Das bieten Arbeitgebersiegel für Steuerkanzleien

Was sind die größten Herausforderungen für Steuerkanzleien und wie können sie diesen begegnen? Uwe Loof sucht seit zehn Jahren Antworten auf diese Fragen und berichtet im Interview, was zukunftsorientierte Kanzleien ausmacht.

Herr Loof, Sie sind Geschäftsführer des Beratungsunternehmens PAON und beraten nun seit nahezu zehn Jahren Steuerberatungskanzleien. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für die Branche?

Da gibt es einige. Da ist zum einen das Thema Fachkräftemangel, das sich immer stärker bemerkbar macht. Als eine weitere Herausforderung sehe ich das Verständnis der Branche von Digitalisierung. Digitalisierung muss als ein ganzheitliches Konzept verstanden werden und darf nicht auf die reine IT-Technik reduziert werden.

Eine weitere Herausforderung: Kanzleien werden zusammengeschlossen, die Kanzleigrößen steigen seit Jahren und das erfordert bei den Partnern ein anderes Verständnis von Führung oder sagen wir, es braucht überhaupt ein klares Verständnis von Unternehmens- und Personalführung in der Steuerberatung.

Das geht einher mit der fünften Herausforderung: Es fehlt in der Breite der Branche noch an einer Anpassungsfähigkeit, um mit dem zunehmenden Wandel umgehen zu können. Es gibt in Kanzleien häufig derzeit nur eine sehr kurzfristige Planungsperspektive, also maximal auf das nächste Jahr, aber keine mittel- oder langfristige Planung und damit auch keine strategisch ausgerichtete Planung. Es fehlt in der Breite eine Vision für die Branche und deren künftigen Rolle im Wirtschaftsleben, denn rein auf deklaratorischen Aufgaben kann diese nicht mehr basieren.

Sind das immer noch dieselben Herausforderungen wie vor ein paar Jahren oder haben Sie das Gefühl, dass sich die Branche fortbewegt?

Natürlich kommt die Branche auch voran. Besonders im Bereich Digitalisierung hat sich in den vergangenen vier, fünf Jahren einiges getan. Die Coronapandemie hat als positiver Brandbeschleuniger gewirkt. Was ich auch positiv wahrnehme: Steuerberater trauen sich zunehmend, ihr Kundenportfolio zu überprüfen und sie gehen stärker in die Segmentierung ihrer Mandantenstrukturen.


Man hat erkannt, dass man sich bei diesem Wettbewerb um Talente aktiver bemühen und als Arbeitgeber über ein klareres Profil verfügen muss.


Beim Thema Personalführung tut sich auch etwas. Jüngere Generationen bekommen mehr Mitverantwortung in den Kanzleien. Und diese schauen offener und interessierter auf Führungsthemen. Wir merken in der Beratung sehr deutlich, dass gerade die mittelgroßen Kanzleien erkennen, dass sie jemanden brauchen, der sich professionell um die Querschnittsthemen kümmert, also um Digitalisierung, um Personal, um Marketing und um Kommunikation.

Es ist wird auch deutlich, dass die überwiegende Zahl von Kanzleien, die wir begleiten und betreuen, ihre Mitarbeiter viel ernster nehmen und als einen wesentlichen Erfolgsfaktor sehen. Man hat erkannt, dass man sich bei diesem Wettbewerb um Talente aktiver bemühen und als Arbeitgeber über ein klareres Profil verfügen muss.

Vor fünf Jahren hat Ihr Beratungsunternehmen mit dem Steuerberaterverband Niedersachsen/Sachsen-Anhalt das Arbeitgebersiegel „Exzellenter Arbeitgeber” ins Leben gerufen. Sind die Kanzleien, die dieses Siegel erhalten, den von ihnen genannten Herausforderungen gewachsen?

Sie können den Herausforderungen besser begegnen als andere. Kanzleien, die das Arbeitgebersiegel wollen, stellen sich im ersten Schritt einer externen Auditierung. Sie erhalten dabei eine strukturierte Bestandsaufnahme zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Kanzleientwicklung.

Dafür braucht es persönlich auch Mut, zumal bei dieser Bestandsaufnahme seit drei Jahren eine Mitarbeiterbefragung mit integriert ist. Keine Vollbefragung, aber je nach Kanzleigröße ein Ausschnitt von Beschäftigten. Die Ergebnisse aus den Befragungen verstehen die Kanzleiinhaber dann als Startsignal, um dort, wo Handlungsbedarf erkennbar ist, zu handeln.

Uwe Loof

Welche neuen Wege gehen Kanzleien, die das Siegel erhalten haben, um dauerhaft erfolgreich sein zu können?

Die Inhaber dieser Kanzleien haben erkannt, dass die aktive Einbindung der Beschäftigten in die Veränderungen für die ganze Kanzleientwicklung eine ganz wichtige Rolle spielt. Die Mitarbeiter können ihre Impulse einbringen und es wird nicht selten durch die internen Projekte eine positive Aufbruchsbewegung in der Belegschaft geschaffen. Auch mit Hilfe der Ergebnisse der Befragung, die nicht so positiv waren, um notwendige Veränderungen anzugehen.

Seit zwei Jahren vergeben wir beim Arbeitgebersiegel auch Sonderpreise für herausragende Projekte. Ein Preis ging zum Beispiel an eine Kanzlei, die während der Pandemie ihren Onboarding-Prozess so angepasst hat, dass er auch komplett remote funktioniert. Exzellente Arbeitgeber sind häufig Kanzleien, die mutig und vorrauschauend agieren.

Sind es vor allem „große“ Kanzleien, die so agieren und sich um das Siegel bemühen?

Die Meinung, dass größere Kanzleien aktiver sind, hält sich hartnäckig. Unsere Erfahrungen können das aber nicht bestätigen. An dem Wettbewerb haben sich in den letzten Jahre alle Kanzleigrößen beteiligt von der Kleinstkanzlei mit fünf Mitarbeitern bis hin zur zweihundert Mitarbeiter:innen starken Kanzlei. Die Fragen für unsere Auswertungen passen wir den Kanzleigrößen an.

Ein zentraler Faktor bei allen Kanzleien ist, mit welcher Haltung die Inhaber an einen Transformationsprozess gehen. Kleinere Kanzleien können es sich zwar oftmals nicht leisten, eine Arbeitsstelle für die oben genannten Querschnittsthemen zu schaffen, dafür gehen sie andere kreative Wege und ihre Inhaber bringen die richtige Haltung mit, um Zukunft aktiv zu gestalten


Das Siegel „ Exzellenter Arbeitgeber“ bewertet anhand einer Befragung die Arbeitsbedingungen einer Steuerkanzlei. Faktoren dabei sind unter anderem: Unterstützung bei der Fort- und Weiterbildung, angenehmes Arbeitsklima und Teamgeist, faire Vergütung und die Möglichkeit für flexible Arbeitszeitmodelle.


Welchen Nutzen kann eine Kanzlei vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen aus dem Arbeitgebersiegel für sich ziehen?

Die Außensicht auf die eigene Kanzlei kann helfen, die vielfältigen Herausforderungen zu priorisieren und gezielt anzugehen. Die Kanzleiinhaber setzen sich im Rahmen der Auditierung strukturiert mit Fragen auseinander, über die sie sich im normalen Kanzleialltag keine Gedanken machen. Dann profitieren diese Kanzleien natürlich von der Auszeichnung selbst, mit der sie sich im Wettbewerb abheben und auch mit dieser Auszeichnung um neue Fachkräfte werben können. Dazu gehört auch, dass manche Kanzleien sich in ihrer Region durch das Siegel abgrenzen können, weil sie die einzige Kanzlei sind, die sich in der Region Exzellenter Arbeitgeber nennen kann.


Wäre die Teilnahme eine reine PR-Maßnahme, bliebe die Kanzlei den eigenen Mitarbeitern Antworten schuldig. Das wäre doch sehr unauthentisch.


Kanzleien, die das Arbeitgebersiegel erhalten wollen, müssen sich nicht nur der Bewertung durch Ihr Unternehmen stellen, sondern auch dafür bezahlen. Was entgegnen Sie dem Vorwurf, dass das Siegel nur eine gekaufte PR-Maßnahme sei?

Wir sind nicht der Anbieter des Arbeitgebersiegels, sondern der Dienstleister für die mittlerweile zehn Landesverbände, die das Siegel vergeben. Dazu kommt, dass auch die Mitarbeiter der Kanzleien befragt werden. Wäre die Teilnahme eine reine PR-Maßnahme, bliebe die Kanzlei den eigenen Mitarbeitern Antworten schuldig. Das wäre doch sehr unauthentisch.

Was wäre Ihr Wunsch für die nächsten fünf Jahre?

Momentan auditieren wir jährlich etwa fünfhundert Kanzleien. In Deutschland gibt es aber etwa 12.000 Steuerkanzleien.  Da ist also noch Luft nach oben. Ich würde mir einfach wünschen, dass sich mehr Kanzleien trauen, über die Auditierung über die Innensicht hinaus eine Außenperspektive einzuholen.  

Außerdem wollen wir weiterhin der Branche positive Impulse für die fachlichen Aspekte in der Arbeitgeberfunktion liefern, auch in Form von Formaten, die im Rahmen des Arbeitgebersiegels angeboten werden, wie etwa die Weiterbildungsseminare und die ERFA-Gruppen.


Zur Person

Uwe Loof ist Gründer und Geschäftsführer der Unternehmensberatung PAON GmbH.