Risikoanalysen müssen bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen vorgenommen werden

Die Fähigkeiten im Risikomanagement sind bei einer unvorhersehbaren Entwicklung des Unternehmensumfeldes ein zentraler Erfolgsfaktor[1] Sie tragen zur Krisenvermeidung bei, sichern Rating und Finanzierung und helfen Investitionsalternativen oder Projekte risikogerecht zu beurteilen. Insgesamt unterstützt Risikomanagement die zentrale unternehmerische Aufgabe eines fundierten Abwägens von erwarteten Erträgen und Risiken bei wichtigen Entscheidungen ("Bewertung"). Entscheidend ist, dass Risikoanalysen bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen vorgenommen werden, die zeigen, wie sich der Risikoumfang des Unternehmens bei der Entscheidung für eine Handlungsoption verändern würde ("Was-wäre-wenn-Analyse").

Rating- und Finanzierungsrestriktionen sind zu beachten

Es ist ein notwendiger Baustein für eine umfassende strategische, risiko- und wertorientierte Unternehmensführung. Für die Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen ist eine fundierte Strategie, eine darauf aufbauende operative Planung und eben eine Analyse von Chancen und Gefahren (Risiken) notwendig.[2] Bei einer klar von den "kapitalmarktorientierten" Steuerungssystemen abzugrenzenden "echten" wertorientierten Steuerung wird im Entscheidungskalkül (z. B. über den Kapitalkostensatz) das Ertragsrisiko, also z. B. die Volatilität der Cashflows, erfasst (und nicht historische Aktienrendite-Schwankungen). Und in Anbetracht der gerade in der Wirtschaftskrise deutlich gewordenen Rating- und Finanzierungsrestriktion ist die Beurteilung von Handlungsoptionen auch mit Bezug auf das zukünftige Rating erforderlich, auch für risikobedingt mögliche Stressszenarien ("Stresstest"). Zunächst ist dabei die "planmäßige" Entwicklung des Ratings in der Zukunft anzugehen. Zudem empfiehlt sich die Berechnung sog. "Stressszenarien". Bei diesen wird analysiert, welche Auswirkungen auf die Finanzkennzahlen und die von diesen abhängige Ratingnote (Insolvenzwahrscheinlichkeit) sich ergeben würde, wenn sich ein oder zwei wesentliche Einzelrisiken realisieren würden. Bspw. wird also die Auswirkung der Realisierung eines "Konjunkturrisikos" (z. B. eines Umsatzrückgangs von 20 % in Verbindung mit einer Margenreduzierung um 2 %) berechnet.

Kapitalkostensatz kann aus Ertragsrisiko abgleitet werden

Das Abwägen von Ertrag und Risiko bei der Entscheidungsvorbereitung ist nicht nur ökonomisch sinnvoll. Sie ist auch aus rechtlicher Sicht erforderlich, um der Unternehmensführung "angemessene Informationen" bei Entscheidungen unter Unsicherheit bereitzustellen (wie § 93 AktG fordert). Organisatorisch erfordert ein entscheidungsorientiertes Risikomanagement, welches eng mit dem Controlling zusammenarbeiten sollte, dass nicht nur vorhandene Risiken überwacht werden. Notwendig ist es bei der Vorbereitung von Entscheidungen Risikoanalysen durchzuführen und zu zeigen, welche Implikationen die Entscheidung für (a) zukünftigen Risikoumfang und (b) Rating bzw. Insolvenzwahrscheinlichkeit (als Maß für den "Grad der Bestandsbedrohung" des Unternehmens) hätte.[3]

Auch die Beurteilung der Auswirkungen einer Akquisition erfordert Bewertungsverfahren, die das Ertrag-Risiko-Profil der bestehenden Handlungsoptionen vergleichen. Eine Strategiebewertung zeigt die Implikationen für Eigentümer (risikogerechter fundamentaler Unternehmenswert) und Gläubiger (Ratingprognose). Die bisher in der Bewertungspraxis noch übliche Ableitung von Diskontierungszinssätzen aus historischen Aktienrenditeschwankungen (CAPM-Betafaktor) ist hier nicht sinnvoll. Die Zukunft wird – auch im Hinblick auf Chancen und Gefahren – oft deutlich anders aussehen als die Vergangenheit. Entsprechend ist es notwendig, ausgehend vom Ertragsrisiko auf die risikogerechten Kapitalkosten, die Insolvenzwahrscheinlichkeit und damit den Unternehmenswert zu schließen. Höhere Ertragsschwankungen führen zu höherem Bedarf an Eigenkapital, um mögliche Verluste abzudecken, und zu steigenden Kapitalkosten.[4]

Tab. 1: Bewertung einer M&A-Strategie in der AR-Entscheidungsvorlage

In der Entscheidungsvorlage, die dem Vorstand vorgelegt wird, muss ausgehend von transparent dargestellten Annahmen nachvollziehbar sein, welche Implikationen diese für das eigene Unternehmen und speziell seine Risiken hätte.

  • Wie ändert sich der aggregierte Gesamtrisikoumfang (Eigenkapitalbedarf) des eigenen Unternehmens nach der Übernahme – und ist diese Erhöhung des Risikoumfangs beim Abwägen mit den zukünftig erwarteten Erträgen angemessen?
  • Ergeben sich durch die Handlungsoption in Verbindung mit bereits vorhandenen Risiken "bestandsgefährdender Entwicklungen" i. S. v § 91 Abs. 2 AktG?
  • Welche Implikationen hat die Entscheidung für das zukünftige Rating (die eigene Insolvenzwahrscheinlichkeit) und die Fremdkapitalkosten?
[1] Vgl. Gleißner, 2017a, S. 417 ff.
[2] Vgl. dazu die "Grundsätze ordnungsgemäßer Planung" in Gleißner/Presber, 2010; Gleißner, 2015a und Gleißner, 2017b.
[3] Vgl. Glei...

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