Rz. 28

§ 253 Abs. 2 HGB gebietet die verpflichtende Abzinsung der Rückstellungen.[1]

Gemäß § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr abzuzinsen mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz, der sich im Falle von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus den vergangenen 10 Geschäftsjahren und im Falle sonstiger Rückstellungen der vergangenen 7 Geschäftsjahre ergibt. Pensionsrückstellungen können mit dem durchschnittlichen Marktzinssatz (ermittelt auf der Basis der letzten 10 Jahre) abgezinst werden, der sich bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren ergibt. Der jeweils anzuwendende Marktzinssatz wird von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) ermittelt und monatlich bekannt gegeben. Durch die Vorgabe der Anwendung typisierter Marktzinssätze soll die Vergleichbarkeit der handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüsse gewährleistet werden. Damit liegt die Wahl des Abzinsungszinssatzes außerhalb von bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des Bilanzierenden, da individuelle Bonitätsrisiken sowie unternehmensspezifische Besonderheiten bei der Zinsfestsetzung keine Berücksichtigung finden. Die Anwendung anderer Marktzinssätze (z. B. Stichtagszinssätze nach IAS 19, Zinssätze, die auf der Basis eines kürzeren bzw. längeren Referenzzeitraums ermittelt wurden, oder steuerliche Abzinsungszinssätze) für Zwecke der handelsrechtlichen Rückstellungsbewertung sind aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB ("[...] sind abzuzinsen mit [...]") nicht zulässig.[2]

Beachte: Der vorstehend angeführte § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt für Pensionsrückstellungen ab dem Jahresabschluss für 2016; zuvor wurde der Zinssatz auf Basis eines 7-Jahresdurchschnitts ermittelt. Die Basis der 10-Jahresdurchschnittsberechnung betrifft ausschließlich Pensionsrückstellungen und nicht vergleichbare langfristige Rückstellungen, wie Rückstellungen für Altersteilzeit oder Beihilferückstellungen.[3]

§ 253 Abs. 2 Satz 1 HGB differenziert nicht zwischen Rückstellungen für Verpflichtungen, die in EUR oder in fremder Währung zu erfüllen sind, lässt also die nach internationalen Rechnungslegungsstandards zu beachtende Währungskongruenz unberücksichtigt. Demgemäß sind auch Rückstellungen für Verpflichtungen, die in fremder Währung zu erfüllen sind, grundsätzlich nach Maßgabe der durch die Deutsche Bundesbank ermittelten Abzinsungssätze abzuzinsen.

Etwas anderes gilt, wenn der Marktzins im Land der Fremdwährungsverpflichtung stark von dem Marktzins des EUR-Raums abweicht. In diesem Fall ist der Abzinsungszinssatz nach Vorgaben des § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB von dem Unternehmen selbst zu ermitteln oder von privaten Anbietern zu beziehen. Begründung Regierungsentwurf (Besonderer Teil), Art. 1 (Änderung des HGB), zu Nr. 10 (§ 253 Abs. 2 HGB).

Aus dem Umkehrschluss des Gesetzestextes folgt, dass Rückstellungen mit einer Laufzeit von einem Jahr und weniger nicht abzuzinsen sind.

 

Rz. 29

Versicherungsunternehmen können Schadensrückstellungen nach dem Pauschalverfahren abzinsen.[4]

 

Rz. 30

§ 277 Abs. 5 HGB verpflichtet dazu, Erträge und Aufwendungen aus der Abzinsung gesondert unter den Posten "sonstige Zinsen und ähnliche Erträge"[5] bzw. "Zinsen und ähnliche Aufwendungen",[6] also als Bestandteile des Finanzergebnisses zu zeigen. Nach Weigl/Weber/Costa[7] bestehen 2 Möglichkeiten zur Erfassung der Abzinsung von langfristigen Rückstellungen:

  • Die sonstigen Rückstellungen werden zunächst mit dem vollen Erfüllungsbetrag im operativen Ergebnis erfasst und in einem 2. Schritt abgezinst (sog. "Bruttomethode"). Der dadurch entstehende Zinsertrag erhöht folglich das Finanzergebnis.
  • Die Rückstellungen werden in einem Schritt bereits abgezinst, d. h. mit ihrem Barwert, erfasst (sog. "Nettomethode").

Bei der "Bruttomethode" kommt es zu einem niedrigeren operativen Ergebnis (EBIT) und einem höheren Finanzergebnis. Bei der "Nettomethode" ist das operative Ergebnis höher, dafür wird durch die Bildung der Rückstellung das Finanzergebnis nicht berührt. Weigl/Weber/Costa verdeutlichen dies durch folgendes Beispiel:

 
Praxis-Beispiel
 
Erfüllungsbetrag
Laufzeit:
Durchschn. Zins:
Barwert:
1.000 EUR
2 Jahre
3,5 %
933,51 EUR
   
Möglichkeit 1: Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2
Operativer Aufwand (operatives Ergebnis) 1.000 EUR    
Sonstiger betrieblicher Aufwand 1.000 EUR  
an Rückstellung 1.000 EUR  
Zinsertrag durch Abzinsung 66,49 EUR    
Zinsaufwand durch Aufzinsung   32,67 EUR 33,81 EUR
  an Zinsertrag 66,49 EUR  
Möglichkeit 2: Jahr 0 Jahr 1 Jahr 2
Operativer Aufwand (operatives Ergebnis) 933,51 EUR    
Sonstiger betrieblicher Aufwand 933,51 EUR  
an Rückstellung 933,51 EUR  
Zinsertrag (Finanzergebnis)

32,67 EUR

33,81 EUR

Nach Weigl/Weber/Costa werden die meisten Unternehmen die "Nettomethode" bevorzugen. Diese Methode dürfte auch gesetzeskonform sein, da der Gesetzestext von "Erträgen aus der Abzinsung" spricht, damit Saldierungen von Aufwend...

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