Rz. 81

Steuerrechtlich können Verbindlichkeiten erst bei einer voraussichtlich dauernden Werterhöhung mit einem höheren Teilwert ausgewiesen werden.[1] Verbindlichkeiten müssen am Bilanzstichtag nach dem Imparitätsprinzip mit dem Zugangswert oder, wenn der Erfüllungsbetrag am Bilanzstichtag darüber liegt, mit diesem bilanziert werden. Handelt es sich um Währungsverbindlichkeiten (aus Lieferungen und Leistungen oder aus Darlehensgewährungen) kehrt sich das Niederstwertprinzip in ein Höchstwertprinzip um.[2]

 

Rz. 82

Teilwert einer Verbindlichkeit ist der Mehrbetrag, den der Erwerber des gesamten Betriebs zahlen würde, wenn die Verbindlichkeit nicht bestünde oder wenn er sie vom Verkäufer nicht zu übernehmen bräuchte.[3]

 
Praxis-Beispiel

U hat am 15.10.01 von dem Lieferanten S in der Schweiz eine Maschine geliefert bekommen. Die Verbindlichkeit belief sich in EUR umgerechnet auf brutto 119.000 EUR. Da der Umrechnungskurs der Schweizer Währung gegenüber dem EUR gestiegen ist, beträgt die Verbindlichkeit zum 31.12.01 brutto 124.950 EUR. U überwies am 15.1.02 den Rechnungsbetrag in Schweizer Franken, die er für 124.950 EUR erwarb.

Bei einem Betriebserwerb werden die Verbindlichkeiten vom Erwerber entweder übernommen oder der Veräußerer löst sie vorher noch ab. Bestünde die Verbindlichkeit nicht oder würde der Veräußerer sie ablösen, müsste ein Erwerber des gesamten Betriebs im vorstehenden Beispiel 124.950 EUR mehr zahlen. Die Verbindlichkeit beträgt daher zum Abschlussstichtag 124.950 EUR.

Handelt es sich um eine Währungsverbindlichkeit und ist der Wechselkurs beim Erwerb des Betriebs gegenüber dem zur Zeit der Entstehung der Verbindlichkeit ungünstiger, hat also die Verbindlichkeit einen höheren Wert, so wird der Erwerber auf einer Höherbewertung im Rahmen des Gesamtkaufpreises bestehen. Er wird bei der Bemessung des Gesamtkaufpreises sich nicht auf Argumente einlassen, der Wechselkurs könnte wieder günstiger werden. Muss der Erwerber im vorstehenden Beispiel die Verbindlichkeit übernehmen, wird er daher 124.950 EUR und nicht 119.000 EUR ansetzen. Bei einer "sinngemäßen Anwendung" der Vorschriften der Nr. 2 von § 6 Abs. 1 EStG ist daher bei einer Werterhöhung einer Verbindlichkeit zum Stichtag gegenüber dem Nennbetrag davon auszugehen, dass diese voraussichtlich von Dauer ist.

 

Rz. 83

Nach Ansicht der Finanzverwaltung liegt eine voraussichtlich dauernde Erhöhung des Kurswertes einer Verbindlichkeit nur bei einer nachhaltigen Erhöhung des Wechselkurses gegenüber dem Kurs bei Entstehung der Verbindlichkeit vor. Die Änderung ist voraussichtlich nachhaltig, wenn der Steuerpflichtige hiermit aus der Sicht des Bilanzstichtages aufgrund objektiver Anzeichen ernsthaft rechnen muss. Aus Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns müssen mehr Gründe für als gegen eine Nachhaltigkeit sprechen. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von jedenfalls 10 Jahren haben, begründet ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung; die Währungsschwankungen werden in der Regel ausgeglichen..

[4]

Im vorstehenden Beispiel hing die Verbindlichkeit wirtschaftlich eng mit der Anschaffung eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens zusammen. Es handelte sich daher nicht um eine Verbindlichkeit des laufenden Geschäftsverkehrs. Obwohl die Wechselkurserhöhung bis zum Tilgungszeitpunkt anhielt, wäre daher nach dem BMF-Schreiben eine voraussichtlich dauernde Werterhöhung nicht gegeben. Wirtschaftlich ist aber die Lage ebenso, als wäre die Anschaffung von Vorräten durch eine Fremdwährungsverbindlichkeit finanziert worden. Im vorstehenden Beispiel ist daher auch bei Zugrundelegung der mitgeteilten Verwaltungsauffassung von einer dauernden Werterhöhung der Verbindlichkeit auszugehen. Die Verbindlichkeit kann daher zum Abschlussstichtag mit dem Betrag unter Zugrundelegung des höheren Wechselkurses ausgewiesen werden.

[5]

[2] Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 6 EStG Rz. 43.
[4] BMF, Schreiben v. 16.7.2014, BStBl 2014 I S. 1162.
[5] BMF, Schreiben v. 16.7.2014, BStBl 2014 I S. 1162.

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