Tz. 88

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Eine einfache und populäre Alternative zur Black/Scholes-Formel stellt das Binomialmodell dar, das in einem grundlegenden Aufsatz von Cox, Ross und Rubinstein im Jahr 1979 beschrieben worden ist (vgl. Hull, 2022, S. 288ff., S. 376ff.; Cox et al., JoFE 1979, S. 229ff.). Die zentrale Annahme ist wiederum die eines arbitragefreien Kapitalmarktes. Weiterhin wird die Reproduzierbarkeit der sicheren Anlage unterstellt, dh., für die betrachtete Option und die zugrunde liegende Aktie kann ein Mengenverhältnis ermittelt werden, sodass ein entsprechend gewichtetes Portfolio einen Rückfluss generiert, der nicht mehr risikobehaftet ist. Die Optionsbewertung erfolgt im Binomialmodell in zwei Schritten. Zunächst wird die Entwicklung des Börsenkurses der zugrunde liegenden Aktie modelliert. In einem zweiten Schritt kann dann zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Optionswert rekursiv ausgehend von den potentiellen Ausübungsgewinnen im Fälligkeitszeitpunkt der Option ermittelt werden (zu einem ausführlichen Beispiel vgl. Simons, 2002, S. 174ff.).

 

Tz. 89

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Im Binomialmodell wird der Börsenkurs nur zu diskreten, äquidistanten Zeitpunkten betrachtet. Er kann sich ausgehend vom Börsenkurs der aktuellen Periode, St, innerhalb einer Periode entweder um einen konstanten Faktor u erhöhen – dh., für den Börsenkurs der Folgeperiode gilt St+1 = uSt – oder um einen konstanten Faktor d verringern, dh., für den Börsenkurs der Folgeperiode gilt St+1 = dSt. Unter den getroffenen Annahmen der Arbitragefreiheit und der Reproduzierbarkeit der sicheren Anlage muss das die sichere Anlage nachbildende Portfolio genau den risikolosen Zinssatz erwirtschaften. Daraus kann die (Pseudo-)Wahrscheinlichkeit p abgeleitet werden, mit der ein Kursanstieg im Binomialmodell auftritt. Die Formel zu ihrer Bestimmung lautet:

wobei erδt den Aufzinsungsfaktor für eine stetige Verzinsung mit dem risikolosen Zinssatz r über den Zeitraum der Länge δt symbolisiert. Bei der Interpretation von p als Wahrscheinlichkeit muss berücksichtigt werden, dass eine risikoneutrale Welt unterstellt wird. Sollen empirische Wahrscheinlichkeiten von Kursänderungen verwendet werden, ist eine Transformation des Modells immer unter Anpassung der erwarteten Renditen und Beibehaltung der Volatilität möglich (vgl. Hull, 2022, S. 301f.).

 

Tz. 90

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Bei der wertmäßigen Bestimmung des proportionalen Auf- bzw. Abwärtsfaktors (u bzw. d) muss die Volatilität σ der zugrunde liegenden Aktie abgebildet werden. Die Bestimmungsgleichungen lauten (vgl. Cox et al., JoFE 1979, S. 258):

wobei δt die Länge eines modellierten Zeitintervalls angibt.

Beispiel:

Der Börsenpreis der einem Call zugrunde liegenden Aktie im Zeitpunkt der Optionsgewährung sei S0 = EUR 100, der Ausübungspreis der Option betrage K = EUR 125, die Laufzeit sei T = 3 Jahre, die Volatilität sei σ = 20 % und der risikolose Zins betrage r = 10 %. Die Abbildung der Option soll anhand jährlicher Entwicklungen modelliert werden, dh., δt = 1.

Damit ergibt sich für die Kursmultiplikatoren:

Für die Wahrscheinlichkeit einer Kursaufwärtsbewegung ergibt sich damit:

Hinsichtlich der Aktienkursentwicklung ist Folgendes festzuhalten: Ausgehend vom Zeitpunkt t = 0 kann sich der Börsenkurs S0 = 100 im Zeitpunkt t = 1 entweder auf S1 = 122,14 (= 100 * 1,2214) erhöhen oder auf S1= 81,87 (= 100 * 0,8187) verringern. Dieser Sachverhalt ist in Abbildung 5 dadurch gekennzeichnet, dass der Kurs 122,14 oberhalb bzw. der Kurs 81,87 unterhalb des Kurses der Vorperiode abgebildet ist, aus dem er sich entwickelt hat.

Abb. 5: Modellierung der Kursentwicklung

 

Tz. 91

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Aus den Aktienkursen der Periode 3 lässt sich der Ausübungsgewinn errechnen, den der Optionsberechtigte bei einer endfälligen Optionsausübung zum jeweiligen Börsenkurs erzielen könnte. Dazu muss von dem betrachteten Börsenkurs der Optionsbasispreis abgezogen werden, dh., es wird für jeden Kurszustand der innere Wert der Option, S3 – B, bestimmt. Dieser entspricht im Fälligkeitszeitpunkt dem beizulegenden Zeitwert der Option, da sich der Zeitwert in Ermangelung zukünftiger Ausübungsgelegenheiten auf null reduziert hat. Die einzelnen Werte, die für den jeweils erreichten Börsenkurs ermittelt werden, können in Abbildung 6 in der letzten Spalte abgelesen werden.

Abb. 6: Rekursive Bestimmung des Optionswertes

 

Tz. 92

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Für die Perioden t < T ist neben dem inneren Wert auch der Zeitwert der Option zu berücksichtigen, sodass die mögliche Kursentwicklung bis zum Fälligkeitszeitpunkt antizipiert werden muss. Die Bestimmung der beizulegenden Zeitwerte geschieht daher mittels einer Rückwärtsrechnung. Für Perioden t < T lässt sich der beizulegende Zeitwert der Option Ct bestimmen, indem man den Erwartungswert der beizulegenden Zeitwerte der Folgeperiode t + 1 um eine Periode abzinst, dh.:

wobei

den Marktwert der Option in der Folgeperiode nach einem Kursanstieg (Kursrückgang) bezeichnet.

Beispiel (Forts.):

Der ...

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