Der wichtigste Schritt innerhalb der Potenzialanalyse ist die Bewertung der Kriterien für den eigenen Betrieb und den Wettbewerber. Die Bewertung kann z. B. anhand einer Skala von +4 bis –4 erfolgen. Dabei steht eine +4 für besonders gute Leistungen, also hervorragend genutzte Potenziale, eine –4 für nicht oder kaum genutzte Potenziale. Um einen echten Vergleichsmaßstab zu haben, trägt man die Kriterien beim Wettbewerber stets als Null in die Grafik ein. Eine bessere Bewertung des eigenen Betriebes als Null bedeutet, dass man selbst relativ gesehen besser ist, eine negativere Bewertung, dass man schlechter ist.

Bei der Bewertung hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: Die beteilitgten Mitarbeiter diskutieren kritisch über jedes Kriterium. Dabei sollten sich die Mitglieder vor Augen führen, dass es mit "Gefälligkeitsgutachten" nicht getan ist. Schließlich ist es das Ziel der Analyse, den Betrieb vorwärts zu bringen. Damit es hier nicht zu persönlichen Angriffen oder dem Austragen von "Privatfehden" kommt, empfiehlt sich der Einsatz eines neutralen Moderators.

Jeder Teilnehmer muss seine Meinung offen kundtun (dürfen), damit sich ein vollständiges und ehrliches Bild ergibt. Geht es z. B. um die Qualität des Vertriebes, wird die entsprechende Führungskraft oder der Mitarbeiter tendenziell positiv oder (unbewusst) geschönt bewerten, wohingegen andere Führungskräfte oder Mitarbeiter, z. B. aus Einkauf oder Produktion, möglicherweise eine kritischere Sichtweise haben. Die Diskussion sollte immer auch den Wettbewerber mit einbeziehen. Es muss kritisch hinterfragt werden, ob und in welcher Hinsicht man selbst oder der Wettbewerber besser ist. Gleichzeitig ist es wichtig, die Meinung zu begründen und mit Fakten oder Beispielen zu hinterlegen.

 
Praxis-Tipp

Schätzungen reichen aus – auf die Relationen kommt es an

Die Diskussion ergibt meist ein recht vollständiges Bild und spricht in ausreichendem Umfang positive und negative Aspekte an, um zu einem verlässlichen Ergebnis zu gelangen. Dabei ist es nicht so wichtig, ob eine absolut genaue Bewertung zustande kommt. Entscheidend ist, dass die Relationen stimmen. Es geht nicht darum, ob bei einer guten Bewertung eine +2 oder +3 steht, sondern darum, dass im Team Einigkeit darüber herrscht, dass man bei einem bestimmten Kriterium deutlich besser ist als der Wettbewerber – oder umgekehrt.

Keine Schätzwerte vorhanden: Analysen durchführen

In Fällen, in denen eine verlässliche Einschätzung nicht möglich oder mit großen Unsicherheiten behaftet ist, müssen ggf. eigene Bewertungen und Analysen vorgenommen werden. Je nachdem ist es z. B. erforderlich,

  • Produkte des Wettbewerbers zu kaufen und zu testen, um die Qualität vergleichen zu können,
  • (fingierte) Kundengespräche zu führen, um die Fachkompetenz und Freundlichkeit des Personals bewerten zu können,
  • Kundenumfragen durchzuführen, um die Zufriedenheit von Kunden mit dem eigenen Betrieb und dem des Wettbewerbers beurteilen zu können,
  • eine Agentur zu beauftragen, um Aussagen zu Image und Marken zu bekommen,
  • Testanrufe zu tätigen, um die Erreichbarkeit zu überprüfen usw.

Im Team muss man sich darüber klar sein, dass dies Zeit und ggf. auch Geld kostet.

Welche Maßnahmen in welchem Umfang erforderlich sind, hängt auch davon ab, wie umfassend und genau man die Bewertung vornehmen möchte. Bei der erstmaligen Durchführung, wenn es wenig Erfahrungswerte gibt, kann es sinnvoll sein, sich zunächst nur auf die eigenen Einschätzungen zu verlassen und damit bewusst einige Unschärfen in Kauf zu nehmen. Bei einer Wiederholung kann man ergänzende Analysen vornehmen, um die Aussagekraft der Analyse zu verbessern.

Bewertungen nachvollziehbar gestalten

Damit die Bewertung trotz Schätzungen und subjektiver Beurteilungen gut nachvollziehbar bleibt und nicht willkürlich abläuft: Je Kriterium festlegen, wann welcher Punktwert vergeben wird. Es muss also klar sein, bei welcher Einschätzung eine +4, eine +3 usw. zugeteilt wird.

 
Praxis-Beispiel

Festlegung von Punktwerten mithilfe einer Bewertungstabelle

Ein Unternehmen führt die Potenzialanalyse durch. Um die Bewertung der Kriterien nachvollziehbar zu machen und eine willkürliche Bewertung zu verhindern, erstellt es eine Bewertungstabelle für jedes Kriterium. Dabei legt es fest, für welche Ausprägung welcher Wert vergeben wird. Das erste Kriterium ist die telefonische Erreichbarkeit. Um festzustellen, wie gut der eigene Betrieb im Vergleich zum Wettbewerber abschneidet, soll ein Mitarbeiter über einen Zeitraum von 2 Wochen anonym je 100 Anrufe in beiden Betrieben tätigen. Eine bessere Ausprägung ergibt sich, wenn die Erreichbarkeit des eigenen Betriebs besser ist als die des Wettbewerbers. Je größer der Abstand, desto besser. Das Unternehmen hat für die Bewertung des Kriteriums folgende Übersicht aufgestellt:

 
Kriterium Ausprägung (Wichtig: Bewertung relativ zum Wettbewerber vornehmen) Bewertung
Erreichbarkeit Gegenüber Wettbewerber um mehr als 50 % besser +4
Gegenüber Wettbewerber zwischen 30,1 und 50 % besser +3
Gegen...

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