Leitsatz (amtlich)
1. Aufwendungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung sind nur bei Vorlage einer ärztlichen Verordnung über die medizinische Notwendigkeit der Beförderung beihilfefähig. Das gilt auch für Fahrten, die mit einem privaten Kraftfahrzeug durchgeführt werden.
2. Die Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten steht mit höherrangigem Recht in Einklang.
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.10.2019; Aktenzeichen 10 A 11063/19) |
VG Trier (Urteil vom 11.02.2019; Aktenzeichen 6 K 4029/18.TR) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 2019 geändert.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 11. Februar 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Rz. 1
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten.
Rz. 2
Der Kläger ist gegenüber der beklagten Bundesrepublik Deutschland beihilfeberechtigt. Im Jahr 2017 musste er sich mehreren ambulanten operativen Eingriffen am Auge unterziehen. Diese sowie die anschließend jeweils erforderlichen ambulanten Nachkontrollen ließ er in einem rund 90 km von seiner Wohnung entfernten Krankenhaus durchführen. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Krankenhaus wurde ein privates Kraftfahrzeug benutzt.
Rz. 3
Den Antrag des Klägers, ihm die für die Fahrten entstandenen Aufwendungen zu erstatten, lehnte die Beihilfestelle der Beklagten mit der Begründung ab, dass keine der Fahrten ärztlich verordnet gewesen sei, wie dies in der einschlägigen Bestimmung der Bundesbeihilfeverordnung gefordert werde. Der Kläger hält dieses Erfordernis für eine überflüssige Förmlichkeit, weil sich jedenfalls in Fällen ambulanter operativer Eingriffe einschließlich der Nachbehandlung die Notwendigkeit der jeweiligen Fahrt aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine ergebe. Sein darauf gestützter Widerspruch und seine im Wesentlichen mit der gleichen Begründung vor dem Verwaltungsgericht erhobene Verpflichtungsklage blieben ohne Erfolg.
Rz. 4
Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zur Neubescheidung des Beihilfeantrags verpflichtet. Es ist der Ansicht, die Bindung der Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten an die Vorlage einer ärztlichen Verordnung verstoße bei Fahrten mit privaten Kraftfahrzeugen oder öffentlichen Verkehrsmitteln gegen höherrangiges Recht. Die Anordnung, eine ärztliche Verordnung für Fahrten zu Krankenbehandlungen vorzulegen, deren Kosten dem Grunde nach beihilfefähig seien, diene der Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Fahrtkosten auf den notwendigen und angemessenen Umfang. Bei Fahrten mit privaten Kraftfahrzeugen oder öffentlichen Verkehrsmitteln werde dieser Zweck im Allgemeinen bereits durch die Rechnung für die notwendige ärztliche Behandlung erfüllt. Denn die Nutzung dieser Verkehrsmittel sei für den Beihilfeberechtigten grundsätzlich die wirtschaftlich günstigste Möglichkeit, um zu dem Ort der Durchführung einer medizinisch notwendigen Behandlung zu gelangen, wenn dieser nicht fußläufig zu erreichen sei. Somit stelle das Erfordernis einer ärztlichen Verordnung in diesem Fall ein im Allgemeinen überflüssiges Formerfordernis dar, das die Beihilfegewährung unnötig erschwere und dadurch lediglich "Abschreckungswirkung" bei der Beantragung der Beihilfe zu dem Grunde nach beihilfefähigen Aufwendungen entfalte.
Rz. 5
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV.
Rz. 6
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Es steht nicht in Einklang mit § 31 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 25. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2403). Der entscheidungstragenden Annahme des Oberverwaltungsgerichts, Aufwendungen für Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug zu einer ambulanten Operation oder Nachbehandlung in einem nicht fußläufig erreichbaren Krankenhaus seien ohne Vorlage einer ärztlichen Verordnung für diese Fahrten beihilfefähig, ist nicht zu folgen. Das Oberverwaltungsgericht hat einen entsprechenden Beihilfeanspruch des Klägers zu Unrecht bejaht.
Rz. 8
Das Begehren des Klägers auf Bewilligung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für die im Zeitraum vom 19. Mai bis 4. September 2017 durchgeführten Fahrten von seiner Wohnung zum Krankenhaus und zurück ist nach § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BBhV in der vorgenannten Fassung (a.F.) zu beurteilen. Denn für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 - 5 C 2.16 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 53 Rn. 8 m.w.N.). Auf den Streitfall nicht anwendbar ist deshalb § 31 Abs. 1 Satz 1 BBhV in der geltenden Fassung des Art. 1 der Verordnung vom 1. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2713), obgleich diese Vorschrift mit dem Regelungsgehalt des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. insoweit übereinstimmt.
Rz. 9
Die Beteiligten streiten auch im Revisionsverfahren nicht darüber, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BBhV a.F. mit Ausnahme der ärztlichen Verordnung der jeweiligen Fahrt erfüllt sind. Im Streit steht allein die Frage, ob es einer solchen Verordnung auch bedarf, wenn für die Fahrt - wie hier - ein privates Kraftfahrzeug benutzt wird. Dies hat das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht verneint (1.). Die Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten ist mit höherrangigem Recht vereinbar (2.).
Rz. 10
1. Aufwendungen für Fahrten auch anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung sind nach § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. nur bei Vorlage einer ärztlichen Verordnung über die medizinische Notwendigkeit der Beförderung beihilfefähig (a). Das gilt auch für Fahrten, die mit einem privaten Kraftfahrzeug durchgeführt werden (b).
Rz. 11
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. setzt die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten im Krankheitsfall, die ihrer Art nach unter den Katalog des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. fallen, eine ärztlich verordnete Fahrt voraus.
Rz. 12
Die ärztliche Verordnung muss inhaltlich auf die medizinische Notwendigkeit der Fahrt bezogen sein und nicht - wie der Kläger und das Oberverwaltungsgericht meinen - auf die medizinische Notwendigkeit der Behandlung. Es reicht also nicht aus, dass die an einen bestimmten Ort gebundene medizinische Behandlung, deren Ermöglichung bzw. Realisierung die Fahrt dient, medizinisch notwendig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der Gesundheitszustand der Person, für die Beihilfe begehrt wird, auch deren Beförderung als solche aus medizinischer Sicht erforderlich macht und dies durch einen Arzt bescheinigt wird. Eine - wie hier vom Kläger vorgelegte - Bescheinigung des Krankenhauses über die Behandlungstermine genügt mithin nicht. Sie steht der ärztlichen Bestätigung über die medizinische Notwendigkeit der Fahrt nicht gleich.
Rz. 13
Das erschließt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit dem in § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV verankerten allgemeinen Grundsatz, dass Beihilfe nur zu notwendigen Aufwendungen gewährt wird. Für die Anerkennung der Aufwendungen für Fahrten als beihilfefähig bedeutet dies, dass der Beihilfeberechtigte oder der berücksichtigungsfähige Angehörige, zu dessen Aufwendungen eine Beihilfe begehrt wird, aus medizinischen Gründen auf die Benutzung eines Fortbewegungsmittels, d.h. eines Verkehrs- oder Transportmittels, angewiesen ist. Die Bindung der Beihilfefähigkeit an eine ärztliche Verordnung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass Aufwendungen, die auf einer solchen Verordnung beruhen, aufgrund der Sachkunde des Arztes regelmäßig auch als medizinisch geboten anzusehen sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. August 2018 - 5 B 3.18 - NVwZ-RR 2019, 112 Rn. 9 m.w.N.).
Rz. 14
Allein ein solches Normverständnis entspricht auch der sich aus den Gesetzesmaterialien ermittelten Zielsetzung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. Mit der Einführung des Erfordernisses einer ärztlichen Verordnung sollten die beihilferechtlichen Regelungen zu den Fahrtkosten auch insoweit an das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung angepasst werden, als Krankenkassen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482) - SGB V -, für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) die Kosten für bestimmte, ihrer Art nach im Gesetz genannte Fahrten ebenfalls kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur übernehmen, "wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind" (vgl. Begründung zur Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009). Ob und inwieweit das zutrifft, ist von dem behandelnden Arzt zu entscheiden (vgl. BT-Drs. 15/1525 S. 94).
Rz. 15
b) Die Verordnungspflicht des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. besteht nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift auch dann, wenn Fahrten zum Ort einer medizinischen Behandlung unter Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges ausgeführt werden sollen. Das gilt auch für die im Streit stehenden Fahrten anlässlich einer ambulanten Operation oder Nachbehandlung im Krankenhaus.
Rz. 16
Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2012 - 5 A 1.12 - Buchholz 262 § 6 TGV Nr. 1 Rn. 21 und vom 23. April 2015 - 5 C 10.14 - BVerwGE 152, 60 Rn. 21 m.w.N.) des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. sind im Hinblick auf derartige Fahrten entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht gegeben. Eine dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. insoweit seinem Wortlaut nach Sachverhalte erfasst, welche die Vorschrift entsprechend dem ihr nach dem erkennbaren Willen des Verordnungsgebers zugedachten Anwendungsbereich nicht erfassen soll. Vielmehr sprechen Sinn und Zweck der Regelung gegen eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. um derartige Fahrten. Die Vorschrift dient dazu - wie dargelegt - sicherzustellen, dass Beihilfeberechtigte durch den Dienstherrn von Fahrtkosten, die aus Anlass eines konkreten Krankheitsfalles anfallen, nur bei medizinischer Notwendigkeit der Beförderung selbst freigestellt werden. Im Übrigen sollen Beamte und Versorgungsempfänger solche Fahrtkosten aus ihrer Regelalimentation bestreiten. Die in diesem Zusammenhang vorgeschriebene ärztliche Verordnung gewährleistet, dass die medizinische Notwendigkeit durch einen Sachkundigen beurteilt und dadurch die Beihilfestelle zur Verwaltungsvereinfachung von eigenen Prüfungen entlastet wird (vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Urteil vom 29. Juni 2020 - 13 K 6587/19 - juris Rn. 26). Diesen Zwecken würde es zuwiderlaufen, wenn Fahrten mit einem privaten Kraftfahrzeug anlässlich einer ambulanten Operation im Krankenhaus oder in der Arztpraxis einschließlich der Vor- und Nachbehandlung von der Verpflichtung zur Vorlage einer ärztlichen Verordnung ausgenommen würden.
Rz. 17
2. § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. steht mit diesem Inhalt - entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts - mit höherrangigem Recht im Einklang. Die daraus folgende Leistungsbegrenzung auf ärztlich verordnete Fahrten beruht auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage (a). Sie verletzt zudem weder den allgemeinen Gleichheitssatz (b) noch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (c).
Rz. 18
a) Die Regelung des § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. findet die erforderliche gesetzliche Ermächtigung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 23. November 2017 - 5 C 6.16 - Buchholz 270.1 § 22 BBhV Nr. 2 Rn. 9 und vom 14. Dezember 2017 - 5 C 17.16 - BVerwGE 161, 105 Rn. 17, jeweils m.w.N.) in § 80 Abs. 6 Satz 1 und 2 Nr. 2 Buchst. c Bundesbeamtengesetz - BBG - vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2232). Danach kann das Bundesministerium des Innern als zuständiger Verordnungsgeber durch Rechtsverordnung die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrtkosten in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - beschränken. Diese Anlehnung kann auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Der Verordnungsgeber kann hierzu auf konkrete Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung verweisen und die damit verbundenen Leistungsbegrenzungen vollständig in das Beihilferecht übertragen. Er kann sich aber auch - so wie hier - an dem Inhalt der einschlägigen Regelungen des Krankenversicherungsrechts orientieren und diese in einer eigenen Verordnungsregelung verarbeiten. Dabei steht es ihm grundsätzlich frei, die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung vollständig oder modifiziert und differenzierend in das Beihilferecht zu inkorporieren (vgl. zu einer vergleichbaren landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage BVerwG, Urteil vom 21. November 2017 - 5 C 2.16 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 53 Rn. 19).
Rz. 19
In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten, deren medizinische Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung bescheinigt wird, von der Ermächtigungsnorm gedeckt. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung am 1. Januar 2004 bindet auch § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V - wie bereits dargelegt - die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht für Fahrkosten ausdrücklich daran, dass die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Krankenkassenleistung erforderliche Fahrt selbst aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig ist. Dass die ärztliche Verordnung als Leistungsvoraussetzung nicht in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V selbst, sondern in der gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinie über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinie) - hier in der maßgeblichen Fassung vom 22. Januar 2004 (BAnz 2004 Nr. 18 S. 1 342) - geregelt ist, steht dem nicht entgegen. Gleiches gilt für eine etwaige Diskrepanz zwischen der beihilferechtlichen Forderung nach einer ärztlichen Verordnung auch im Fall der Benutzung eines privaten Kraftfahrzeuges für eine ihrer Art nach gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 BBhV a.F. als beihilfefähig anerkannte Fahrt und dem sich aus § 2 Abs. 3 und § 7 Abs. 4 Krankentransport-Richtlinie ergebenden Verzicht auf eine derartige Verordnung im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die vorgeschriebene Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - ermöglicht es dem Verordnungsgeber grundsätzlich auch, gegebenenfalls über die Regelungen des Krankenversicherungsrechts und die damit verbundenen Leistungsbegrenzungen hinauszugehen.
Rz. 20
b) Der Vergleich mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch keinen Gleichheitsverstoß begründen. Soweit darin, dass für Fahrten gesetzlich Krankenversicherter bei Fahrten der hier in Rede stehenden Art eine Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Krankentransport-Richtlinie nicht erforderlich ist und nach § 7 Abs. 4 Krankentransport-Richtlinie nicht ausgestellt wird, überhaupt eine Ungleichbehandlung von Beihilfeberechtigten und deren berücksichtigungsfähigen Angehörigen liegt, ist diese gerechtfertigt.
Rz. 21
Das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG wird in der Regel und so auch hier durch Unterschiede in der Leistungsgewährung nach den Beihilfevorschriften des Bundes und den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V - nicht verletzt. Denn die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und ergänzender Privatversicherung unterscheidet sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 16 m.w.N.).
Rz. 22
c) Schließlich ist die Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Fahrten auf solche, die ärztlich verordnet wurden, mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar.
Rz. 23
Die verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete und einfachrechtlich in § 78 BBG normierte Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller krankheitsbedingten Kosten, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Ein für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehener Leistungsausschluss oder eine Leistungsbegrenzung ist mit Blick auf die Fürsorgepflicht nur zu beanstanden, wenn dadurch der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht betroffen ist, weil der Beamte bzw. Versorgungsempfänger mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (vgl. stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 19 f. m.w.N.). Ein derartiges Betroffensein scheidet unter anderem bei Aufwendungen aus, die sich als mittelbare (Folge-)Kosten einer Krankheit darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 21 m.w.N.). Zu diesen gehören der Art nach auch die in Rede stehenden Fahrtkosten. Jedenfalls ist das beihilferechtliche Unterbleiben der Erstattung von Fahrtkosten, die auf nicht verordnete Fahrten zurückgehen, nicht geeignet, die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern zu berühren.
Rz. 24
3. Abschließend weist der Senat aus Gründen der Klarstellung auf Folgendes hin: Für den Fall, dass ein Beihilfeanspruch des Klägers bestünde, entspräche die angefochtene Entscheidung insofern nicht den bundesrechtlichen Vorgaben, als das Oberverwaltungsgericht lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung ausgesprochen hat. Bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen besteht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBhV ein Rechtsanspruch, der sich regelmäßig und so auch im vorliegenden Zusammenhang der Fahrtkosten auf die Gewährung eines bestimmten Geldbetrages erstreckt. Dessen Höhe ist - soweit es erforderlich ist - von den Tatsachengerichten im Rahmen ihrer aus § 113 Abs. 5 Satz 1, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgenden Verpflichtung zur Spruchreifmachung selbst - gegebenenfalls mit Hilfestellung der zuständigen Beihilfebehörde - zu ermitteln und festzustellen. Das schließt im Fall eines etwaigen Obsiegens des Beihilfeberechtigten den Erlass eines Bescheidungsurteils grundsätzlich - und so auch hier - aus.
Rz. 25
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Haufe-Index 14573566 |
BVerwGE 2022, 1 |
DÖV 2021, 942 |
JZ 2021, 538 |
VR 2021, 358 |
BayVBl. 2021, 3 |
DVBl. 2021, 3 |
KommJur 2021, 8 |