OLG: Ansprüche gegen KiK wegen Brand in Pakistan sind verjährt

Der Haftungsprozess wegen des Fabrikbrandes am 11.9.2012 im pakistanischen Karachi gegen KiK endete bereits vor dem LG Dortmund ohne Erfolg. Nun erklärt auch das OLG Hamm mögliche Ansprüche der Opfer des katastrophalen Brandschutzes für verjährt. Anzuwenden waren die Verjährungsregeln nach pakistanischem Recht.

Bei dem Brand haben über 250 Menschen den Tod gefunden hatten. Die Hoffnung auf ein Präzedenzurteil über den Umfang von Unternehmenshaftung wurde nun endgültig enttäuscht.

Haftungsprozess wegen Brand gegen KiK begann für die Opfer zunächst vielversprechend

Geführt wurde der Prozess von drei pakistanischen Hinterbliebenen der Opfer sowie einem Überlebenden, die von spezialisierten Völkerrechtlern der Bürgerrechtsorganisation „Europäischen Zentrum für Verfassung und Menschenrechte“ (ECCHR) unterstützt wurden. Juristisch geht es bei dem Prozess unter anderem um die Frage, inwieweit ein Unternehmen für gesetzeswidrige Vorkommnisse in der internationalen Lieferkette verantwortlich gemacht werden kann.

Das LG Dortmund juristisches Neuland zu beackern. Zu klären waren eine Reihe schwieriger juristischer Fragen, u.a.:

  • nach welchem Recht über die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden ist,
  • die Vorfrage der Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, die das LG bereits positiv unter Hinweis auf den Firmensitz des beklagten Unternehmens KiK in Deutschland beantwortet hat.

So hat das LG zunächst die Anträge der Kläger über Gewährung von Prozesskostenhilfe positiv entschieden.

Haftungsprozess wegen Brand in Pakistan gegen KiK - Hintergründe

Die Kläger forderten je 30.000 Euro Schadenersatz. Sie halten das deutsche Unternehmen KiK für die katastrophalen Brandschutzbedingungen im pakistanischen Fabrikgebäude für mitverantwortlich. Die zu 75 % mit Aufträgen von KiK ausgelastete Fabrik „Ali Enterprises“ in Karachi sei nicht zuletzt wegen baulicher und sicherheitstechnischer Mängel zur tödlichen Falle für die Arbeiterinnen und Arbeiter geworden. Die Gründe hierfür seien auch in der rigorosen Dumpingpreis-Politik des deutschen Unternehmens zu finden, die die Außerachtlassung kostenintensiver sicherheitstechnischer Erfordernisse begünstige. So habe die Fabrik zum Zeitpunkt des Brandes

  • über keine Notausgänge verfügt,
  • über keine Sprinkleranlage,
  • über keine Fluchtwege.
  • Die Mitarbeiter seien durch vergitterte Fenster regelrecht eingeschlossen gewesen
  • und die Fabrik sei damit zur tödlichen Falle geworden.

Das Unternehmen KiK bestreitet diese Mängel zwar nicht, verweist aber darauf hin, dass der Brand auf einen gezielten Brandanschlag der pakistanischen Schutzgeldmafia zurück zu führen sei und weist jede juristische Verantwortlichkeit für den Schaden zurück.

KiK meint, bereits eine Menge zur Schadenswiedergutmachung getan zu haben. Das Unternehmen hat jeder betroffenen Familie in Pakistan ca. 6.000 Euro und insg. ca. 5,3 Mio Euro gezahlt.

Haftungsprozess wegen Brand in Pakistan gegen KiK - die alles entscheidende Zurechnungsproblematik

Eine der juristisch interessante Frage wäre gewesen, ob die zweifellos fehlenden Schutzmaßnahmen für den Fall eines Brandes dem Mitverantwortungsbereich des deutschen Unternehmens KiK hätten zugerechnet werden können. Nach inzwischen international anerkannten Compliance-Regeln haben Unternehmen durchaus über ihre eigene Unternehmensgrenzen hinweg Sorgfaltspflichten.

  • Hierzu gehört, auch bei Zulieferern auf humane Arbeitsbedingungen zu achten, da es insbesondere in den Billiglohnländern Asiens häufig an menschenwürdigen Arbeitsbedingungen mangelt.
  • Spätestens seit dem Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch im April 2013, bei dem mehr als 1.100 Menschen ums Leben kamen, ist diese Kenntnis auch bei europäischen Unternehmen als bekannt vorauszusetzen.

Compliance als rechtliche Pflicht

Die Einkaufsabteilungen der Unternehmen sind verantwortlich für die Beschaffung von Gütern, Rechten und Dienstleistungen. Die Corporate-Compliance verlangt daher heute von den Unternehmen verantwortliches Handeln bei der Auswahl der Zulieferer. Inwieweit solche Standards auch juristisch durchsetzbar sind, ist bisher auch in Deutschland wenig geklärt.

Allerdings mehren sich in der Rechtsprechung der Gerichte die Hinweise, dass die Implementierung eines Mindeststandards an Compliance-Regeln zu den grundsätzlichen Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung von Unternehmen ab einer bestimmten Größe gehört, an deren Nichtbeachtung durchaus rechtliche Haftungsfolgen geknüpft werden können (BGH, Urteil v. 17.9.2009, 5 StR 394/08). Gleichwohl hätte das LG im anhängigen Rechtsstreit haftungsrechtliches Neuland betreten muss. Es könnte daher zu einem richtungsweisenden Urteil, insbesondere für die Billiganbieter von Textilwaren werden.

LG und OLG haben Haftungsprozess gegen KiK nach pakistanischem Recht entschieden

Völkerrechtler sind bereits zu Beginn des Verfahrens davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit nach pakistanischem Recht als dem Recht am Ort der behaupteten Rechtsverletzungen zu entscheiden ist. Das Gericht hat einen internationalen Gutachter mit der Klärung der Rechtslage nach pakistanischem Recht beauftragt. Der Gutachter kam zu dem für die Opfer bitteren Ergebnis, dass die Ansprüche der Opfer bzw. Hinterbliebenen bereits vor Einreichung der Klage verjährt waren. 

Verzicht auf die Verjährungseinrede durch KiK ändert nichts

Die Firma KiK hatte im Jahr 2014 einen Verzicht auf die Verjährungseinrede erklärt, an den sich das Unternehmen aber nicht mehr gebunden fühlte. Der Verzicht spielt nach den Ausführungen des Gutachters jedoch keine Rolle, denn

  • nach pakistanischen Recht ist die Verjährung nicht als Einrede, sondern als von Amts wegen zu beachtendes Hindernis für die Geltendmachung eines Anspruchs konstruiert.
  • Die Ansprüche auf Ersatz von Körper- und Personenschäden verjähren nach pakistanischen Recht innerhalb von einem Jahr, in Ausnahmefällen innerhalb von zwei Jahren nach dem schadenstiftenden Ereignis.
  • Bereits bei Einreichung der Klage lag das schadenstiftende Ereignis, der Brand, bereits mehr als zwei Jahre zurück, so dass nach den eindeutigen Feststellungen des Gutachters für pakistanisches Recht die Ansprüche bereits bei Klageerhebung zwingend verjährt waren.

Keine wirksame Rechtswahlvereinbarung

Der Sachverständige der Universität Bristol prüfte auch die Möglichkeit einer Teilrechtswahl, d.h. einer Vereinbarung der Anwendung deutscher Verjährungsregeln nach Art. 14 Abs. 1a der Rom-II-VO. Der Sachverständige kam aber zu dem Ergebnis, dass die Parteien eine Verjährung der Ansprüche nach deutschem Recht auch durch den von KiK erklärten Verjährungsverzicht nicht wirksam vereinbart hatten. Den Ausführungen des Sachverständigen schloss sich das LG an und wies die Klage auf Entschädigung wegen Verjährung möglicher Ansprüche ab (LG Dortmund, Urteil v. 10.1. 2019, 7 O 95/15).

OLG Hamm sieht keine Rechtsfehler des LG

Die Kläger hatten die Absicht, gegen das Urteil des LG Berufung einzulegen und beantragten für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe. Das OLG Hamm schloss sich in seiner Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag den Ausführungen des LG Dortmund an und wies den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück.

Auch ordre public bringt kein anderes Ergebnis

Ein anderes als das von LG gefundene Ergebnis folgt nach Auffassung des OLG auch nicht aus dem "ordre public" der Bundesrepublik.

  • Die ein- bzw. zweijährigen Verjährungsfristen des pakistanischen Rechts weichen nach der Wertung des OLG nicht so wesentlich von den Grundsätzen des deutschen Rechts und der dort geltenden regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist ab, dass eine Verjährung nach pakistanischen Regeln unter dem Gesichtspunkt des ordre public in Deutschland untragbar sei.
  • Auch legten die Geschehnisse bei dem Brand in Pakistan im Jahr 2012 keine Umstände nahe, die eine so nahe Verbindung mit dem deutschen Staat erzeuge, dass die Anwendung der deutschen Verjährungsregeln unabdingbar sei.
  • Vielmehr sei grundsätzlich zu respektieren, welche Verjährungsfristen ein Staat für bestimmte Ansprüche vorsehe.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens komme daher mangels Erfolgsaussicht nicht in Betracht.

(OLG Hamm Beschluss v. 21.5. 2019, 9 U 44/19)

OLG-Entscheidung blieb nicht ohne Kritik

Kritik an der Entscheidung des OLG wurde bereits laut. Beanstandet wird u a., der Senat habe sich nicht hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob es den Klägern überhaupt realistisch möglich gewesen wäre, innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von nur einem Jahr bei einem deutschen Gericht Klage einzureichen. Die Frage, ob die kurze Verjährung die Gewährung effektiven Rechtsschutzes verhindert habe, berühre durchaus den ordre public.

Forderung nach gesetzlichen Regelungen

Unabhängig vom konkreten Fall, in dem die Frage der Verantwortlichkeit von Unternehmen für rechtswidrige Vorgänge in der Lieferkette letztlich nicht geklärt wurde, fordert der ECCHR von der Politik verbindliche gesetzliche Regeln,

  • in denen die Sorgfaltspflichten von Unternehmen
  • hinsichtlich der Lieferantenkette
  • definiert und festgeschrieben werden.

Frankreich hat als Vorreiter im vergangenen Jahr ein solches Gesetz eingeführt

Auch das Unternehmen KiK würde nach eigenem Bekunden eine solche Klarstellung durch den Gesetzgeber begrüßen. Nur durch eine gesetzliche Regelung könne die für die Unternehmen dringend erforderliche Rechtssicherheit geschaffen werden. Allerdings muss eine solche gesetzliche Regelung nach den Vorstellungen von KiK mindestens europaweit gelten, denn sonst würden die Konkurrenten aus anderen Ländern wie bisher weitermachen.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitssicherheit, Haftung, Compliance