Nimmt der Unternehmer seine gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit neu auf, hat er keinen Vorjahresumsatz, den er zur Beurteilung heranziehen könnte. Bei Existenzgründern ist deshalb der voraussichtliche Umsatz im Gründungsjahr entscheidend.[1]

Bei einer Unternehmensgründung ist also auf den Umsatz abzustellen, den der Unternehmer zuvor geschätzt hat (Prognose). Sind im Gründungsjahr keine Umsätze erzielt worden, kann er im Folgejahr die Kleinunternehmerregelung anwenden, wenn der voraussichtliche Umsatz im Folgejahr 50.000 EUR nicht übersteigen wird. Die Befreiung als Kleinunternehmer bleibt erhalten, auch wenn sich später herausstellt, dass der tatsächliche Umsatz über 22.000 EUR (bis einschließlich 2019: 17.500 EUR) liegt.

 
Praxis-Beispiel

Prognose im Gründungsjahr

Ein Unternehmer hat seinen Betrieb am 1.1.02 gegründet. Seinen Jahresumsatz 02 schätzt er auf voraussichtlich 20.000 EUR. Stellt sich am 31.12.02 heraus, dass sein tatsächlicher Umsatz bei 22.300 EUR liegt, bleibt ihm im Gründungsjahr die Befreiung als Kleinunternehmer erhalten. Entscheidend ist, dass die Prognose zum 1.1.02 plausibel war.

Gründet jemand sein Unternehmen im Laufe eines Jahres, rechnet er seinen Umsatz auf einen Jahresumsatz hoch.[2] Angefangene Kalendermonate rechnet er dabei als volle Kalendermonate.

 
Praxis-Beispiel

Hochrechnung auf den Jahresumsatz

Ein Unternehmer hat mit seiner unternehmerischen Tätigkeit am 15.7.02 begonnen. Er schätzt seinen voraussichtlichen Umsatz vom 15.7. bis 31.12.02 auf 11.500 EUR. Der hochgerechnete voraussichtliche Jahresumsatz beträgt dann 11.500 EUR : 6 Monate × 12 Monate = 23.000 EUR. Damit liegt sein Umsatz über dem Grenzwert von 22.000 EUR. Der Unternehmer darf die Befreiung für Kleinunternehmer von Anfang an nicht in Anspruch nehmen.

Die Hochrechnung richtet sich danach, wann mit der unternehmerischen Tätigkeit begonnen wurde. Vorbereitungshandlungen, die im Zusammenhang mit der Gründung eines Unternehmens stehen, gehören bereits zur unternehmerischen Tätigkeit. Das ist also spätestens dann, wenn Leistungen in Anspruch genommen werden, die den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigen.[3] Eine Schulung des Unternehmers, die der Gründung vorangeht und nicht unmittelbar auf die Erzielung von Umsätzen abstellt, ist jedoch noch keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, die den Beginn des Unternehmens vorverlegt.

 
Praxis-Beispiel

Beginn des Unternehmens

Ein beratender Betriebswirt beendet seine Arbeitnehmertätigkeit am 31.7.02, um am 1.9.02 sein eigenes Beratungsbüro zu eröffnen. Die Büroräume hat er bereits zum 1.6.02 gemietet. Vor der offiziellen Büroeröffnung lässt er die Räume renovieren und einrichten. Den ersten Auftrag erhält er nach seiner Büroeröffnung am 2.9.02.

Der Betriebswirt beginnt seine unternehmerische Tätigkeit mit der ersten Vorbereitungshandlung. Das ist der 1.6.02, also das Datum, an dem er die Büroräume anmietet. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, wann er das Büro offiziell eröffnet bzw. wann er den ersten Umsatz tätigt.

Sobald der Unternehmer mit seiner selbstständigen Tätigkeit beginnt, erhält er von seinem Finanzamt einen Fragebogen. Das Finanzamt kann vom Unternehmer detaillierte Angaben zu den voraussichtlichen Umsätzen verlangen oder Angaben entsprechend dem nachfolgenden Muster.

 
15 Der auf das Kalenderjahr umgerechnete Umsatz (Jahresumsatz) zuzüglich darauf entfallende Umsatzsteuer (USt) wird voraussichtlich betragen:
□* bis 22.000 EUR (bis einschließlich 2019: 17.500 EUR) □* Es soll gemäß § 19 Abs. 1 UStG keine Umsatzsteuer erhoben werden.
  ⇒ USt darf nicht gesondert in Rechnungen ausgewiesen werden, Vorsteuer darf nicht abgezogen werden.
  □ Es soll gemäß § 19 Abs. 2 UStG Umsatzsteuer erhoben werden.
  ⇒ Umsatzsteuer darf gesondert in Rechnungen ausgewiesen werden, Vorsteuer darf unter den ­Voraussetzungen des § 15 UStG abgezogen werden.
□ über 22.000 EUR (bis einschließlich 2019: 17.500 EUR) ⇒ Es wird Umsatzsteuer erhoben und abgeführt – Regelbesteuerung.

Tab. 1: Muster des Fragebogens zum Beginn der unternehmerischen Tätigkeit

* Wenn der Unternehmer die beiden ersten Kästen ankreuzt, kann er seine Umsätze zumindest im Gründungsjahr umsatzsteuerfrei behandeln (ohne Vorsteuerabzug).

 
Praxis-Tipp

Der Umsatz muss geschätzt werden

Eine genaue Vorhersage des Umsatzes ist nur selten möglich. Der Unternehmer muss also schätzen. Dabei darf der Unternehmer sich durchaus am unteren Ende der von ihm erwarteten Umsätze bewegen. Wichtig: Vorbereitungshandlungen sind bereits als Zeiten der unternehmerischen Tätigkeit einzustufen.

Jahr nach der Existenzgründung

Ob der Unternehmer im Jahr nach der Existenzgründung als Kleinunternehmer einzustufen ist, hängt vom Umsatz des Gründungsjahres ab. Es ist der tatsächliche Umsatz maßgebend, der im Gründungsjahr zugeflossen ist. Dieser tatsächliche Umsatz muss ggf. auf einen Jahresumsatz hochgerechnet werden.

 
Praxis-Beispiel

Existenzgründer berechnet Jahresumsatz

Herr Braun hat mit seiner unternehmerischen Tätigkeit am 1.3.02 begonnen. Sein...

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