Leitsatz

  1. Der nachträgliche Verzicht auf die Steuerfreiheit einer Grundstückslieferung ist kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 233a Abs. 2 a AO 1977.
  2. Der Lauf der Zinsen für die Umsatzsteuer wegen der rückwirkend steuerpflichtigen Grundstückslieferung beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 1977.
 

Problematik

Der Unternehmer hatte während einer Betriebsprüfung im Jahre 1996 auf die Steuerfreiheit für eine 1993 ausgeführte Grundstückslieferung verzichtet und – ebenfalls noch in 1996 – dem Grundstückskäufer eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt. Das Finanzamt erweiterte daraufhin 1997 mit Änderungsbescheid die Umsatzsteuerfestsetzung für 1993 um die Steuer für die Grundstückslieferung und setzte Zinsen zur Umsatzsteuer für 1993 fest (§ 233a AO).

 

Entscheidung des BFH

Der nachträgliche Verzicht auf die Steuerbefreiung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Damit gilt nicht die Ausnahme gem. § 233a Abs. 2 a AO, dass der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, beginnt. Das wird mit der Rechtsnatur des Verzichts gem. § 9 UStG als Wahlrecht begründet.

Wenn ein Wahlrecht wie der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung nur zeitlich begrenzt bis zur Bestandskraft (oder Änderbarkeit, § 164 Abs. 2 AO) der Steuerfestsetzung des Lieferers oder des Abnehmers ausgeübt werden darf, ist die nachträgliche Ausübung dieses Wahlrechts kein Ereignis mit steuerrechtlicher Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Dadurch würden die zeitlichen Grenzen für die Ausübung des Wahlrechts durchbrochen und Rechtsfolgen ausgelöst, die das Gesetz nur innerhalb der bezeichneten Grenzen (rückwirkend) eintreten lassen will.

 

Konsequenzen für die Praxis

Im Hinblick auf die steuerliche Rückwirkung des Verzichts auf die Steuerfreiheit eines Grundstücksumsatzes gem. § 9 UStG (auf den Zeitpunkt dieses Umsatzes) hat man auf den ersten Blick große Schwierigkeiten, kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO anzunehmen. Gegen die Anwendbarkeit der vorbezeichneten Vorschrift sprechen allerdings massiv deren "unendliche" Rückwirkung sowie die Eigenschaft des Verzichts als "Wahlrecht" und die damit verbundenen Konsequenzen.

Der BFH verwies letztlich noch auf die Risiken eines nachträglich vereinbarten Verzichts: Nach dem BFH-Urteil V R 23/00[31] müssen sich die Vertragsparteien über Nachzahlungszinsen nach § 233a AO zivilrechtlich auseinander setzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Erwerber eines Grundstücks durch die Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerpflicht durch den Veräußerer den Vorsteuerabzug verliert, sondern erst recht, wenn der Veräußerer nachträglich auf die Steuerfreiheit verzichtet. Er kann und muss ggf. die Vorteile, die er durch eine freiwillige nachträgliche Option erstrebt, gegen die mit der Zinsfolge des § 233a AO 1977 verbundenen Nachteile abwägen. Beratungs- bzw. Gestaltungsfehler dabei sind u. U. teuer.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.11.2002, V R 54/00

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