Raucherentwöhnungsprogramme: Unterstützung statt Zwang

Rauchentwöhnungsprogramme im Unternehmen gehören zu den wichtigsten Bausteinen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und weisen oft relativ gute Erfolge auf. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Beschäftigten aus eigenem Antrieb mit dem Rauchen aufhören wollen und von ihren Kollegen beim Entzug unterstützt werden.

Die Zahl der Raucher ist seit Beginn der Corona-Pandemie wieder stark gestiegen. Aus der Langzeitstudie „Deutsche Befragung zum Rauchverhalten“ (DEBRA) geht hervor, dass aktuell rund 37,6 % der Menschen ab 14 Jahren in Deutschland rauchen. Vor der Corona-Pandemie waren es nur rund 27 %. Dieser Trend ist auch in den Unternehmen zu beobachten. Leider werden die Erfolge der Raucherentwöhnungsprogramme aus der Zeit vor COVID-19 dadurch wieder etwas beeinträchtigt.

Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen

Auf Raucherentwöhnungsprogramme, die in den Betrieben zumeist von externen Dienstleistern durchgeführt werden, sollten Unternehmen gerade deshalb aber auch weiterhin setzen. Nicht nur wegen der Gesundheit der rauchenden Beschäftigten, sondern vor allem auch aufgrund der Nichtraucher in den Betrieben, die zahlenmäßig die Mehrheit bilden. In Deutschland sind nach Schätzungen etwa 8,5 Millionen Nichtraucher Passivrauch am Arbeitsplatz ausgesetzt. Durch Passivrauchen können die gleichen Erkrankungen wie durch aktives Rauchen verursacht werden. Beschäftigte, die 10-15 Jahre in einem stark verrauchten Raum arbeiten müssen, erkranken doppelt so häufig an Lungenkrebs wie Personen, deren Arbeitsplatz rauchfrei ist.

Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr

Besonders gefährdet beim Passivrauchen sind laut einer Untersuchung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dabei die Beschäftigten von Gaststätten und Spielcasinos, in denen in einigen Bundesländern das Rauchen in Nebenräumen noch erlaubt ist. Ähnlich ist die Gefährdung auch in vielen kleineren Büros, Callcentern, in Fahrerkabinen von Berufskraftfahrern oder Werkstätten. Rechtliche Schranken gibt es an den meisten dieser Arbeitsorte nicht. Denn bei Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 2 ArbStättV nur insoweit Schutzmaßnahmen zu treffen, als die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung es zulassen.

Erfolge der Raucherentwöhnung

Die letzte Großstudie zu den Erfolgsaussichten von betrieblich organisierten Seminaren bzw. Gruppentherapien zur Raucherentwöhnung liegt bereits etwas zurück. Doch die 2018 im IGA-Report der Initiative Gesundheit und Arbeit veröffentlichte Bilanz einer Großstudie zum Thema dürfte auch für heutige Maßnahmen noch Geltung haben. Die Studie hatte ergeben, dass durchschnittlich 26 % der Teilnehmenden an verschiedenen betrieblichen Raucherentwöhnungsprogrammen im Bundesgebiet nach 12 Monaten mit dem Rauchen aufgehört hatten. Allerdings griffen rund 19 % der teilnehmenden Beschäftigten danach wieder zur Zigarette, demgegenüber gaben 5 % der Seminarteilnehmer auch noch 12 Monate nach der Intervention an, nicht wieder mit dem Rauchen angefangen zu haben. Alle Informanten berichteten allerdings bereits nach 8 Wochen von einem deutlich reduzierten Tabakkonsum. Die Anzahl der Zigaretten war im wöchentlichen Median immerhin von 20 auf 13 Zigaretten gesunken.

Psychologischer Ansatz der Raucherentwöhnung

Aber was ist der entscheidende psychische Knackpunkt bei rauchenden und vielleicht sogar nikotinsüchtigen Beschäftigten, an dem Raucherentwöhnungsprogrammen ansetzen sollten? Sorge um die eigene Gesundheit ist es auf jeden Fall nicht, meint der Arzt und Coach für Raucherentwöhnungsseminare Stefan Frädrich in einem Interview auf dem Portal „Make Health Work“. Jeder Raucher wisse um die gesundheitlichen Risiken, das ist den meisten aber egal. Vielmehr wollten sie nur den jeweiligen Tag überleben. Die pure Panik, einen Tag ohne Zigarette aushalten zu müssen, sei das eigentliche Thema. Hier müsse man ansetzen, indem man eine Perspektive schafft und zeigt, dass einem nichts fehlt, wenn man auf das Rauchen verzichtet.

Soziale Unterstützung als Erfolgsfaktor

Soziale Unterstützung durch die Kollegen fördert laut Frädrich ganz besonders den langfristigen Therapieerfolg. Sinnvoll seien betriebliche Angebote wie Gruppen- oder Einzeltherapien, gekoppelt mit medikamentösen Behandlungen, zum Beispiel mit Nikotinersatzprodukten. Hierzu zählten Nikotinpflaster, Nikotinkaugummis, Nikotinlutschtabletten und Nikotininhalatoren, welche die Entzugsescheinungen gut abmildern können.

Craving-Attacken bekämpfen

Ein besonders wichtiges Thema bei den Raucherentwöhnungsprogrammen ist das Verhindern von Rückfällen bei der Rauchentwöhnung. Im Seminardeutsch wird dieses Verlangen nach einer Phase der Abstinenz als „Craving“ (engl.: Verlangen) bezeichnet. Auch hier kommt der Unterstützung durch die Kollegen eine große Bedeutung zu. Diese sollten als „Verbündete“ fungieren, um die Betroffenen beim Rauchstopp unterstützen. Den Rauchern muss in den Seminaren und Therapien aber vor allem beigebracht werden, wie sie selbst mit den zu erwartenden Rückfallerscheinungen umgehen können. Craving-Attacken halten meist nur wenige Minuten an, daher können kurzweilige Aktivitäten wie zum Beispiel Atemübungen, ein Gespräch oder bewusstes Kaugummikauen davon ablenken. Diese und andere Überbrückungstechniken müssen den Teilnehmern vermittelt werden, damit sie auch mittel- und langfristig von der Zigarette wegkommen.