Dipl.-Finanzwirt Bernhard Paus
Leitsatz
Bisher hat der BFH bei der Anerkennung von Krankheitskosten strenge Maßstäbe angelegt. Bei vielen Aufwendungen, z.B. Kurkosten, wird ein im Voraus ausgestelltes amtsärztliches Attest vorausgesetzt. Dasselbe wurde bisher bei wissenschaftlich umstrittenen Methoden verlangt. Diese Rechtsprechung hat der BFH jetzt für die Fälle einer Erkrankung mit nur noch begrenzter Lebenserwartung gelockert, vorausgesetzt, die medizinisch nicht anerkannte Heilmethode wird von einem Mediziner durchgeführt.
Sachverhalt
Der inzwischen verstorbenen Ehefrau des Steuerpflichtigen hatte die Klinik nach einer Operation wegen einer Krebserkrankung die übliche Chemotherapie angeboten. Stattdessen entschied sie sich für eine von ihrem Hausarzt (keinem Onkologen) angebotene Therapie mit einem teuren, nicht anerkannten Medikament (Ukrain). Das Finanzamt und das FG lehnten die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung ab. Der Amtsarzt hatte in einer nachträglich angeforderten Stellungnahme ausgeführt, vorliegende Untersuchungen "legten die Möglichkeit nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation" werden könne. Eine von dem FG angeforderte Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft sah dagegen keine Hinweise für die Wirksamkeit des Medikaments. "Auch für einen individuellen Heilversuch fehle jede wissenschaftliche und ethische Grundlage". Schließlich führte das FG aus, nach den – eher großzügigen – Maßstäben des BVerfG und des BSG dürften die Kosten (30000 EUR) nicht anerkannt werden. Der BFH erklärte die Frage der objektiven Eignung des Medikaments für unerheblich. Die "Ausweglosigkeit der Lebenssituation" des Patienten begründe eine tatsächliche Zwangsläufigkeit.
Hinweis
Die Entscheidung des BFH ist erkennbar vom Ergebnis her geprägt. Offen bleibt u.a., ob er an dieser großzügigen Linie auch bei eindeutig unwirksamen, überteuerten Behandlungen festhalten wird, wie ernst die medizinische Situation sich darstellen muss und ob z.B. Heilpraktiker den Ärzten gleich gestellt werden. Im Übrigen könnte man in Zweifel ziehen, ob es sinnvoll ist, bei der Anerkennung zweifelhafter Therapien im Steuerrecht großzügigere und ungenauere Maßstäbe anzulegen als im Sozialrecht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 2.9.2010, VI R 11/09.