Rz. 17

Die konzeptionelle Gestaltung und das Instrumentarium der Bilanzanalyse sind in der Praxis stark abhängig von der zugrunde gelegten Rechnungslegungskonzeption und deren Ausgestaltung. So kann etwa in Deutschland eine stark durch die handelsrechtlichen Gliederungsschemata determinierte und im Hinblick auf das abschlusspolitische Potenzial von HGB-Abschlüssen auf Aufbereitung und Bereinigung fokussierte Analyse beobachtet werden. Diese Schemata sind aber etwa durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz sowohl formal als auch strukturell geändert worden, was Zeit- und ggf. in der Übergangszeit auch überbetriebliche Vergleiche stark erschwert. Zudem ergibt sich durch die abgestuften Aufstellungs- und Offenlegungspflichten ein sehr heterogenes Datenmaterial, da rechtsform- und größenabhängige Erleichterungen existieren. Dennoch erfolgt die Verwendung von Gliederungen zumindest sehr einheitlich, da auch Personengesellschaften i. d. R. über die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung auch die Gliederungsnormen der §§ 266 und 275 HGB beachten.

 

Rz. 18

Dagegen ist die angloamerikanische Analysetheorie und -praxis aufgrund der etwa nach IFRS geltenden größeren Freiheit bei der Bestimmung der Gliederungen deutlich flexibler ausgerichtet. Dabei gibt es aber erstaunlicherweise nur wenige Ansätze, das auch dort vorhandene abschlusspolitische Potenzial zu bereinigen, vielmehr wird das gegebene Datenmaterial fast unverändert für Analysezwecke benutzt, wobei jedoch aufgrund der nach US-GAAP gegebenen Stetigkeit vermehrt prospektive Analysen durchgeführt werden. Darüber hinaus entfällt beispielsweise die in der deutschen Analysepraxis zumindest für Einzelabschlüsse bisher bestehende Notwendigkeit einer gesonderten Ableitung von Cashflow- oder Kapitalflussrechnung, da diese Berechnungen Pflichtbestandteile von IFRS-Abschlüssen und inzwischen auch von HGB-Konzernabschlüssen sind.[1]

 

Rz. 19

Aufgrund der Aussageschwäche von Einzelabschlüssen von konzernverbundenen Unternehmen ist bei der Bilanzanalyse sicherzustellen, dass auch Konzernabschlüsse analysiert werden können. Bei einer internen Analyse oder bei kapitalmarktorientierten Unternehmen sind zudem auch unterjährige Berichte[2] verfügbar, die eine zeitnahe Informationsgewinnung ermöglichen.

 

Rz. 20

Bei dieser Vielzahl von anzutreffenden unterschiedlichen Jahresabschlüssen stellt sich die Systemfrage: Sollen verschiedene Analysekonzeptionen parallel nebeneinander verwendet werden oder unternimmt man den Versuch der Integration der verschiedenen Datenbasen in eine Analysekonzeption? Da die grundsätzlichen Ziele der Bilanzanalyse stets gleich sind, erscheint Letzteres sinnvoll zu sein. Um ein möglichst zutreffendes Bild von der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens zu erhalten, wofür zu Vergleichszwecken auch andere Unternehmen mit zu analysieren sind, muss die Analysekonzeption in Deutschland daher neben der bestehenden systemorientierten Ausrichtung und der Fixierung auf das HGB zunehmend auch um die Möglichkeit der Auswertung von IFRS-Abschlüssen erweitert und um flexibel ausgestaltete Instrumente mit derselben inhaltlichen Logik ergänzt werden. So kann die Informationsauswertung in dem Spannungsfeld der unternehmensindividuell gegebenen Informationen und der für Vergleichszwecke notwendigen Standardisierung optimiert werden. Somit gibt es 3 Stufen der Bilanzanalyse in diesen umfassenden Konzeptionen:

  • Vollflexible Bilanzanalyse, die bezogen auf einzelne Unternehmen deren gegebene – unveränderten – Angaben zur Grundlage hat (individualisierte Analyse).
  • Teilflexible Bilanzanalyse, die mit dem Ziel der zumindest grundsätzlich systemorientierten vergleichbaren Analyse mit bestimmten Aufbereitungs- und Bereinigungsmaßnahmen agiert.
  • Standardisierte Bilanzanalyse mit dem Ziel, überbetriebliche Vergleichsaussagen zu generieren.

Damit sind sowohl aussagefähige zeitliche also auch überbetriebliche Vergleiche für die verschiedensten Jahresabschlusstypen möglich. Die Flexibilität der Analyseinstrumente bezieht sich dabei stets auf die zu verarbeitenden Angaben und berücksichtigt damit die informationsmäßig unterschiedlich umfangreichen zugrunde gelegten Abschlüsse. Freiwillige Zusatzinformationen werden damit ebenso in der Analyse berücksichtigt wie unterschiedliche Beschickungen der Eingabepositionen. Da sich die Qualität der Analyseergebnisse aber mit steigender Systematisierung erhöht, weil etwa überbetriebliche Vergleiche besser möglich werden, wird die Flexibilität in den weiteren Instrumenten eingeschränkt (teilflexibel) bzw. ganz unterbunden (standardisiert). Die Systemkonzeption mit den möglichen Analysezielen und -instrumenten hat somit das in Abb. 3 dargestellte Aussehen.

Abb. 3: Systemkonzeption einer umfassenden Bilanzanalyse[3]

 

Rz. 21

Für die konkrete Ausgestaltung bedeutet dies, dass zunächst nach einer ersten qualitativen Analyse der Bilanzpolitik alle pflichtmäßigen Module, d. h. Bilanz (inkl. Eigenkapitalspiegel, soweit vorhanden) und GuV oder Gesamtergebnisrechnung ...

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