Rz. 35

Die bilanzpolitischen Instrumente zur Sachverhaltsgestaltung lassen sich in folgende Kategorien einteilen:[1]

  • zeitliche Verlagerung von Geschäftsvorfällen,
  • dauerhafte oder originäre Maßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag nicht rückgängig gemacht werden, und
  • vorübergehende Maßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag wieder rückgängig gemacht werden.
 

Rz. 36

Zeitliche Verlagerungen von Geschäftsvorfällen stellen die typische Form bilanzpolitischer Sachverhaltsgestaltungen dar. Es handelt sich um Maßnahmen, die in den letzten Monaten des zu Ende gehenden Geschäftsjahrs getroffen werden, wenn man mit hinreichender Sicherheit das voraussichtliche Jahresergebnis abzuschätzen vermag. Von den Auswirkungen dieser Maßnahmen werden meistens nur das laufende und das nächstfolgende Geschäftsjahr berührt: Werden – unter der Voraussetzung der Gewinnrealisierung aus langfristiger Fertigung erst bei Abnahme[2] – z. B. zwecks geballter Gewinnrealisierung langfristige Fertigungsaufträge vor dem Bilanzstichtag beschleunigt fertiggestellt, so erhöht sich der Gewinn des laufenden Geschäftsjahrs, während der Gewinn des nächsten Geschäftsjahres um den gleichen Betrag reduziert wird. Invers hierzu kann Gewinn in das nächste Geschäftsjahr verlagert werden, in dem die Abnahme der Fertigungsaufträge erst zu Beginn des nächsten Geschäftsjahrs vollzogen wird. (Demgegenüber sind Verluste aus langfristigen Fertigungsaufträgen stets in der Periode zu realisieren, in der ein solcher Verlust aus der (Rest-)Abwicklung des Fertigungsauftrags erwartet wird.)

 

Rz. 37

Im Unterschied hierzu zeichnen sich die dauerhaften oder originären Maßnahmen durch eine längerfristige Tragweite aus: Schließt z. B. das bilanzierende Unternehmen mit einer Tochtergesellschaft einen Ergebnisabführungsvertrag ab, um die Verluste dieser Gesellschaft sofort und unmittelbar steuerlich mit eigenen Gewinnen verrechnen zu können, so gerät das bilanzierende Unternehmen zugleich in eine volle Haftung für die Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft. Da der Vertrag aus steuerlicher Sicht auf mindestens 5 Jahre abgeschlossen sein muss (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG), bezieht sich die Haftung zum großen Teil auf künftige Verbindlichkeiten, was die Risikoabschätzung natürlich erschwert.

Insbesondere bei den dauerhaften bzw. originären Maßnahmen können Abgrenzungsprobleme zu den unternehmenspolitischen Maßnahmen auftreten.[3]

 

Rz. 38

Bilanzpolitische Maßnahmen, die nach dem Bilanzstichtag wieder rückgängig gemacht werden, dienen dem gezielten "window dressing" am Bilanzstichtag, beispielsweise durch Pensionsgeschäfte oder durch kurzfristige Rückzahlung und spätere Erhöhung von Krediten.[4] Die nach dem Bilanzstichtag wieder rückgängig gemachten Geschäfte sind streng genommen von rückwirkend vereinbarten Geschäften zu trennen, die auf eine nachträgliche Änderung von Sachverhalten abzielen und klar unzulässig sind.[5] Abbildung 3 enthält einige Beispiele von typischen Sachverhaltsgestaltungen:

 
I. Zeitliche Verlagerung von Geschäftsvorfällen

1. Vorverlagerung von Geschäftsvorfällen

  • beschleunigte Anschaffung oder Fertigstellung von Anlagegütern zur Erlangung höherer Abschreibungen,
  • beschleunigte Anschaffung geringwertiger oder digitaler Wirtschaftsgüter zwecks steuerlicher Vollabschreibung im Jahr der Anschaffung,
  • beschleunigte Veräußerung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen zur Gewinnrealisierung,
  • beschleunigte Beschaffung von im Preis steigenden Vorräten zur Erhöhung des Materialaufwands bei Anwendung der Lifo-Verbrauchsfolgemethode,
  • vorgezogene Fertigstellung langfristiger Aufträge zwecks geballter Gewinnrealisierung oder Durchführung von Teilabnahmen bei langfristigen Fertigungsaufträgen,
  • Maßnahmen zum Abbau von Urlaubsrückstellungen zwecks Reduzierung der Urlaubsrückstellungen,
  • vorzeitige Rückführung eines Kredits zur Verkürzung der Bilanzsumme, zur Verbesserung der Bilanzstruktur und zur Ersparnis von Gewerbesteuer.

2. Nachverlagerung von Geschäftsvorfällen

  • Hinauszögern des Verkaufs nicht mehr benötigter Vermögensgegenstände wegen der damit verbundenen Beeinflussung stiller Reserven,
  • Verschiebung von Reparaturen oder von Werbemaßnahmen zur aufwandsmäßigen Entlastung des alten Geschäftsjahres,
  • Verschiebung der Erhöhung von Pensionszusagen zur Vermeidung von Rückstellungszuführungen,
  • Verzögerung des Absatzes der Erzeugnisse bzw. Hinausschieben der Fertigstellung bzw. Abnahme von Fertigungsaufträgen zur Verschiebung der Gewinnrealisierung,
  • Verschiebung von Gebäudereparaturen zur Vermeidung des sog. anschaffungsnahen Aufwands,
  • Umgehung des steuerlichen Nachholverbots bei Pensionsrückstellungen durch Unterlassen bzw. Verzögern der erforderlichen Schriftform vor dem Bilanzstichtag,
  • Verschiebung der Entscheidung über einen Forderungserlass des bilanzierenden Unternehmens.
II. Dauerhafte oder originäre Gestaltungen
  • Leasing anstelle eines Kaufs von Vermögensgegenständen, insbesondere bei Klassifizierung des Leasingvertrags als Operating-Leasing-Verhältnis Verbesserung der Verschuldungs- un...

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