an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll", wie es § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut voraussetzt (BFH, Urteil vom 10.4.2019, VI R 6/17, BFH/NV 2019, 947).

b) Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStGfür die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies kann insbesondere angenommen we...

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