Rz. 38

Aufgrund der Vielfalt der in der Praxis anzutreffenden Gliederungen sollte die Bilanzanalyse nicht sofort mit einer starren Eingabemaske beginnen, die unter Berücksichtigung weiterer Pflichtangaben durch starre Verknüpfungen automatisch ausgewertet wird. Vielmehr muss die Analyse zunächst vollflexibel direkt auf den vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Daten aufbauen, damit auch alle Informationen adäquat analysiert werden können. Ein Beispiel für verlorene Informationen starrer Systeme ist die etwa bei Leasinggebern zu beobachtende Praxis, neben der Segmentberichterstattung die gesamten Rechenwerke zu unterteilen in Industrie- und Finanzierungsaktivitäten. Diese sehr informative Unterteilung kann im Rahmen der Eingabe in standardisierte Analysesysteme i. d. R. nicht automatisiert berücksichtigt werden. Grundidee ist es daher, für die strukturelle Erfolgsanalyse, die beständebezogene Analyse der Finanzlage sowie die bewegungsbezogene Finanzanalyse sowohl auf Basis des Gesamtkonzerns oder Unternehmens als auch ggf. auf Basis der Unternehmenssegmente zunächst lediglich die im Abschluss präsentierten Rechnungen zu übernehmen und automatisiert um eine Strukturspalte sowie um absolute und prozentuale Veränderungsspalten zu ergänzen, was aussagestarke zeitliche Vergleiche zulässt.

 

Rz. 39

Die Analyse der Aufwands- und Ertragsstruktur kann dabei zunächst einen tieferen Einblick in die hinter dem Ergebnis liegenden positiven und negativen Erfolgskomponenten geben – allerdings ist stets zu bedenken, dass mit unbereinigten, d. h. durch das Abbildungsmodell oder die Abschlusspolitik für viele Analysezwecke verzerrten, Daten gearbeitet wird, was die Kennzahlen der gesamten flexiblen Analyse betreffen kann und erst mit der Aufbereitung (s. Rz. 47 ff.) versucht wird zu bereinigen. Somit kann durch die Verformelung der Daten der GuV bzw. Gesamtergebnisrechnung der Anteil einzelner Ergebnisquellen und einzelner Erfolgskomponenten an der Ergebnisentstehung über GuV- und Effizienzkennzahlen auf unbereinigter Basis aufgezeigt werden, wobei dem Umsatz nach dem UKV-Schema bzw. der Gesamtleistung nach dem GKV-Schema als Verhältnisgröße eine zentrale Bedeutung zukommt. Alternativ kann auch der Gesamtertrag für die Strukturanalyse eingesetzt werden. Dabei sind in Relation zu diesen Erträgen überproportionale Aufwandsanstiege als Fehlentwicklungen und unterproportionale Anstiege als Verbesserungen der Aufwandsseite des Unternehmens zu interpretieren, wenn hinsichtlich der Entwicklung der betrieblichen Aufwendungen unterstellt wird, dass die betriebsbedingten Aufwendungen unter normalen Verhältnissen in etwa synchron zum Umsatz bzw. zur Gesamtleistung verlaufen. Die Analyse der Aufwands- und Ertragsstruktur trägt im Rahmen der Bilanzanalyse dazu bei, das relative Gewicht der verschiedenen Teilergebnisse und somit die zentralen Abhängigkeiten des Unternehmens in der Erfolgsentstehung zu erkennen. In vielen Branchen, wie etwa bei Finanzdienstleistern, bei Versicherern oder Dienstleistern, sowie in zunehmend Absatzbündel darstellenden Leistungserbringungen werden so etwa Erträge aus bestimmten Finanzierungsgeschäften oder Dienstleistungen aus der Änderungsanalyse ersichtlich. Zusätzlich bedeutsam werden die Strukturinformationen im Rahmen der Erfolgsprognose, da mit ihrer Hilfe absehbare Einflüsse, wie z. B. Tariflohnsteigerungen oder Zinsniveauänderungen, in Bezug auf deren Auswirkungen auf das Jahresergebnis flexibel differenziert prognostiziert werden können.

 

Rz. 40

Diese Vergleiche werden umso interessanter, als auch die in den Halbjahresfinanzberichten oder ggf. noch Quartalsberichten veröffentlichten Daten mit in die flexible Analyse einbezogen werden können, da zumindest die Gliederungsstruktur für diese Dokumente beibehalten werden muss. Hinsichtlich der Änderungsanalyse können neben dem Vergleich zum gleichen Halbjahr des Vorjahres auch die Änderungsrelationen zum direkten Vorhalbjahr ermittelt werden. Durch eine vertiefte Analyse können so die saisonalen Beeinflussungen von Trends ermittelt und somit saisonal schwankende Positionen von relativ unbeeinflussten Positionen getrennt werden. Diese Erkenntnis bietet wiederum eine deutlich verbesserte Prognosebasis für Folgehalbjahre.

 

Rz. 41

Der Einsatz der flexiblen Struktur- und Änderungsrelationen kann ebenfalls auf die beständebezogene Finanzanalyse übertragen werden. Die Bestände von Vermögen und Kapital sind für ein Urteil der Finanzlage von Unternehmen insofern relevant, als damit künftige Zahlungen zum Ausdruck gebracht werden. Grundsätzlich kann eine beständebezogene Analyse der Finanzlage als vertikale und horizontale Betrachtung der Bilanzgrößen erfolgen, wobei eine vertikale Betrachtung relevante Informationen hinsichtlich der Vermögensanalyse bzw. Investitionsanalyse (Kapitalverwendung) und Finanzierungsanalyse (Kapitalbeschaffung) liefert; ergänzend informiert eine horizontale Betrachtung als Liquiditätsanalyse über die Beziehungen zwischen Kapitalverwendung und...

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