Rz. 161

Sowohl bei der Kapital- als auch bei der Vermögensanalyse werden die jeweiligen Seiten der Bilanz einzeln betrachtet. Mit der Betrachtung von (lang- und kurzfristigen) Deckungsrelationen besteht dagegen die Möglichkeit, die Mittelherkunft (Kapital) und die Mittelverwendung (Vermögen) gegenüberzustellen. Es wird ein Zusammenhang zwischen Investition und Finanzierung hergestellt. Dabei werden die Auswirkungen auf die Liquidität untersucht, die sich gem. der Fristenentsprechung von Vermögen und Kapital ergeben. Es besteht die Möglichkeit, sowohl die langfristigen Deckungsrelationen (Anlagendeckung) als auch die kurzfristigen Deckungsverhältnisse (Liquiditätskoeffizienten) zu analysieren.[1]

 

Rz. 162

Dabei existieren 2 unterschiedliche Betrachtungsweisen, unter denen eine lang- und eine kurzfristige Analyse der Liquidität erfolgen können. Zum einen gibt es die Möglichkeit, die Analyse auf der Grundlage der Liquidation des betrachteten Unternehmens durchzuführen. Hierbei soll festgestellt werden, welche Mittel im Falle der Unternehmensabwicklung für die Schuldentilgung zur Verfügung stehen. Die dazu benötigten Informationen, wie z. B. Liquidationserlöse von Vermögensgegenständen im Zeitpunkt der Unternehmensauflösung, sind jedoch dem Jahresabschluss nicht zuverlässig zu entnehmen, da keine Liquidationsbewertung, sondern eine Going-Concern-Bewertung erfolgt.

 

Rz. 163

Die Untersuchung der Deckungsverhältnisse erfolgt sinnvollerweise unter der Prämisse einer Unternehmensfortführung, da auf dieser Grundlage auch der Jahresabschluss aufgestellt wird. Das Analyseziel ist hierbei, Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit des betrachteten Unternehmens zu treffen.[2] Ein allgemeines Problem der statischen Liquiditätsanalyse anhand von Bestandsgrößen, wie sie die Ermittlung der Deckungsgrade und Liquiditätskoeffizienten darstellt, besteht darin, dass das zugrunde liegende Datenmaterial zum Zeitpunkt der Analyse bereits veraltet ist. Dies ist darin begründet, dass die Erstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses teilweise erst Monate nach dem Stichtag erfolgen. Insbesondere im Rahmen der kurzfristigen Liquiditätsanalyse können sich zwischen Stichtag und Zeitpunkt der Analyse gravierende Änderungen in den Beständen ergeben. Die in diesem Zusammenhang ermittelten Kennzahlen entsprechen folglich nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten des betrachteten Unternehmens.[3]

 

Rz. 164

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es sich bei den zugrunde liegenden Daten für die Ermittlung der Deckungsgrade und der Liquiditätskoeffizienten um Bestandsgrößen am Bilanzstichtag handelt. Infolgedessen ist die bestandsgrößenorientierte Liquiditätsanalyse nur bedingt geeignet, die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens zu analysieren.[4] Zur Beurteilung der aktuellen Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens wird aber sinnvollerweise eine bewegungsbezogene Analyse durchgeführt.

[1] Vgl. Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015, S. 155 ff.
[2] Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 26. Aufl. 2021, S. 1157ff.
[3] Vgl. Küting/Weber, Die Bilanzanalyse, 11. Aufl. 2015, S. 161.
[4] Vgl. Perridon/Steiner/Rathgeber, Finanzwirtschaft der Unternehmung, 16. Aufl. 2012, S. 602 ff.

6.3.4.1 Langfristige Deckungsverhältnisse

 

Rz. 165

Die langfristigen Deckungsverhältnisse sollen Aussagen darüber liefern, wie sich die Werte zur Mittelverwendung in Form von Investitionen in Anlagevermögen und Mittelherkunft in Form von langfristiger Kapitalaufnahme entsprechen. Idealerweise sollen hierbei die Kapitalüberlassungsdauer und die Kapitalbindungsdauer übereinstimmen und somit der Grundsatz der fristenkongruenten Finanzierung erfüllt sein. Insbesondere soll das langfristige Vermögen höchstens dem langfristigen Kapital und im Umkehrschluss das kurzfristige Vermögen mindestens dem kurzfristigen Kapitalanteil entsprechen (Goldene Bilanzregel). Aus dieser Finanzierungsregel ergibt sich die Kennzahl der Eigenkapitaldeckung, die auch als Deckungsgrad A bezeichnet wird:

 
Deckungsgrad A = Eigenkapital
langfristiges Vermögen
 

Rz. 166

Die Eigenkapitaldeckung gibt an, zu welchem Anteil das langfristige Vermögen mit Eigenkapital finanziert ist. Nicht nur das Eigenkapital dient der Finanzierung von langfristigem Vermögen, sondern auch langfristige Anteile des Fremdkapitals. Folglich wird im Zähler der Kennzahl in allgemeiner Form das langfristige Kapital, zu dem sowohl das Eigen- als auch das langfristige Fremdkapital zählen, eingesetzt (diese Kennzahl wird auch als Deckungsgrad B bezeichnet):

 
Deckungsgrad B = Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital
langfristiges Vermögen
 

Rz. 167

Eine zusätzliche Erweiterungsmöglichkeit der Deckungsgrade besteht darin, das langfristige Vermögen um langfristig gebundene Teile des eigentlich kurzfristigen Vermögens (z. B. gewisser Dauerbestand an Vorräten) zu ergänzen. Diese müssen, um Fristenkongruenz zu erhalten, auch langfristig finanziert werden. Jedoch wird im Rahmen der externen Jahresabschlussanalyse die Bestimmung diese...

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