Strategiearbeit ist auch für Mittelständler unverzichtbar. Wie das funktioniert, beschreibt Christian Nüßer, geschäftsführender Gesellschafter eines Maschinenbauunternehmens, in diesem Interview. In Teil 2 geht er besonders auf die eingesetzten Instrumente sowie die Kommunikation als Erfolgsfaktor ein.

Der Interviewpartner

Christian Nüßer ist geschäftsführender Gesellschafter der Venjakob Maschinenbau GmbH & Co. KG in dritter Generation. Er studierte Maschinenbau an der Universität RWTH Achen und Informatik am bib International College. Er ist u. a. Mitglied der Vollversammlung der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, Vorstand des Fachbereichs Oberflächentechnik der VDMA und Mitglied der Deutschen Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V.

Kurzbeschreibung des Unternehmens

Als Schlosserei 1963 gestartet, ist Venjakob mit seinem Hauptsitz in Rheda-Wiedenbrück heute ein global agierendes mittelständisches Familienunternehmen der Maschinenbau-Branche bei Gütersloh. Das Unternehmen produziert und verkauft Oberflächenbearbeitungs- und Abluftreinigungsanlagen sowie Fördertechnik. Zur Gruppe gehören 3 eigenständige Unternehmen: Venjakob Maschinenbau, Venjakob Umwelttechnik und Nutro. Die Venjakob-Gruppe beschäftigt weltweit ca. 350 Mitarbeiter und erwirtschaftet 60 Mio. Euro Umsatz, davon 70 % im Ausland.

Das Interview ist entnommen aus: Klein/Kottbauer, Strategien entwickeln, umsetzen und optimieren, 2023. Weitere Informationen

Das Interview führten Dr. Markus Kottbauer und Günther Lehmann

Dr. Markus Kottbauer ist Gründer und Geschäftsführer von decision partners und der decision academy, einem Beratungs- und Trainingsunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Entscheidungsfindung. Er ist Dozent zum Thema Strategie und Controlling an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich.

Günther Lehmann ist Chefredakteur Controlling bei Haufe, Vorstand der Verlag für ControllingWissen AG und Mitglied der Redaktion des Controller Magazins.

Wie läuft der Strategieprozess ab? Welche Controlling Instrumente werden dabei eingesetzt?

Nüßer: Beim ersten Durchlaufen des Strategieprozesses vor inzwischen mehr als 5 Jahren starteten wir mit einer SWOT-Analyse und haben dann versucht, die abgeleiteten Strategien mit Hilfe der Balanced Scorecard zu konkretisieren. Rückblickend kann ich feststellen, dass wir zwar damals schon relevante Strategien definiert hatten, jedoch ist es, wie bei so vielen anderen auch, an der Umsetzung gescheitert. Der operative Alltag hatte dann doch immer Vorrang.

Weil wir nicht zufriedenstellend vorangekommen sind, haben wir uns externe Unterstützung geholt und wurden im Prozess angeleitet. Auch mit dem Berater sind wir einen sehr pragmatischen Weg gegangen. Ohne die üblicherweise vorgeschalteten Kunden-, Markt-, Wettbewerbs- und unternehmensinternen Analysen haben wir gleich damit begonnen, die bereits vorhandenen Strategischen Ideen zu konkretisieren, die Ziele ausführlich zu beschreiben und die möglichen Wege zur Erreichung der Ziele auszuformulieren. Wir sind beim Werkzeug Balanced Scorecard zur Strategiekonkretisierung geblieben. Die klassischen 4 Perspektiven haben wir um die uns wichtigen Sichtweisen "Partner" und "Nachhaltigkeit" ergänzt und eine Strategielandkarte erstellt (siehe Abb. 1)

Strategielandkarte Venjakob GmbH & Co. KG

Die Strategielandkarte hilft uns die Übersicht über unsere strategischen Schwerpunkte zu bewahren und die Zusammenhänge zu verstehen. Mir ist bewusst, dass die Strategielandkarte beim erstmaligen Betrachten nicht unbedingt übersichtlich erscheint. War man jedoch bei der Erarbeitung der Strategie Bestandteil des Teams, dann fällt es gleich viel leichter damit den Überblick zu bewahren.

Wie es bei der Balanced Scorecard üblich ist, verwenden wir zur Zielkonkretisierung Früh- und Spätindikatoren. Auch da erging es uns wie vielen anderen, dass wir anfänglich eine Unmenge an Kennzahlen angesammelt haben, die nur mit sehr viel Aufwand gepflegt hätten werden können. Zum einen haben wir darauf geachtet, dass möglichst viele der Kennzahlen automatisiert über unser Business Intelligence Tool befüllt werden können, zum anderen haben wir bewusst auf Genauigkeit verzichtet und in einem zweiten Schritt die Anzahl an KPIs wieder stark reduziert.

Setzen Sie neben der BSC noch andere Strategie-Tools ein?

Nüßer: Unser wichtigstes Werkzeug in der Strategiearbeit ist nicht die BSC, sondern die Bildung eines Strategie-Boards und eines Programm-Management-Offices (PMO). Die Messung der Kennzahlen in der BSC und die Festlegung von Strategischen Initiativen reichen unserer Erfahrung nach nicht aus, um die Umsetzung der Strategien voranzutreiben. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass die Strategischen Vorhaben genauso wie auch unsere Kundenaufträge strukturiert als Projekte definiert und abgearbeitet werden müssen.

Im neu gegründeten Strategie-Board sind sämtliche Abteilungen vertreten. Wir haben einen Entscheidungsmodus festgelegt, der eine breite Beteiligung der mittleren Führungskräfte gewährleistet, bei dem jedoch nicht jeder Teilnehmer bei jedem Thema das gleiche Stimmrecht hat. Das Kernteam bildet die Geschäftsleitung aus CEO, CTO und CFO. Quartalsweise trifft sich das Strategie-Board zur Überprüfung und Priorisierung der strategischen Projekte, zur Beauftragung bzw. Freigabe neuer Projekte. Zur Priorisierung unserer Strategischen Vorhaben verwenden wir die Eisenhower Matrix.

Die quartalsweisen Treffen des Strategie-Boards bereitet unser Controller vor und moderiert diese auch. Die Ziele aus der Strategie haben wir inzwischen auch mit den persönlichen Zielen der Bereichsleiter verknüpft. In einem nächsten Schritt wollen wir diese dann auch noch weiter runterbrechen, sodass jedes Team, jeder Mitarbeiter sich noch mehr mit den Strategien identifizieren und daran orientieren kann.

Ein aus der Strategieentwicklung entstandenes Projekt ist die Weiterentwicklung des Controllings und der Planung. Im Zuge dieses Projekts soll die Strategische Planung noch einmal überdacht und feinjustiert werden und als ein Regelkreislauf fester Bestandteil der Planung sein. Die zugrundeliegenden nötigen Beobachtungen und Analysen von z. B. Kunden und deren Bedürfnisse, Märkte, Trends oder des Wettbewerbs sind bereits teilweise fix im Unternehmen verankerte Aufgabe. Da stehen wir jedoch noch am Anfang und haben noch Entwicklungspotenzial.

Wie wird die Strategie intern und ggf. nach außen kommuniziert?

Nüßer: Die interne Kommunikation erfolgt über mehrere Kanäle und unterschiedliche Kontaktpunkte. Wir berichten regelmäßig über die Projekterfolge im Intranet, auf Aushängen und Videos. Z.B. wurde von mir die Strategielandkarte mit Hilfe eines Videos erläutert. Ergebnisse aus einzelnen Strategischen Projekten werden im Rahmen der regelmäßigen Betriebsversammlung per Newsletter und sogenannter Quick Infos per Video den Mitarbeitern vorgestellt. Eine besondere Art der "Kommunikation intern" ist, dass wir immer anstreben, bei den strategischen Projekten Betroffenen zu Beteiligten zu machen. In jedem Projekt wird neben der fachlichen Kompetenz der Beteiligten auch ihre Kommunikationsfähigkeit innerhalb des Unternehmens mit betrachtet, um immer auch schon aus dem Projekt heraus "Marketing für die Sache" zu machen.

Projektstatusbericht Venjakob GmbH & Co. KG

Nach Außen präsentieren wir unsere Vision, das Leitbild und auszugsweise auch unsere Strategie über die Webseite und Kundenpräsentationen oder auch in Netzwerkveranstaltungen.

Sehr geehrter Herr Nüßer, herzlichen Dank für diese interessanten Einblicke in Ihre Strategiearbeit.

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Lesen Sie hier Teil 1 des Interviews "Im Strategieprozess betrachten wir neben Produkten auch Organisations- und Führungsstrukturen."


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