Durch die Überseering-Entscheidung des EuGH[1] sowie die nachfolgenden Entscheidungen des BGH wurde klargestellt, dass sowohl im EU-Ausland wirksam gegründete Kapitalgesellschaften als auch US-amerikanischen Kapitalgesellschaften die Rechtsfähigkeit im Inland nicht deswegen versagt werden kann, weil sie trotz effektiven Sitzes im Inland dort nicht wirksam errichtet worden sind.[2] Für sonstige ausländische Kapitalgesellschaften außerhalb der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika hat die bisherige Rechtsprechung durchaus noch Relevanz. Durch den Brexit ist abzuwarten, ob künftig Regelungen für die britischen Kapitalgesellschaften getroffen werden, die die Gründungstheorie aufrechterhalten. Dies ist bisher noch nicht geschehen. Das Handels-und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (Trade and Cooperation Agreement; TCA) gewährt keine Niederlassungsfreiheit. Einige englische Limiteds wurden in eine irische Limited umgewandelt, wodurch sie ihre Niederlassungfreiheit und Rechtsfähigkeit in Deutschland behielten. Der Übergangszeitraum nach dem Brexit endete am 31.12.2020. Seit dem ist die Limited aus UK wie jede andere ausländische Kapitalgesellschaft außerhalb der EU, bzw. dem EWR aus Ländern, zu behandeln, für die es keine Abkommen gibt. So hat das Landgericht Berlin nach dem Brexit die Umschreibung eines vollstreckbaren Titels von der Limited zu Lasten des Alleingesellschafters zugelassen, da nach dem deutschen Recht aus der Limited ein Einzelunternehmer geworden sei – da es nur einen Gesellschafter gab, sonst läge eine OHG oder GbR vor – so dass gegen den Alleingesellschafter der Limited nunmehr persönlich vollstreckt werden konnte.[3] Ein einfacher Weg die persönliche Haftung zu vermeiden, wäre eine rechtzeitige Einbringung der Limited-Geschäftsanteile in eine andere EU-Kapitalgesellschaft gewesen. Dann wäre dort mit Wegfall der Rechtsfähigkeit, dieser das Betriebsvermögen zugefallen. Waren ohnehin nur EU-Kapitalgesellschaften an der Limited beteiligt, stellte sich das Problem nicht. Entstand ansonsten eine Einzelunternehmung könnte sich diese im Handelsregister eintragen lassen, der Einzelunternehmer könnte dann für die Zukunft die Einzelunternehmung als Sacheinlage in einer GmbH einbringen oder auf diese abspalten. Die Einbringung als Sacheinlage ginge auch ohne Handelsregistereintragung. Damit kann dann wenigstens für die Zukunft die persönliche Haftung vermieden werden.

Für die Verwendung von Rechtsformen von Drittstaaten im Inland, wie z. B. der vorgenannten Limited aus UK oder der Verwendung von Schweizer Rechtsformen wendet also der BGH die Sitztheorie an, weshalb auch aus einer Schweizer AG, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegte, eine deutsche Personengesellschaft oder Einzelunternehmung wird (s. auch die Ausführungen bei 2.2.)[4]

[2] Für EU-Gesellschaften siehe BGH, Urteil v. 13.3.2003, VII ZR 370/98, NZG 2003, 431, zu US-amerikanischen Gesellschaften siehe BGH, Urteil v. 29.1.2003, VIII ZR 155/02, NZG 2003, 531 unter Hinweis auf Art. XXV Abs. 5 S. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl II 1956, 487 f.).
[3] LG Berlin, Urteil v. 28.11.2022, 101 O 57/22.

2.1 Überseering-Entscheidung des EuGH

In der Überseering-Entscheidung des EuGH[1] aus dem November 2002 ging es um folgenden Ausgangssachverhalt:

Die Überseering BV, eine in den Niederlanden eingetragene Kapitalgesellschaft, machte Ansprüche auf Mängelbeseitigung bei der Ausführung von Bauarbeiten gegen eine deutsche Gesellschaft geltend. Die niederländische Kapitalgesellschaft hatte ein Garagengebäude sowie ein dazugehöriges Motel saniert und hierbei die deutsche GmbH mit Malerarbeiten beauftragt. Da diese mangelhaft ausgeführt worden sein sollen, wurde schließlich die deutsche GmbH auf ca. 1,2 Millionen DM für Beseitigungskosten sowie Schadenersatz verklagt. Die Überseering BV unterlag in zwei Instanzen, da der niederländischen Kapitalgesellschaft die Rechtsfähigkeit abgesprochen wurde.

Der tatsächliche Sitz der Gesellschaft sei Deutschland, die Gesellschaft sei 1990 von zwei Personen in der Rechtsform der BV (Besloten Vennootschap) gegründet worden. Im Jahre 1994 bzw. 1995 verkauften die damaligen Gesellschafter ihre Geschäftsanteile nach Deutschland, seit diesem Zeitpunkt sei die Gesellschaft faktisch von Deutschland aus geführt worden, dort befand sich die Verwaltung und die Geschäftsführung, ein Bezug zu den Niederlanden existierte nicht mehr. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts wurde Revision eingelegt, so dass der Bundesgerichtshof über die Frage zu entscheiden hatte.

Da bereits seit Jahren rege diskutiert wurde, ob die in Deutschland praktizierte Sitztheorie gegen Europarecht verstößt, setzte der BGH das Verfahren aus und holte eine sogenannte Vorabentscheidung des EuGH ein. Der EuGH entschieden, ...

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