Seit 1.8.21 Speicherung von Fingerabdrücken auf Personalausweisen

Seit August müssen Bundesbürger auf neuen Personalausweisen ihre Fingerabdrücke erfassen lassen, die zusammen mit dem bald auch besser gesicherten biometrischen Gesichtsfoto auf dem Dokument gespeichert werden. Datenschützer haben Bedenken gegen die neue Praxis, die eine Identifizierung erleichtern soll, aber datenschutz- und verfassungsrechtlich umstritten ist.

Beim Beantragen eines neuen Personalausweises müssen Bundesbürger nun die Fingerabdrücke beider Zeigefinger abscannen lassen und diese Merkmale werden ebenso wie das biometrische Passfoto auf dem Ausweisdokument gespeichert. Wer Vorbehalte gegen eine solche Datenerfassung hat, kann nicht auf einen Reisepass ausweichen, der zwar ebenfalls als Identitätsdokument anerkannt ist, auf dem  jedoch die Speicherung von Fingerabdrücken schon seit 2007 obligatorisch ist. Und zumindest eines dieser Dokumente muss jeder Bundesbürger im Alter von über 16 Jahren besitzen, ansonsten kann ein Bußgeld von 5.000 EUR drohen.

Fingerabdrücke im Personalausweis zur Umsetzung einer EU-Vorgabe

Die gesetzliche Grundlage für die neue Praxis wurde im letzten November geschaffen, als der Bundestag das "Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Ausweis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen" verabschiedet hatte. Mit dem Gesetz wurde die EU-Verordnung 2019/1157 zur Sicherheit der Personalausweise von Unionsbürgern aus dem Jahr 2019 umgesetzt.

Auch strengere Vorgaben für Passfotos

Neben der zusätzlichen Erfassung der beiden Fingerabdrücke für den Personalausweis gibt es zudem Änderungen bei den biometrischen Passbildern. Ab 2025 werden nur noch solche Fotos akzeptiert, die von registrierten Fotostudios digital erstellt und auch auf sicheren Übertragungswegen an die Behörden übermittelt werden. Damit soll das sogenannte "Morphing" verhindert werden, bei dem Aufnahmen manipuliert und dabei etwa mit Teilen eines anderen Fotos verschmolzen werden, sodass etwa die Erkennungssoftware auf einem Foto die biometrischen Merkmale mehrerer Personen erkennt, was entsprechende Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet.

Ziel der neuen Personalausweise: bessere und sichere Identifizierung

Begründet wird die Ausweitung der biometrischen Datenerfassung auf den Ausweispapieren mit den verbesserten Identifizierungsmöglichkeiten für den Fall, dass ein einfacher Lichtbildabgleich nicht ausreicht. Ein Missbrauch soll verhindert werden, indem sichergestellt wird, dass ausschließlich Sicherheitsbehörden der EU-Staaten die biometrischen Daten zu Identifizierungszwecken auslesen können, während dies in anderen Staaten nicht möglich sein soll.

Fingerabdruck-Daten werden nicht zentral gespeichert

In der Pressemitteilung zur Einführung der neuen Ausweisfunktionen weist das Bundesinnenministerium zudem explizit darauf hin, dass nach Produktion und Aushändigung des Personalausweises die Fingerabdrücke sowohl beim Hersteller als auch bei der Behörde gelöscht werden, also nur auf dem Dokument selbst verbleiben.

Alle Informationen im Chip des Personalausweises sollen laut BMI durch anerkannte  Verschlüsselungsverfahren geschützt sein, um zu verhindern, dass Unbefugte sich Zugang zu den Datensätzen verschaffen. 

Risiken zentral Speicherung von biometrischen Daten

Dass eine zentrale Speicherung von biometrischen Daten bei staatlichen Behörden durchaus mit erheblichen Risiken verbunden ist, zeigt etwa auch ein Vorfall aus Estland, wo sich ein Hacker Zugang zu einer Datenbank verschaffen konnte und dabei Ausweisfotos von knapp 300.000 Personen kopieren konnte, bevor er einige Zeit später von der Polizei verhaftet wurde.

Datenschützer kritisieren Verstoß des biometrischen Personalausweis gegen DSGVO

Trotz dieser Sicherheitsmaßnahmen bleiben Datenschützer gegenüber der Erfassung der Fingerabdrücke auf den Ausweispapieren skeptisch.

  • So attestiert ein Gutachten des Netzwerks Datenschutzexpertise sowohl dem deutschen Gesetz als auch der EU-Verordnung 2019/1157 eklatante Verstöße gegen nationales Verfassungs- und Europarecht.
  • Insbesondere ließen die Vorschriften grundlegende Datenschutzvorgaben etwa zur Datenminimierung, Zweckbindung oder Transparenz außer Acht.


Augen Big Brother

Sicherheitsbehörden erhalten automatisierte Abruf- und Speicherbefugnisse

Speziell an den deutschen Gesetzen wird zudem moniert, dass hier eine generell automatisierte Abruf- und Speicherbefugnisse für Sicherheitsbehörden enthalten sind, die etwa Fahndungsabgleiche einschließen könnten, während eine Identitätsprüfung lediglich für Grenzkontrollen als angemessen einzustufen sei. Dies sei unverhältnismäßig.

Andere Datenschützer verweisen bei ihrer Kritik darauf, dass mit der Erfassung von hochsensiblen biometrischen Merkmalen sämtlicher Bürger eine Grenze überschritten werde und auch alle gesetzestreue Bürger sich gewissermaßen einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterziehen müssten. Die zwangsweise und anlasslose Abgabe von biometrischen Daten entsprächen  nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Dass der Zugriff auf die Fingerabdrücke ausschließlich durch Sicherheitsbehörden von EU-Mitgliedsstaaten erfolgen könne, biete ebenfalls nur eine bedingte Sicherheit, wie man am Beispiel des Brexits oder auch an rechtsstaatlich bedenklichen Entwicklungen in anderen EU-Staaten sehe.

Klagen gegen den Ausweis geplant

Der Verein  "digitalcourage" hat eine Klage angekündigt und gibt zu bedenken

Die zwei Diktaturen unserer jüngeren deutschen Geschichte haben in großem Maßstab Informationen gesammelt und gegen ihre Bevölkerung genutzt. 

Kritik von der Opposition

Als "bürgerrechtsfeindlich und verfassungsrechtlich höchst bedenklich", bezeichnet der Grünenfraktionsvize Konstantin von Notz die Neuregelung gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stephan Thomae sieht "unverhältnismäßige Mittel". 

Angst vor Missbrauch durch Kriminelle

Nicht zuletzt gibt es Bedenken, dass die Daten in die Hände von Kriminellen gelangen und zu Lasten Unschuldiger (Identitätsdiebstahl) verwendet werden könnten - um beispielsweise falsche Spuren zu hinterlassen oder sich Eingang zu mit Fingerprint gesicherten Räumlichkeiten oder Geräten zu verschaffen. 

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Schlagworte zum Thema:  Datenaustausch, Datenschutz