1 Begriff und Zielsetzung der Bilanzanalyse

 

Rz. 1

Der Jahresabschluss ist – zusammen mit dem in jüngster Zeit immer wichtiger werdenden Lagebericht – für externe Interessenten ein zentrales, oft sogar das einzige Instrument zur Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage von Unternehmen.[1] Bei Nichtkapitalgesellschaften besteht er aus der Bilanz und GuV,[2] bei Kapitalgesellschaften tritt der Anhang hinzu.[3] Von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften ist neben dem Jahresabschluss ein Lagebericht aufzustellen.[4] Im Falle eines Konzerns ist nach § 297 Abs. 1 HGB die Ergänzung des Konzernabschlusses um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel vorgeschrieben und eine Segmentberichterstattung möglich. Zudem ist auch ein Konzernlagebericht notwendig. Kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen[5] haben ihren Konzernabschluss nach den IFRS zu erstellen, andere Mutterunternehmen dürfen den handelsrechtlichen Konzernabschluss mit einem nach HGB ersetzen.[6] Es ist jedoch jeweils ein Konzernlagebericht nach § 315 HGB zu erstellen. Alle Unternehmen dürfen für Offenlegungszwecke den Einzelabschluss nach HGB um einen IFRS-Einzelabschluss ergänzen. Zudem gibt es rechtsform- und größenabhängige Befreiungen oder Erleichterungen bei der Offenlegung, was die externe Analyse verhindert oder zumindest einschränkt.

 

Rz. 2

Grundsätzlich weist das gesamte Berichtswerk des Jahresabschlusses zudem noch eine Reihe von Aussagemängeln auf, da eine objektive, tatsächliche Abbildung von Unternehmen unmöglich ist. So muss ein Kompromiss zwischen Entscheidungsrelevanz und Zuverlässigkeit der Information gefunden werden, auf den der Abschlussaufsteller durch explizit eingeräumte Wahlrechte oder durch implizit vorhandene Einschätzungsspielräume aktiv einwirken kann. Daher gibt ein Jahresabschluss, auch ergänzt um den Lagebericht, i. d. R. keine unmittelbar entscheidungsbezogenen Antworten, sondern stellt als gesetzgeberisch verordneter Informationskompromiss zwischen divergierenden Interessenlagen lediglich einen Informationspool dar, sozusagen eine Datenbank, die je nach Informationsziel ausgewertet werden muss. Das Instrument zur informationszielspezifischen Auswertung dieser Datenbank ist die Bilanzanalyse oder auch Jahresabschlussanalyse oder Rechnungslegungsanalyse.[7] Ihre Aufgabe besteht darin, die im Berichtswerk enthaltenen latenten Informationen zu heben sowie die entscheidungsorientierte Informationsgewinnung aus dem Jahresabschluss zu bewirken. Der Erkenntniswert der Jahresabschlussanalyse hängt dabei von Quantität und Qualität des Ausgangsmaterials sowie von den benutzten Analysemethoden ab.

 

Rz. 3

Übergreifendes Ziel der Bilanzanalyse ist die Generierung von Aussagen über die wirtschaftliche Lage von Unternehmen, die in die erfolgs- und die finanzwirtschaftliche Lage unterteilt werden kann. Im Rahmen der Unternehmensanalyse soll die erfolgswirtschaftliche Analyse eines Unternehmens Auskunft über dessen Erfolgslage und wirtschaftliche Ertragskraft geben, d. h. über dessen Fähigkeit, in Zukunft Erfolge zu erwirtschaften und damit die Leistungsfähigkeit der Unternehmung zu erhalten.[8] Der Erfolg eines Unternehmens lässt sich jedoch nicht allein am ausgewiesenen Jahresergebnis messen, vielmehr bedarf es einer näheren Analyse, z. B. der Höhe und Zusammensetzung bzw. Entstehung nach Ergebnisquellen. Die Erfolgsanalyse kann sich zudem nicht nur auf vergangenheitsorientierte Daten beschränken, sodass in zeitlicher Dimension neben einer retrospektiven Analyse auch eine prospektive Analyse, z. B. in Gestalt von Gewinnprognoserechnungen, erforderlich ist. Zentrale Methoden der Erfolgsanalyse sind Jahresergebnisbereinigung, Erfolgsspaltung, Rentabilitäten und weitere GuV-Kennzahlen sowie die erfolgsbezogene Cashflow-Analyse und wertorientierte Kennzahlen.

 

Rz. 4

Die Finanzanalyse soll Aussagen über die Fähigkeit eines Unternehmens zur finanzwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung ermöglichen. Dabei geht es vor allem um die Sicherung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit, aber auch um die Unterstützung der betrieblichen Güterwirtschaft durch Optimierung der finanziellen Rahmenbedingungen sowie um die Aufwands- und Ertragswirkungen finanzieller Entscheidungen. Die Finanzanalyse beschäftigt sich zum einen mit der Analyse der Finanzstruktur als beständebezogene Finanzanalyse und zum anderen mit der Analyse des Finanzgeschehens als bewegungsbezogene Finanzanalyse. Während die beständebezogene Finanzanalyse primär auf das Stichtagsbild von Vermögen und Kapital abstellt und versucht, Finanzstrukturen als Indiz für finanzpolitische Ausgewogenheiten zu erkennen und künftige Zahlungsströme aus Beständen abzuleiten, soll die bewegungsbezogene Finanzanalyse untersuchen, welche Finanzmittel aus der unternehmerischen Tätigkeit erwirtschaftet und wie diese verwendet worden sind. Die stromgrößenorientierte Analyse zielt des Weiteren auf eine Prognose künftiger Zahlungsströme ab, die aus Zahlungsströmen der Vergangenheit abgeleitet werden. Im Mittelpunkt der bewegungsbezogenen Finanzanalys...

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