Tipps für die Personalsuche in Steuerkanzleien

Diverse Stellenanzeigen geschaltet und immer noch keine Bewerbung – sowohl die großen Gesellschaften als auch die kleinen Steuerkanzleien klagen über den Mangel an Fachkräften. Der Markt scheint wie leergefegt. Was tun, um die wenigen Wechselwilligen und den Nachwuchs in die eigene Kanzlei zu lotsen?

Mit dem klassischen Inserat in der Zeitung oder auf den einschlägigen Jobportalen gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr, geschweige denn qualifizierte Bewerber:innen für die vielen offenen Stellen. Kreativität und Um-die-Ecke-Denken sind gefragt – Fähigkeiten, die sich am besten wachkitzeln lassen mit einem Perspektivwechsel. Werfen wir deshalb einen Blick auf andere Branchen, in denen Personal mittlerweile ebenso ein knappes und umso wertvolleres Gut geworden ist. Dort findet man oft ungewöhnliche, aber durchaus hilfreiche Impulse, von denen Sie sich bei der Bewerbersuche inspirieren lassen können.

Recruiting-Tipp 1: Mitarbeiter:innen zu Headhuntern machen

Ihr Team arbeitet gerne für Sie? Perfekt. Dann haben Sie die besten Headhunter bereits im Haus. Zufriedene Mitarbeiter:innen sind exzellente Personalrecruiter. Sie pflegen in der Regel gute Kontakte zu ehemaligen Kommiliton:innen, Bekanntschaften aus der Berufsschule oder Ex-Kolleg:innen aus anderen Steuerkanzleien. Nutzen Sie dieses Potenzial. Laden Sie Ihr Team zu einem Recruiting-Workshop ein. Legen Sie offen, welche Stellen demnächst zu besetzen sind und skizzieren Sie, welche Kriterien Bewerber:innen dafür erfüllen sollten (mehr dazu in Tipp 4). Machen Sie es wie ein großer Autohersteller: Loben Sie Mitarbeiterprämien aus für jede erfolgreiche Kandidatenempfehlung. Das können auch attraktive Sachprämien sein, so zum Beispiel ein E-Roller mit dem Kanzleilogo darauf oder ein neuer Laptop. 

Wie wirkt meine Kanzlei auf potenzielle Bewerber? Was hält das Team eigentlich von uns? Das sind Fragen, die das Thema Employer Branding umschreiben – und die angesichts eines eklatanten Fachkräftemangels über Wachstumschancen für Kanzleien entscheiden. Lesen Sie hier, worauf es beim Employer Branding ankommt.

Recruiting-Tipp 2: Active Sourcing in sozialen Netzwerken

Lieber proaktiv auf Wunschkandidat:innen zugehen, als darauf zu warten, dass sie sich irgendwann selbst melden – so könnte man Active Sourcing umschreiben. Dieser relativ neue Ansatz ist also nichts anderes als eine Initiativbewerbung von Unternehmen bei vielversprechenden Talenten. Begünstigt wird diese Recruiting-Variante durch die Chancen, die soziale Netzwerke und Medien bieten. Denn die passenden Kandidat:innen können mittels Suchalgorithmen identifiziert und mit einer persönlichen Nachricht auch leicht kontaktiert werden.

So hat sich zum Beispiel ein Bauunternehmen auf der Suche nach Ingenieur:innen via LinkedIn und XING an eine Handvoll ausgewählter Wunschkandidat:innen gewendet mit den Worten: „(Vorname), wo bleibst du?“ Interessierte wurden dann auf eine Landingpage zur ausgeschriebenen Position geleitet. Raffiniert auch die Idee eines IT-Unternehmens, das an LinkedIn-Accounts von Programmierer:innen spannende Rätsel versendet, deren Lösung zu einer „geheimen“ Stellenausschreibung führt.

Die Faustregel für Active Sourcing lautet: So persönlich wie möglich und niemals langweilig! Je kreativer und individueller Sie die Nachrichten an die Betreffenden formulieren, desto mehr Erfolg werden Sie damit haben.

Bewerbungsgespäche per Video sind neue Recruiting-Normalität. Wie Sie die eigene Steuerkanzlei beim Video-Recruiting ins beste Licht rücken und warum Sie die Methode auch nach der Krise nutzen sollten, verraten wir Ihnen in diesem Artikel.

Recruiting-Tipp 3: Erhöhen Sie Ihre Sichtbarkeit

Vor allem kleinere Kanzleien haben ein Problem: Sie sind nicht sichtbar für potenzielle Bewerber:innen. Ihre Website und dort aufgeführte Stelleninserate tauchen in den großen Suchmaschinen wie Google nur auf den hinteren Ergebnisseiten auf. Das ist fatal, denn wer bei Google nicht auf den ersten zwei Seiten steht, existiert nicht im Internet.

Wer dennoch als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden will, sollte Plattformen wie Instagram, LinkedIN und YouTube nutzen. Wenn Sie auf der Suche nach Auszubildenden sind, kommen auch TikTok oder Snapchat infrage. Hier ist es für Unternehmen noch wesentlich leichter aufzufallen als mit der eigenen Website. Vorausgesetzt, Sie präsentieren sich mit Stellenanzeigen oder eigenen Accounts, die potenzielle Bewerber:innen zielgruppengerecht ansprechen. Ein Erfolgsbeispiel, wie man in kurzer Zeit sehr präsent werden kann, sind die Steuerexpertinnen von „ Wir lieben Steuern“. Mit ihren leicht verständlichen Videos rund um Steuerthemen, ausgespielt auf verschiedenen Kanälen wie YouTube, Insta oder LinkedIn, haben sie sich mittlerweile nicht nur eine riesige Fangemeinde, sondern sogar eine Marke aufgebaut.

Die Steuerberatungsbranche wird nicht "wegdigitalisiert", ist sich BStBK-Präsidialmitglied Alexander C. Schüffner sicher. Dennoch steht sie vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal zu gewinnen. Wie dies gelingen kann, beschreibt Alexander C. Schüffner im Interview.

Recruiting-Tipp 4: Schrauben Sie an Ihren Auswahlkriterien

Hervorragende Abschlussnoten, Auslandserfahrung, drei Sprachen, ortsungebunden und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung? Wer wünscht sich das nicht von Bewerber:innen? Doch solche Beschreibungen schrecken all diejenigen ab, die vielleicht zwei oder drei dieser Kriterien (noch) nicht erfüllen. Und sie machen einen Bewerber auch nicht automatisch zu einem guten.

Fragen Sie deshalb mal andersherum: Was sind die Mindestkriterien, die jemand mitbringen muss, um die vakante Position angemessen ausfüllen zu können? Betreiben Sie Stressbewältigung durch Senkung des Anspruchsniveaus – fahren Sie die Kriterien herunter. Und beherzigen Sie das Prinzip, mit dem Ex-Industriemanager Peter Schulz Porsche auf Wachstumskurs brachte: „Hire character – train skill.“

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Recruiting-Tipp 5: Guerilla-Marketing light

Exzellente Fachkräfte gibt es natürlich nach wie vor. Vielleicht nur nicht bei Ihnen? Eine Variante, um das zu ändern, nennt sich Guerilla-Marketing: das gezielte Abwerben von Talenten anderer Unternehmen. So könnten Sie zum Beispiel abends einen LKW vor dem Bürogebäude eines Mitbewerbers abstellen mit dem Banner: „Na, immer noch in der Kanzlei? Wir bei Steuer, Tax und Partner haben schon Feierabend. Schauen Sie doch morgen ab 10 Uhr mal bei uns vorbei!“ – und anschließend darauf hoffen, dass sich neugierig gewordene Mitarbeiter:innen der Konkurrenz bei Ihnen melden. Zugegeben, Guerilla-Marketing ist nicht der beste Stil. Aber durchaus legitim, wenn man es nicht zu aggressiv und mit Augenzwinkern betreibt.

Die Antwort auf den Fachkräftemangel liegt nicht nur im Recruiting: Mit einer klugen Mitarbeiterbindung können Kanzleien qualifiziertes Personal halten und viel mehr erzielen als nur eine Verringerung der Fluktuationskosten. Lesen Sie hier, wie Sie Mitarbeiter halten können.

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