Risiko­management = Verhinderungsmanagement?

Das Schumpeter'sche Paradigma der "schöpferischen Zerstörung" beschreibt das Werden und Vergehen in einer Volkswirtschaft.[1] Die Aufgabe des Risikomanagements wird dabei meist nur darin gesehen, das Unternehmen vor Schieflagen oder Krisensituationen zu bewahren. Der Blick auf Wachstumsphasen wird häufig vernachlässigt oder ist teilweise sogar von der Geschäftsführung nicht gewollt. Risikomanagement kostet Zeit und diese ist insbesondere in Wachstumsphasen besonders kostbar.

Besonders Wachstumsphasen sind durch eine monate-, teilweise auch jahrelange Mehrbelastung der Mitarbeiter geprägt. Hierbei stehen das Gestalten, das Umsetzen und auch der Abschluss von (Teil-)Projekten im Vordergrund. Meist sind schnelle und pragmatische Lösungen und "Quick Wins" gefragt. Eine "zu intensive" Diskussion über die Nachhaltigkeit der verfolgten Strategie sowie deren "Risiken und Nebenwirkungen" erscheint hinderlich. Risikomanagement wird dann oftmals als Verhinderungsmanagement aufgefasst.[2]

Nicht zuletzt zahlreiche Beispiele aus dem Bereich der Mergers & Acquisitions zeugen jedoch davon, dass sich (zu) positive Erwartungen oftmals in ihr Gegenteil verkehren und "(risiko-)blindes Wachstum" einem Unternehmen langfristig erheblich schaden kann.[3] Wachstum kann also selbst zum Risiko werden. Die hierfür ursächlichen Trugschlüsse des menschlichen Geistes hat Kahneman grundlegend erforscht.[4] Hier müssen Risikomanagement und Risikocontrolling frühzeitig ansetzen, um Schieflagen oder Unternehmenskrisen zu verhindern.

Wachstum und Risikosteuerung Hand in Hand

Vollständigkeitshalber sei an dieser Stelle erwähnt, dass eine wachstumsorientierte Strategie auch das Risikoportfolio des Unternehmens positiv beeinflussen kann. Eine durch die Aufnahme neuer Produkte, Kundengruppen oder Verkaufsgebiete forcierte Diversifikation kann z. B. bestehende Risiken reduzieren. Zudem kann die Integration von vor- oder nachgelagerten Prozessen der Wertschöpfung die Abhängigkeit von Lieferanten oder Kunden reduzieren. Auch diese positiven Effekte können durch das Risikomanagement analysiert werden. Zugleich können es strategische Risiken sein, welche das Unternehmen zur Expansion zwingen. Beispielhaft kann hier auf die deutsche Automobilzulieferindustrie verwiesen werden, welche den großen Automobilherstellern bei ihrer internationalen Expansion der Produktionsstandorte folgen (müssen), um auch zukünftig ein attraktiver Geschäftspartner zu sein.

Commitment der Geschäftsführung unabdingbar!

Wachstum erfordert ein kritisch reflektierendes Risikomanagement und Risikocontrolling. So muss es die mit der wachstumsorientierten Strategie verbundenen Risiken aufzeigen und hat für eine valide Informationsbasis zu sorgen, auf welcher die Geschäftsführung die Wachstumsschritte einleiten kann (vgl. s. u. "Risiken bei Wachstumsstrategien"). Um das jedoch sicherstellen zu können, braucht das Risikomanagement die uneingeschränkte Unterstützung und Rückendeckung der Unternehmensführung. Andersfalls werden die hiermit verbundenen Tätigkeiten als Ballast durch die Organisation angesehen und entsprechend unzureichend ausgeführt.[5] Außerdem ist das Risikomanagement in den strategischen Planungsprozess einzubinden.[6]

 
Achtung

Risiken bei Wachstumsstrategien

Beispielhafte Risiken, die im Rahmen von Wachstumsstrategien berücksichtigt werden sollten:

  • Finanzen: Das Wachstum erfordert eine stärkere Fremdkapitalfinanzierung. Die Risiken bezüglich der Konditionen und des Ratings steigen. Zudem verändert die sinkende Eigenkapitalquote die Risikotragfähigkeit des Unternehmens. Auswirkungen auf die Kapitalbeschaffung und die Liquidität sind zu beachten.
  • Compliance: Eine stärkere regionale Diversifikation, verbunden mit der Expansion in neue Kulturräume, erfordert einerseits die Berücksichtigung dortiger Rechte, Werte und Normen sowie andererseits die Gewährleistung der konzernweit geltenden Normen. Unter dem Aspekt der Corporate Governance und der Nachhaltigkeit können sich hier z. B. gravierende Reputationsrisiken für das Unternehmen ergeben.
  • Produktion: Eine Erweiterung der Produktionskapazitäten führt zu steigenden Fixkosten. Die Auswirkungen von Umsatzschwankungen, insbesondere -rückgängen sind zu eruieren. Zugleich erhöhen sich – bei einer gleichzeitigen Internationalisierungsstrategie – die Unsicherheiten sowie die Komplexität der Beschaffung (Stichwort Global Sourcing).
[1] Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, 7. Aufl. 1993, S. 143.
[2] Vgl. Diederichs, Risikomanagement und Risikocontrolling, 3. Aufl. 2012, S. IX.
[3] Vgl. Malmendier/Tate, Journal of Financial Economics 1/2008, S. 20 – 43.
[4] So etwa Kahneman, Thinking, Fast and Slow, 2012.
[5] Vgl. hierzu Diederichs, Risikomanagement und Risikocontrolling, 3. Aufl. 2012, S. 211 f.
[6] Die nachfolgend skizzierten Aufgaben des Risikomanagements sind nicht zwangsläufig dem Risikomanagement-Bereich als Institution zuzuordnen, sondern können auch durch andere Abteilungen des Un...

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