Shifting Minds

Responsible Lobbying – die Chance, sich als kleiner Fisch mit Walhaien anzulegen


Shifting Minds: Responsible Lobbying für Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit braucht eine Lobby. Und eine Lobby muss sich zu Wort melden. Auch wenn es manchmal unbequem ist. Unser Kolumnist Alex Kraemer ruft auf zu Responsible Lobbying.

Nachhaltigkeit braucht eine Lobby

Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit als Head of Corporate Responsibility bei AfB. Ein Mittelständler, damals mit 232 Mitarbeitenden. Die Mission war und ist sozial, ökologisch balanciert: IT-Geräte wiederverwenden, Menschen mit Behinderung beschäftigen, Kreislaufwirtschaft wirklich leben. Und an einem Tag saß ich in einem Gremium zwischen HP, Telekom, E-Plus, Apple, Samsung, Ich dachte mir “Was zum Teufel mache ICH hier?” Alles versierte und gestandene Konzernvertreter:innen, und ich.

Ich habe mir schnell bei einer Bekannten beim Kaffee in Berlin ein Upgrade geholt: “Was ist Lobbying?”, habe ich gefragt und zweieinhalb Stunden gebannt gelauscht. Mir hat der Kopf geraucht, aber dann habe ich es verstanden. Es geht um Themenvertrieb – um Macht und Einfluss. Es geht darum, wer die Spielregeln schreibt, bevor andere sie für dich schreiben.

Lobbying kann zur Fortführung von Aktivitäten genutzt werden, die Menschen oder Umwelt schaden. Es kann aber auch, wenn man die Haltung hat und die Chance ergreift, ein starkes Mittel zur gesellschaftlichen Veränderung sein. 

Lobbying: Verantwortung statt Reaktion

Ich habe gelernt: Responsible Lobbying heißt, Haltung dorthin zu tragen, wo sie sonst fehlt. Sich einzumischen, wenn Standards entstehen, statt später über sie zu schimpfen. Denn wer sich nicht beteiligt, wenn Regeln formuliert werden, darf sich später nicht wundern, wenn sie absurd sind.

Responsible Lobbying heißt, Haltung dorthin zu tragen, wo sie sonst fehlt.

Ich sehe das heute überall. Nachhaltigkeitsverantwortliche mischen sich ein. Wir sind teilweise formale Lobbyisten, teilweise die gute Seele in komischen Gesprächen. Wir sind immer wieder angehalten, das Thema zu platzieren; priorisieren und priorisieren in Verbänden, in der Politik und leider auch im eigenen Unternehmen.

In der Zeit bei AfB saß ich in vielen Gremien. Ich wurde von UN-Organisationen, von der Bundesregierung bis hin zu Landesausschüssen, als Experte eingeladen, die Sicht eines KMU zu spiegeln. Nachdem ich verstanden hatte, wie die Chancen ergriffen werden können, haben wir zugeschlagen und diese Chancen genutzt. Ein Promille von dem ist hängengeblieben – ein Tropfen auf einem sehr großen heißen Stein. Aber der Tropfen war von uns.

Responsible Lobbying: Die Stärke der Kleinen

Ich glaube, das ist die eigentliche Lektion: Auch kleine Akteure können gestalten, wenn sie sich trauen, früh Haltung zu zeigen. Wer aus Überzeugung handelt, wirkt glaubwürdig. Und Glaubwürdigkeit ist heute oft stärker als jede politische Verbindung.

Responsible Lobbying ist kein Luxus, sondern Teil unternehmerischer Verantwortung. Es bedeutet, eigene Prozesse zu hinterfragen, Standards mitzuentwickeln und auch einmal unbequem zu sein. Wer Nachhaltigkeit ernst meint, darf sich nicht nur anpassen – so schwierig es teilweise ist.

Wer aus Überzeugung handelt, wirkt glaubwürdig. Und Glaubwürdigkeit ist heute oft stärker als jede politische Verbindung.

Ich habe gelernt: Die Großen bewegen Dinge, aber die Kleinen bringen sie in Gang. Und manchmal ist genau das der Unterschied zwischen Symbolpolitik und echter Veränderung.

46 CEOs haben sich vor kurzem gegen die CSDDD ausgesprochen. Viele Unternehmer:innen haben wahrscheinlich innerlich oder sehr ausdrücklich zugestimmt. Aber ich bin sicher: Viele versierte CEOs haben genau eine Gegenmeinung. Die kann und wird laut werden, wenn sie sich trauen – was aber auch nicht immer einfach ist, weil Kunden, Mitarbeitende, Partner und viele andere sich gegen einen wenden können.

Haltung zeigen kann auch abgrenzen. Es ist ein Balanceakt. Ich überlege mir auch immer genau, wann ich mein lockeres Mundwerk vielleicht mal zurückhalte. Schweigen ist manchmal Gold – auch wenn es mir unglaublich schwerfällt.

Unser aller Wirken ist eine Debatte, mit verschiedenen Meinungen und Haltungen. Hoffen wir, dass das gemeinsame Ziel, die Vermeidung des Untergangs, irgendwie wieder zusammenbringt.

Gerade jetzt, mit so vielen polarisierenden Meinungen, ist es immer schwieriger, eine Haltung für Mensch und Umwelt zu haben. Dabei ist das gerade jetzt so wichtig: Die Probleme, die uns wirklich alle betreffen, sind nicht gelöst. Sie werden schlimmer,  wenn sich die andere Lobby durchsetzt.

Ich bin froh, dass es starke Gegengewichte gibt. Unser aller Wirken ist eine Debatte, mit verschiedenen Meinungen und Haltungen. Hoffen wir, dass das gemeinsame Ziel, die Vermeidung des Untergangs, irgendwie wieder zusammenbringt.

Ich bin sehr gespannt, wie Ihr das Thema angeht und bewusst für die gute Sache nutzt.

Euer

Alex


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