Brauchen Kranführer als Anschläger eine zusätzliche Ausbildung?

Das fehlerlose Zusammenspiel von Kranführer und Anschläger ist beim Anschlagen von Lasten von großer Bedeutung, denn fehlerhaftes Anschlagen von Lasten kann zu schweren Unfällen führen. Die am Lastenanschlag beteiligten Beschäftigten sollten daher für ihre Aufgaben ausgebildet sein. In vielen Betrieben werden aber auch Kranführer als Anschläger eingesetzt, die dafür nicht qualifiziert sind. Darf der Kranführer aber überhaupt Aufgaben des Anschlägers übernehmen? Und wenn ja, muss er dafür in jedem Fall speziell qualifiziert werden?

Anschlagen bezeichnet den Vorgang, bei dem ein sogenannter „Anschläger“ die zu transportierende Last am Lasthaken eines Kranes befestigt. Der Anschläger wählt das passende Anschlagmittel (z.B. Ketten, Seile, Gurte oder Containergeschirre) aus, verbindet dieses mit der Last sowie dem Kranhaken und gibt dann dem Kranführer das Zeichen zum Anheben. Eine weitere wichtige Aufgabe des Anschlägers ist es, den Schwerpunkt und das Gewicht der Last genau zu berechnen, so dass sie beim Anschlagen im Gleichgewicht ist. Die präzise Zusammenarbeit von Kranführer und Anschläger ist nicht nur essentiell für die Durchführung dieser Aufgabe, sondern auch für die Sicherheit aller beteiligten Personen und der Beschäftigten im unmittelbaren Umfeld.

Eignung Anschläger

Die Grundlage für die Ausbildung als Anschläger ist die " DGUV Regel 109-017 „Betreiben von Lastaufnahmemitteln und Anschlagmitteln im Hebezeugbetrieb", die Ende 2020 veröffentlicht wurde. Für das Anschlagen von Lasten gelten also die gleichen Voraussetzungen wie für die Kranführer oder auch Bedienpersonen von anderen mobilen Arbeitsmitteln wie Flurförderzeugen oder Erdbaumaschinen. Unternehmen dürfen mit dem selbstständigen Anschlagen von Lasten nur Personen beauftragen,

  • die das 18. Lebensjahr vollendet haben,
  • die körperlich und geistig geeignet sind,
  • die für das selbstständige Anschlagen von Lasten qualifiziert sind und die der Unternehmerin oder dem Unternehmer ihre Befähigung dazu nachgewiesen haben.

Fließender Übergang

Anschläger ist zunächst jeder, der eine Last anschlägt. Diese Person muss aber nicht unbedingt auch eine Ausbildung zum Anschläger absolviert haben. In der betrieblichen Praxis gibt es oft einen fließenden Übergang von einem ausgebildeten Kranführer, der nur die eigentlichen Aufgaben des Kranführers übernimmt, über Kranführer, die auch als Anschläger eingesetzt werden, bis hin zu ausgebildeten Anschlägern, die nur Anschlagtätigkeiten verrichten. Kein Regelwerk bestimmt, unter welchen Umständen ein Kranführer, der auch als Anschläger tätig wird, eine einschlägige Ausbildung absolvieren muss. Ob ein Kranführer eine zusätzliche Ausbildung als Anschläger haben muss, liegt somit vollständig im Ermessen des Arbeitgebers.

Problem bei Unfall

Bei dem umfangreichen Ermessensspielraum ergibt sich jedoch ein Problem für den Arbeitgeber: Wenn ein Unfall durch einen nicht qualifizierten Kranführer beim Anschlagen verursacht wird, hat dies rechtliche Konsequenzen für den Betrieb. Der Arbeitgeber muss den zuständigen Behörden dann überzeugend erklären können, warum der Kranführer keine spezifische Ausbildung im Anschlagen hatte. Sollte also ein Kranführer in jedem Fall auch eine Ausbildung zum Anschläger machen? Timo Zimmermann vom Arbeitsschutzschulungsunternehmen IAG Mainz macht deutlich, dass ein Kranführer, der lediglich unregelmäßig am Anschlagen beteiligt wird und dann auch nur „unkomplizierte“ Lasten anschlägt, nicht unbedingt eine gesonderte Ausbildung als Anschläger absolvieren muss – sofern er über ausreichendes Grundwissen zum Anschlagen in seiner Ausbildung zum Kranführer verfügt und dieses auch im Rahmen von Prüfungen auch unter Beweis stellen konnte. In einem solchen Fall sollte aber schriftlich festgehalten werden, welche Lasten im Betrieb vom Kranführer angeschlagen werden.

Wann brauchen Kranführer eine zusätzliche Anschläger-Ausbildung?

Kranführer sollten, so IAG-Experte Zimmermann, zusätzlich zum Anschläger ausgebildet werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Punkte erfüllt werden:

  • Das Anschlagen von Lasten war nicht Inhalt der Kranführerausbildung.
  • Das Anschlagen von Lasten war zwar Teil der Kranführerausbildung, wurde aber nicht abgeprüft.
  • Es werden Lasten angeschlagen, für die Kenntnisse notwendig sind, die nicht Teil der Ausbildung als Kranführer waren.
  • Der Kranführer ist lediglich als Gehilfe für einen anderen Kranführer tätig.
  • Es werden komplexe Lasten angeschlagen für die Sonderwissen nötig ist (z. B. asymmetrische, zerbrechliche, besonders schwere oder große Lasten).
  • Es werden besondere Anschlag- oder Lastaufnahmemittel, zum Beispiel Traversen oder kraftschlüssige Lastaufnahmemittel) oder Anschlagarten verwendet.
  • Es werden häufig verschiedene Lasten angeschlagen.
  • Es werden besondere Hebetechniken durchgeführt, zum Beispiel Drehen und Wenden von Lasten.
  • Es ist im Vorhinein nicht klar, welche Lasten angeschlagen werden müssen, zum Beispiel bei Vermietung eines Krans einschließlich Kranführer/Anschläger. In einem solchen Fall ist die vollständige Anschläger-Ausbildung notwendig.

Quelle: Timo Zimmermann: Anschläger von Lasten. Müssen sie ausgebildet werden? Reicht eine Ausbildung als Kranführer?, in: ARP. Arbeitsschutz in Recht und Praxis, 6/2023.

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