Kein Umsatzrückgang durch Varianten

In Krisenzeiten mit stagnierenden oder sogar schrumpfenden Märkten ist es besonders wichtig, sich auf die Stärken des eigenen Unternehmens zu besinnen und sich der wichtigsten Erfolgsfaktoren bewusst zu werden. Die Kundenorientierung ist dabei in den letzten Jahren ein zentraler Aspekt. Entsprechend hat die Erfüllung der individuellen Kundenwünsche eine hohe Bedeutung erlangt, was sich vor allem in der Breite und Tiefe des Produktprogramms vieler Unternehmen niederschlägt.

Beispiel Automobilindustrie

Mit ihrem Angebot vom Kleinstwagen bis zur Luxuslimousine in unterschiedlichsten Varianten und Ausstattungspaketen decken mittlerweile die meisten Fahrzeughersteller jedes denkbare Marktsegment ab. Aus Sicht des Marketings ein idealer Zustand, da so jedem Käufer sein individuelles Produkt maßgeschneidert werden kann. Gleichzeitig wird mit dem Ausbau der Produktpalette die Hoffnung verknüpft, Marktpräsenz und Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, um so der Krise zu trotzen. Der Anstieg der Produktvarianten erscheint damit in vielen Märkten heute bereits als Normalfall.[1]

Die Folge dessen ist eine zunehmende Komplexität im Unternehmen:

  • Neue Produktvarianten erfordern zusätzliche Entwicklungsaktivitäten.
  • Produktionsabläufe werden komplizierter oder erfordern laufende Umstellungen und Anpassungen.
  • Die Beschaffungs- und Vertriebsprozesse weiten sich mit zunehmender Anzahl der Teile- und Erzeugnisvielfalt aus.

Damit steigt bei häufig gleichzeitig sinkender Kostentransparenz auch der in den betrieblichen Funktionsbereichen anfallende Aufwand für

  • Planungs-,
  • Koordinations-,
  • Budgetierungs-,
  • Dispositions-,
  • Steuerungs- und
  • Kontrollprozesse.[2]

Abbildung 1 verdeutlicht dies.

Dieser Problematik steigender Komplexitätskosten wird dabei von vielen Unternehmen oftmals zu wenig Beachtung geschenkt oder sie wird zumindest unterschätzt. Gerne blickt man einseitig auf die potenziellen Umsatzzuwächse, ohne dabei zu beachten, dass die Kosten mit zunehmender Variantenzahl steigen und dabei häufig sogar einen überproportionalen Verlauf verzeichnen.

Abb. 1:Auswirkungen zunehmender Variantenvielfalt[3]

In diesem Zusammenhang spricht man oftmals auch von einer Kostenfalle, in die ein Unternehmen gerät, wenn es einseitig einer umsatzorientierten Sichtweise den Vorzug gibt. Um diese Entwicklung rechtzeitig erkennen zu können, ist die Kenntnis der Kosten einer Produktvariante unerlässlich. Denn allein die Kostentransparenz schafft das Kostenbewusstsein, das für die Optimierung bzw. für die Begrenzung der Produktvielfalt erforderlich ist.

Kostenunterdeckung vor allem bei "Exoten"

Wie Abb. 2 zeigt, führt die Ausweitung der zunächst nur auf wenigen Typen ("Standard") basierenden Produktpalette und die Einführung neuer Produktvarianten ("Exoten") in Krisenzeiten bzw. Zeiten stagnierender Märkte zunächst nur zu einer Umverteilung der Umsätze: Die "Gauß’sche Verteilungskurve", die die Absatzstückzahlen wiedergibt, flacht sich ab; der Absatz bleibt in der Summe konstant. Gleichzeitig steigen mit Ausweitung der Produktpalette die Kosten der Produktvielfalt überproportional an und werden – insbesondere bei den Exoten – von den Marktpreisen nicht mehr gedeckt. Die vom Unternehmen angebotenen, kleinstückzahligen Produktvarianten verursachen Verluste und verschlechtern die Ertragssituation. Die Krise wird damit sogar weiter verschärft.

Erschwerend kommt in den Unternehmen hinzu, dass diese Situation als solche überhaupt nicht erkannt wird, da die traditionelle, auf Zuschlagswerten basierende Produktkalkulation die Kosten nicht verursachungsgerecht abbildet und bei Exoten Gewinne anstelle von Verlusten suggeriert.

Abb. 2:Kostenfalle "Produktvielfalt"[4]

[1] Vgl. hierzu die empirische Untersuchung von Lösch (2001), S. 267 ff.
[2] Reiners/Sasse (1999), S. 222.
[3] In Anlehnung an Lösch (2001), S. 49; Schulte (1992), S. 87.
[4] Vgl. Schuh (2005), S. 20.

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