Über Stücklisten und Arbeitspläne lassen sich die Einzelkosten, die durch ein Produkt bzw. eine Produktvariante entstehen, klar nachvollziehen und eindeutig zuordnen. Bei den allgemeinen Kosten eines Unternehmens ist hingegen die Kausalität zwischen Kostenanfall und Produktvielfalt nicht unmittelbar erkennbar. Zur Lösung dieser Probleme wurden in Literatur und Praxis verschiedene Ansätze untersucht. Das Spektrum reicht von sehr differenzierten, jedoch komplexen und damit aufwendigen Verfahren bis hin zu weniger differenzierten, aber geeignete Verfahren.[1] Nahezu alle Vorschläge zielen im Kern auf den Einsatz der Prozesskostenrechnung[2] ab, die sich in mehreren Schritten vollzieht.

Ablauf der Variantenkalkulation im Überblick

Zunächst ist eine umfassende Analyse der Unternehmensprozesse durchzuführen, die Hinweise gibt, inwieweit Varianten Komplexitätskosten verursachen. Die Auswertung von Stellenbeschreibungen, Arbeitsaufzeichnungen und Zeiterfassungen einzelner Tätigkeiten dienen dabei als Grundlage zur Beantwortung der Frage, welche Aktivitäten durch Varianten ausgelöst werden.

Als alleiniger Kostentreiber wird damit die Variante in den Fokus der Betrachtungen gestellt. Hierzu werden zunächst sämtliche Prozesse, deren Aufwand maßgeblich durch die Anzahl der Produktvarianten beeinflusst wird, von solchen separiert, die variantenneutral agieren. Anschließend erfolgt eine Quantifizierung der konkreten variantenabhängigen Kosten je Prozess. Der Variantenaufwand wird hierzu zunächst je Prozess bzw. Abteilung in Personaljahren beziffert und erst anschließend in Euro umgerechnet. Durch Division dieser vielfaltinduzierten Prozesskosten durch die Anzahl der Varianten erhält man anschließend das Gemeinkostenvolumen pro Variante. Abschließend wird dieses durch die variantenspezifische Produktionsmenge dividiert und man erhält schließlich die Variantenkosten pro Stück.

 
Variantenkosten pro Stück = Prozesskosten × variantenabhängiger Anteil
Anzahl der Varianten × Produktionsmenge
 
Praxis-Beispiel

Gemeinkosten-Verteilung

 
Gemeinkosten der analysierten Unternehmensbereiche = 4,5 Mio. EUR
davon laut Prozessanalyse variantenabhängig = 65 %
Anzahl der gefertigten Produktvarianten = 45
Produktionsmenge der 45 Varianten = 10.000 Stück

Damit betragen die variantenabhängigen Gemeinkosten 6,50 EUR pro Stück!

Diese scheinbar einfache Berechnung erfordert jedoch detaillierte Analysen und umfassende Diskussionen im Unternehmen, wie nun im Nachfolgenden erläutert wird.

Schritt 1: Bestimmung vielfaltinduzierter Aufwendungen

Detaillierte Prozessanalyse durchführen

In einem ersten Schritt sind sämtliche Unternehmensbereiche und -prozesse zu analysieren. Tätigkeiten, Abläufe und Verfahren sind per Interview, durch Auswertung von Stellen- und Arbeitsplatzbeschreibungen sowie durch Aufzeichnungen der Mitarbeiter zu erfassen und auf ihre Variantenrelevanz hin zu überprüfen.

Varianteninduzierte Tätigkeiten identifizieren

Gerade in den Funktionsbereichen Entwicklung und Konstruktion sowie technische und kaufmännische Verwaltung können dabei zahlreiche Tätigkeiten als variantenabhängig identifiziert werden.[3] Der Verlauf der Variantenkosten kann dabei meist als proportional betrachtet werden (z. B. Erstellung von Arbeitsplänen, Anlage von Stücklisten), in einigen wenigen Fällen sind aber auch überproportionale Anstiege zu verzeichnen (z. B. Reihenfolgeplanung in der Fertigung).[4]

Dieser aufwendigste Schritt hin zu einer Variantenkalkulation ist meist nur einmalig durchzuführen. In mehrjährigen Abständen empfiehlt sich dann allenfalls eine Aktualisierung der Prozessdokumentationen, die im Zuge von geforderten Zertifizierungen des Unternehmens und dazugehörigen Qualitätshandbüchern meist sowieso erstellt werden müssen.

Schritt 2: Unternehmensindividuelle Definition einer Variante

Varianten abgrenzen und definieren

Ein wichtiger und unternehmensindividuell zu klärender Aspekt ist die Frage, was genau unter einer Variante zu verstehen ist. Nach Heina liegt bereits dann eine Variante vor, wenn "sich ein Produkt in mindestens einer Merkmalsausprägung von der Grundversion" unterscheidet.[5] Damit müsste man jeden Artikel, auch wenn er sich beispielsweise "nur" durch die Farbe unterscheidet, als eigene Variante betrachten.

DIN 199 beschreibt Varianten als "Gegenstände ähnlicher Form oder Funktion mit einem in der Regel hohen Anteil identischer Gruppen oder Teile"[6]. Demnach könnten ähnliche Artikel zu einer Erzeugnisfamilie zusammengefasst und diese dann als Variante betrachtet werden. Dies hätte den Vorteil, dass die Zahl der Kalkulationsobjekte reduziert und damit die Komplexität einer Variantenkalkulation begrenzt wird. Entscheidend für die Definition ist jedoch letztlich, wie genau das Unternehmen kalkulieren möchte.

Schritt 3: Bestimmung der Kosten pro Variante mithilfe der Abteilungs-Varianten-Matrix

Im nächsten Schritt ist der konkrete variantenabhängige Prozessaufwand auf Basis der ermittelten Prozessdaten (vgl. Schritt 1) zu bestimmen. Dabei stellt sic...

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