Der BFH hat mit Urteil vom 22.2.2017[1] entschieden, dass bei einem Selbstständigen nicht jeder Schreibtischarbeitsplatz in seinen Betriebsräumen zwangsläufig ein zumutbarer "anderer Arbeitsplatz" ist. D. h., dass ein Selbstständiger seine Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann bis zu 1.250 EUR im Jahr abziehen kann, wenn er den Schreibtischarbeitsplatz in seinen Betriebsräumen nicht oder nur eingeschränkt nutzen kann.

 
Praxis-Beispiel

Büro- und Verwaltungstätigkeiten müssen zumutbar sein

Ein selbstständig tätiger Logopäde übt seine Tätigkeit in den Räumen angemieteter Praxen aus, die weit überwiegend von seinen 4 Angestellten genutzt werden. Für Verwaltungsarbeiten nutzte er sein häusliches Arbeitszimmer. Das Finanzgericht gelangte aufgrund einer Würdigung der konkreten Umstände zu der Auffassung, dass eine Erledigung der Büroarbeiten in den Praxisräumen (auch außerhalb der Öffnungszeiten) nicht zumutbar sei, sodass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer begrenzt bis zum Höchstbetrag von 1.250 EUR abzugsfähig sind.

Ist die Nutzung des Arbeitsplatzes eines Selbstständigen so eingeschränkt, dass er in seinem häuslichen Arbeitszimmer einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit verrichten muss, kommt das Abzugsverbot nicht zum Tragen. Auch der selbstständig Tätige kann daher zusätzlich auf ein häusliches Arbeitszimmer angewiesen sein. Ob dies der Fall ist, ist im Einzelfall anhand objektiver Umstände zu klären. Anhaltspunkte sind:

  • die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes (Größe, Lage, Ausstattung) und
  • der Umfang der Nutzungsmöglichkeit, wie z. B. der Zugang zum Gebäude und die zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeitszimmers.

Im Beispielfall ergab sich aus den folgenden tatsächlichen Gegebenheiten, dass die Nutzung der Praxisräume als außerhäusliches Arbeitszimmer unzumutbar war:

  • Nutzung der Räume durch die Angestellten,
  • Tätigkeit des Selbstständigen außerhalb der Praxis,
  • die Größe,
  • die Ausstattung,
  • die konkrete Nutzung der Praxisräume durch die 4 Angestellten,
  • Vertraulichkeit der für die Bürotätigkeit erforderlichen Unterlagen und der Umfang der Büro- und Verwaltungstätigkeiten

D. h., für diese Tätigkeiten stand dem Selbstständigen kein anderer Arbeitsplatz als das häusliche Arbeitszimmer zur Verfügung.

 
Praxis-Tipp

Beurteilung der individuellen Situation

Selbstständige, die neben ihren Praxisräumen ein häusliches Arbeitszimmer nutzen, sollten immer prüfen, ob es zumutbar ist, die Büro- und Verwaltungstätigkeiten in den Praxisräumen zu erledigen. Ist der Schreibtischarbeitsplatz in den Betriebsräumen nicht oder nur stark eingeschränkt nutzbar, können die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zu 1.250 EUR im Jahr abgezogen werden.

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