Tz. 83

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Die Bewertungsgleichung, die unter dem Namen Black/Scholes-Modell bekannt geworden ist, wurde in den 1970er Jahren von Black, Scholes und Merton entwickelt; die beiden letztgenannten Autoren erhielten hierfür 1997 den Nobelpreis (vgl. Pellens et al., 2021, S. 585ff.; Kramarsch, 2004, S. 203ff. oder Black/Scholes, JoPE 1973, S. 637ff.). Zur Herleitung der Bewertungsgleichung wird ua. unterstellt, dass

  • keine Arbitragemöglichkeiten bestehen, was bedeutet, dass unterschiedliche Anlagen am Kapitalmarkt zu gleichen Erträgen führen müssen, sofern sie sich hinsichtlich ihres Risikos nicht unterscheiden,
  • sich der Kurs der zugrunde liegenden Aktie stochastisch entwickelt – und dabei durch eine sog. Brown’sche Bewegung (Wiener Prozess) beschrieben werden kann,
  • der Leerverkauf von Wertpapieren möglich ist und keine Transaktionskosten oder Steuern existieren,
  • keine Dividenden während der Optionslaufzeit gezahlt werden, wobei diese Annahme unter entsprechenden Modifikationen der Bewertungsgleichung aufgegeben werden kann,
  • der risikolose Zinssatz bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Option konstant ist – auch diese Annahme kann unter Anpassung der Bewertungsgleichung aufgegeben werden,
  • die Volatilität bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Option konstant ist und
  • die betrachteten Wertpapiere kontinuierlich gehandelt werden und die dabei erzielbaren Renditen der Log-Normalverteilung unterliegen.
 

Tz. 84

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Nachfolgend wird die Bewertungsgleichung zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes im Ausgabezeitpunkt für einen europäischen Call betrachtet. Dabei bezeichnet ein europäischer Call eine Option auf einen Aktienbezug zum festgesetzten Optionsbasispreis, die nur im Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt werden kann. Ein amerikanischer Call unterscheidet sich von dem hier betrachteten europäischen Call dadurch, dass er zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Optionslaufzeit ausgeübt werden kann. Unter der annahmegemäßen Vernachlässigung von Dividendenzahlungen ergibt sich der Gesamtwert der Option als

wobei C dem beizulegenden Zeitwert des Calls entspricht, S0 den Börsenkurs der zugrunde liegenden Aktie am Tag der Optionsgewährung symbolisiert und K den Optionsbasispreis repräsentiert. N(d1) ist eine Wahrscheinlichkeit, die der Bestimmung des erwarteten Börsenkurses im Fälligkeitszeitpunkt dient und N(d2) symbolisiert die Wahrscheinlichkeit, dass es für den gegebenen Optionsbasispreis K zur Ausübung der Option kommt. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass die Zahlung des Optionsbasispreises erst im Ausübungszeitpunkt fällig wird, dh., dass ein Zinsvorteil auftritt. e–rT dient zur Bestimmung des Diskontierungsfaktors bei stetiger Verzinsung, wobei r den risikolosen Zinssatz, T die vertragliche Laufzeit der Option und e die Exponentialfunktion bezeichnet.

 

Tz. 85

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Die Wahrscheinlichkeiten N(d1) und N(d2) sind Werte der Standardnormalverteilung, die sich aus entsprechenden Tabellen ablesen oder mit Hilfe von Tabellenkalkulationsprogrammen bestimmen lassen. Es gilt im Einzelnen

wobei σ die Volatilität des Börsenkurses der zugrunde liegenden Aktie bezeichnet und ln(.) den natürlichen Logarithmus symbolisiert.

Beispiel:

Der Börsenpreis der einem Call zugrunde liegenden Aktie im Zeitpunkt der Optionsgewährung sei S0 = EUR 100, der Ausübungspreis der Option betrage K = EUR 125, die vertragliche Laufzeit sei T = 3 Jahre, die Volatilität sei σ = 20 % und der risikolose Zins betrage r = 10 %.

Damit ergeben sich folgende Berechnungen zur Ermittlung des gesamten Optionswertes C (Call-Preis):

Die entsprechenden Werte der Standardnormalverteilung sind N(d1) = 0,6536 und N(d2) = 0,5194. Für den Diskontierungsfaktor ergibt sich e–rT = 0,7408.

Damit errechnet sich der Call-Preis C zu:

 

Tz. 86

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Für die Bewertung vergütungshalber gewährter Optionen sind uU eine Vielzahl von Anpassungen erforderlich (vgl. Tz. 104ff.). So müssen zB eventuelle Dividendenzahlungen während der Optionslaufzeit berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird aufgrund empirisch nachgewiesener Ausübungsmuster die vertragliche Optionslaufzeit regelmäßig durch die erwartete Haltedauer zu ersetzen sein.

 

Tz. 87

Stand: EL 50 – ET: 06/2023

Allgemein führen Erhöhungen des aktuellen Aktienkurses im Zeitpunkt der Optionsgewährung, der Optionslaufzeit und der Volatilität zu Optionswertsteigerungen, während eine Erhöhung des Optionsbasispreises zu einer Verringerung des Optionswertes führt. Zur Wirkung von Änderungen des risikolosen Zinssatzes vgl. Tz. 120 (vgl. für Beispiele zu Auswirkungen verschiedener Parametervariationen auf den Optionswert Kramarsch, 2004, S. 205ff.).

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