Zuerst in produzierenden Unternehmen bemerkbar

Die Unternehmensbeispiele zeigen, dass sich fast sämtliche Industrien und etliche Forschungseinrichtungen mit dem Thema I4.0 beschäftigen. In produzierenden Unternehmen werden sich die Veränderungen durch I4.0 zuerst bemerkbar machen. Konsequent implementiert haben nahezu alle Beispiele einen direkten oder indirekten Einfluss auf die heutigen Produktionsabläufe, die Arbeitsvorbereitung, die Produktionslogistik und im Weiteren auch auf die Produktions- und Werkssteuerung.

 
Hypothesen zur Veränderung der Produktion durch Industrie 4.0
Hypothese 1 Agile Fertigungssteuerung: In der kundenindividuellen Fertigung sowie bei kleinen Losgrößen und hoher Varianz setzt sich zunehmend eine selbstregelnde, ereignisgesteuerte und agile Fertigung durch.
Hypothese 2 Agile Feinplanung und Disposition: Die zentrale, deterministische Produktionsplanung und Disposition werden zunehmend durch eine regelbasierte dezentrale Feinplanung ersetzt.
Hypothese 3 Dezentrale Arbeitsvorbereitung: Wesentliche Informationen der Arbeitsvorbereitung werden durch Werkstück und Maschine gespeichert und operativ bearbeitet (z. B. Auslastungssteuerung, Fertigungskompetenzen, Fertigungskosten).
Hypothese 4 Modular Arbeits- und Maschinenorganisation: Sequenzielle Fertigungslinien werden zunehmend durch modulare und multifunktionale Bearbeitungsinseln ersetzt.
Hypothese 5 Wandernde Werkzeuge und Formteile: Werkzeuge werden flexibler und häufiger disponiert, um auf verschiedenen Bearbeitungsinseln eingesetzt zu werden.
Hypothese 6 Exponentieller Nutzen durch Diffusion: Erst durch eine hohe Diffusion intelligenter Elemente im Fertigungssystem können die Vorteile der Industrie 4.0 voll zum Tragen kommen.

Tab. 1: Hypothesen zur Veränderung der Produktion, der Produktionslogistik und der -planung durch Industrie 4.0[1]

Auf Basis der Fallbeispiele können konkrete Hypothesen zur Veränderung der produktionsnahen Wertschöpfung hergeleitet werden (vgl. Tab. 1).[2]

[1] Vgl. Horváth & Partners, 2015b.
[2] Vgl. Sauter et al., 2015.

4.1 Agile Fertigungssteuerung

Flexibilisierung ermöglicht hohe Kundenindividualisierung

An Unternehmen wird oftmals die Anforderung nach einer hohen Individualisierung der Produkte herangetragen. Bisher schränken der hohe Rüstaufwand und die damit gesteigerten Kosten viele Unternehmen ein, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Durch eine weitgehende Flexibilisierung der Produktionsanlagen und der -systeme wird es möglich, mit einer hohen Auslastung der Maschinen sehr kleine Losgrößen herzustellen.

Festo hat begonnen die Voraussetzungen für eine "resiliente Fabrik" umzusetzen. Dazu wurden autarke, austauschbare Prozessmodule mit standardisierten Schnittstellen (u. a. mechanisch und elektrisch) in den Produktionslinien eingebaut.[1] Voraussetzung dafür ist eine stringente modulare Strategie, die bereits in der Produktarchitektur beginnt. Dadurch kann eine hohe Kundenindividualisierung ohne zusätzlichen Engineering-Aufwand erreicht werden. Des Weiteren werden intelligente, ereignisgesteuerte sich selbstregelnde Fertigungsmaschinen zu Prozessmodulen zusammengeführt. Dadurch können die Produkte abhängig von Parametern wie Priorität, Maschinenauslastung etc. den jeweiligen Maschinen zugeteilt und dort gefertigt werden.

Bei der Großserienproduktion wird der Effekt der "sich selbst steuernden" Fertigungs- und Produktionssysteme weniger stark ausfallen. Die engpassoptimierten Fertigungsstraßen sowie seltene Rüstvorgänge lassen wenig Spielraum für autonome, M2M-basierte Steuerung. Die vorherrschende Kanban-basierte Produktionslogistik und -disposition ist in vielen Fällen hoch optimiert und automatisiert, sodass auch hier nur geringe Veränderungen erwartet werden können.

[1] Vgl. Berthel, 2013.

4.2 Agile Feinplanung und Disposition

In den meisten Unternehmen erfolgt eine (werks-) zentrale Produktions- und Arbeitsplanung, basierend auf dem aktuellen Auftragsbestand in definierten Perioden (Monat/Woche/Tag). Diese Produktionsplanung ermöglicht eine optimale Auslastungsplanung und Reduzierung der Rüstzeiten.

Grenzen deterministischer Produktionsplanung

Bei Unternehmen mit einem hohen Make-to-Order-Anteil (auftragsbezogene Fertigung) in der Fertigung stößt diese deterministische Produktionsplanung jedoch an ihre Grenzen. Die Integration der benötigten Daten (Losteilungen, Ressourcen, Maschinenzeiten, Fertigmeldungen) zur optimalen Planung sowie der oftmals unterschiedlichen Fertigungsauftragsarten (Kanban, Absatzplan, auftragsbezogene Fertigung) ist sehr komplex. Auf kurzfristige und hochprioritäre Produktionsaufträge kann nur mit hohem Aufwand reagiert werden. Durch eine dezentrale, ereignisgesteuerte Produktionsregelung und -disposition kann flexibel auf solche Vorfälle reagiert werden.

Vernetzte Produktion schafft nötige Flexibilität

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