6.1 Übertragung des gesamten Anteils und des Sonderbetriebsvermögens

Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 EStG regelt die unentgeltliche Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben und Mitunternehmeranteilen ("betriebliche Sachgesamtheiten"). Prinzipiell setzt das Buchwertfortführungsgebot des § 6 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz EStG voraus, dass die gesamte Betriebseinheit übertragen wird.

Der Begriff des Mitunternehmeranteils i. S. d. § 6 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz EStG umfasst dabei nicht nur den Anteil am Vermögen der Gesellschaft, sondern auch das wesentliche Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters[1].  Verwaltungsseitig wird von "funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen" gesprochen[2]. Maßgebend dafür ist das Betriebsvermögen, das am Tag der Übertragung existiert.

Ist Sonderbetriebsvermögen vorhanden, das funktional zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört, liegt eine unentgeltliche Übertragung des gesamten Anteils vor, die unter das Buchwertfortführungsgebot nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG fällt, wenn das Sonderbetriebsvermögen komplett mit übertragen wird.[3] Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz EStG scheidet aus, wenn der Gesellschafter seinen Anteil am Gesamthandsvermögen unentgeltlich überträgt, ohne dem Rechtsnachfolger auch alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens I und II mit zu übertragen.

 
Wichtig

Zurückbehaltung des funktional unwesentlichen Betriebsvermögens

Wird funktional unwesentliches Sonderbetriebsvermögen nicht mitübertragen, ändert dies nichts an einer unentgeltlichen Anteilsübertragung. Der Buchwert des Gesellschaftsanteils ist fortzuführen, selbst wenn das nicht mitübertragene Sonderbetriebsvermögen erhebliche stille Reserven enthält.[4] Werden derartige Wirtschaftsgüter in ein anderes Betriebsvermögen oder Sonderbetriebsvermögen überführt, ist auch insoweit der Buchwert nach § 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG fortzuführen.

Werden die Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen überführt, entsteht ein nicht begünstigter Entnahmegewinn, der aber nicht der Gewerbesteuer unterliegt, obwohl dieser Gewinn infolge Nichtaufdeckung aller stiller Reserven bei der Einkommensbesteuerung nach dem Tarif zu versteuern ist.[5]

6.2 Unentgeltliche Übertragung des gesamten Anteils und zeitgleiche Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen

6.2.1 Zeitgleiche Entnahme des funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens ist schädlich für die Buchwertfortführung

Wird im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen schlicht zurückbehalten und zeitgleich in das Privatvermögen des Übertragenden überführt, ist die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG unzulässig (Folge: tarifbegünstigter Aufgabegewinn für den gesamten Mitunternehmeranteil einschließlich des Sonderbetriebsvermögens).[1] Bei einer derartigen Konstellation befindet sich das funktional wesentliche Betriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden und es werden gerade nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des vorhandenen Betriebs bzw. Mitunternehmeranteils nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG übertragen.[2]

Tarifbegünstigte gewinnrealisierende Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils

Maßgebend dafür, ob ein gesamter Mitunternehmeranteil übertragen wird, ist das Betriebsvermögen, das im Zeitpunkt der Übertragung existiert. Werden also Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, nicht mitübertragen, sondern zeitgleich ins Privatvermögen überführt, liegt keine unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils, sondern eine tarifbegünstigte gewinnrealisierende Aufgabe des gesamten Mitunteranteils vor.[3] Sowohl der Anteil am Gesamthandsvermögen als auch alle Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Die Summe der gemeinen Werte ergibt – abzüglich der Veräußerungskosten und abzüglich der Buchwerte – den Aufgabegewinn, der tarifbegünstigt ist.

Zeitlich gestreckte Aufgabe eines Mitunternehmeranteils

Eine tarifbegünstigte Aufgabe des gesamten Mitunternehmeranteils liegt auch dann vor, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit (hier gilt eine Frist von bis zu 18 Monaten) an verschiedene Abnehmer veräußert, übertragen oder in das Privatvermögen überführt werden.[4]

 
Wichtig

Einbeziehung des Geschäftswerts in den Aufgabegewinn?

Problematisch ist, ob in die Ermittlung des Aufgabegewinns auch der Geschäftswert anteilig einzubeziehen und als Teil der realisierten stillen Reserven zu erfassen ist. Das FG Schleswig-Holstein[5] ist der Auffassung, dass hier neben der Realisation der stillen Reserven in den einzelnen Wirtschaftsgütern des Gesamthands- und des Sonderbetriebsvermögens auch der Geschäftswert zu realisi...

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