Tz. 19

Stand: EL 40 – ET: 02/2020

Liegt eine vertragliche Vereinbarung vor, ist anschließend zu prüfen, ob die Parteien darüber hinaus gemeinschaftliche Beherrschung ausüben. Da IFRS 11 keine expliziten Regelungen hinsichtlich des Kriteriums der Beherrschung enthält, ist gem. IFRS 11.B5 auf die Beherrschungsdefinition des IFRS 10 zurückzugreifen (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IFRS 10, Tz. 20). Nach IFRS 10.A beherrscht ein Investor ein Beteiligungsunternehmen, wenn er den variablen wirtschaftlichen Erfolgen ausgesetzt ist oder Rechte an diesen hat und aufgrund seiner Entscheidungsmacht die wirtschaftlichen Erfolge beeinflussen kann.

 

Tz. 20

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Im Gegensatz zu IFRS 10 muss die Beherrschung im Rahmen von IFRS 11 jedoch gemeinsam ausgeübt werden. Dies ist gem. IFSR 11.B10 mithilfe eines zweistufigen Prüfverfahrens ("Zwei-Stufen-Modell") zu beurteilen. Nach IFRS 11.B10 ist zunächst zu prüfen, ob eine kollektive Beherrschung vorliegt. Ist dieses Kriterium erfüllt, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob alle Entscheidungen hinsichtlich der wesentlichen Aktivitäten einstimmig getroffen werden müssen.

 

Tz. 21

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Eine kollektive Beherrschung ist anzunehmen, wenn die Parteien oder eine Gruppe der Parteien der Vereinbarung zusammenwirken müssen, um die wesentlichen Aktivitäten bestimmen zu können (IFRS 11.8). Die kollektive Beherrschung ist zu bejahen, wenn die Parteien oder eine Gruppe der Parteien an den variablen Ergebnissen der gemeinschaftlichen Vereinbarung partizipieren und diese durch ihre gemeinschaftlichen Entscheidungen hinsichtlich der relevanten Tätigkeiten beeinflussen können (IFRS 11.B5). Wesentliche Aktivitäten umfassen bspw. Beschlüsse zur Unternehmensstrategie sowie Investitions- und Finanzierungsentscheidungen (vgl. Küting/Seel, KoR 2012, S. 458; Galbiati/Baur, IRZ 2011, S. 318). Auch die Möglichkeit der Beherrschung reicht nach IFRS 10.12 aus. Daher muss von den beherrschenden Parteien kein tatsächlicher Einfluss auf die Unternehmung ausgeübt werden. Sie müssen also nicht aktiv in den Entscheidungsprozess eingebunden sein. Die Fähigkeit, über die relevanten Aktivitäten mitentscheiden zu können, genügt. Dies kann zu Konstellationen führen, bei denen eine Partei einer gemeinschaftlichen Vereinbarung über die relevanten Aktivitäten faktisch allein entscheidet, da sich die andere Partei passiv verhält (vgl. Küting/Seel, KoR 2012, S. 454). In der Praxis, bspw. bei rohstofffördernden Unternehmen oder in der Immobilienwirtschaft, ist es darüber hinaus durchaus üblich, dass eine Partei die tägliche Geschäftsführung der gemeinschaftlichen Vereinbarung übernimmt und als sog. Betreiber (oder Manager) handelt (vgl. dazu auch EY (Hrsg.), International GAAP 2019, S. 836). Wenn die Geschäftsführung der gemeinschaftlichen Vereinbarung auf eine Partei übertragen wird, müssen die anderen Parteien indes sicherstellen, dass die wirtschaftliche Macht des Betreibers beschränkt wird (vgl. Dittmar/Graupe, KoR 2012, S. 405). Dies ist der Fall, wenn die aktive Partei keine alleinige Entscheidungsmacht (hierzu vgl. IFRS 10.B42, IFRS 10.B44) besitzt und die passive Partei jederzeit ein Veto einlegen kann. Die Parteien müssen also trotz des Einsatzes eines Betreibers mit Geschäftsführungsbefugnis die gemeinschaftliche Vereinbarung noch gleichberechtigt beherrschen können. Anderenfalls läge keine gemeinschaftliche Vereinbarung vor, sondern ein Tochterunternehmen des Betreibers. Gleichwohl kann die Geschäftsführung auch auf mehrere Betreiber übertragen werden. In der Bauindustrie oder im Anlagenbau wird die Geschäftsführung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung oft getrennt nach Sachgebieten aufgeteilt, sodass die Kompetenzen der einzelnen Partner bestmöglich zur Geltung kommen (vgl. Zündorf, 1987, S. 7). Indes müssen die Parteien auch in dieser Konstellation auf die wesentlichen relevanten Entscheidungen der verschiedenen Sachgebiete Einfluss nehmen können (vgl. Holzapfel/Mujkanovic, PiR 2012, S. 339f.).

 

Tz. 22

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Über das Kriterium der kollektiven Beherrschung hinaus ist nach IFRS 11.B10 eine einstimmige Entscheidungsfindung der beherrschenden Parteien hinsichtlich der relevanten Aktivitäten erforderlich, sodass keine Partei ihre eigenen Interessen durchsetzen kann (vgl. IFRS 11.9 iVm. IFRS 11.B6). Die Einstimmigkeit kann sowohl durch die Art des Zusammenschlusses (Rechtsform oder organisatorische Gestaltung) als auch durch die gesellschaftsvertraglichen Regelungen (zB Mehrheitserfordernisse) oder zusätzliche schuldrechtliche Vereinbarungen (in der Praxis zB durch Stimmrechtsbindungsverträge, Konsortialverträge oder Poolverträge) entstehen (vgl. Küting/Seel, KoR 2012, S. 454).

 

Tz. 23

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Das Kriterium der Einstimmigkeit muss lediglich für die Parteien der gemeinschaftlichen Vereinbarung erfüllt sein, die in der Lage sind, auf relevante Aktivitäten Einfluss zu nehmen und diese ggf. zu verhindern, sollten sie ihrem Interesse widersprechen (daz...

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