IDW sieht auch viele öffentliche Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet
Grundsätzlich gilt für öffentliche Unternehmen unternehmensgrößenunabhängig die Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um einen Nachhaltigkeitsbericht, wenn in den jeweiligen Errichtungsgesetzen, Landesrecht, Satzungen oder Gesellschaftsverträgen dies nicht explizit ausgenommen ist. Große Unternehmen nach § 267 HGB sind stets betroffen, da für diese Unternehmen Bundesrecht direkt einschlägig ist und landesrechtliche Vorschriften keine Ausnahmen vorsehen können.
Mehrheit der über 18.500 öffentlichen Unternehmen betroffen?
Kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) der öffentlichen Hand in einer Rechtsform des Privatrechts und öffentlich-rechtliche Organisationsformen, die nicht unmittelbar von der CSRD betroffen sind, können jedoch über Verweisungen in Errichtungsgesetzen, Landesrecht, Satzungen oder Gesellschaftsverträgen mittelbar betroffen sein. Aufgrund der Beteiligung der öffentlichen Hand verlangen die jeweiligen Vorgaben auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene für Unternehmen regelmäßig strengere Rechnungslegungsvorschriften, als das Handelsgesetzbuch (HGB) eigentlich vorsieht. Demnach müssen privatrechtliche KMU der öffentlichen Hand sowie öffentlich-rechtliche Organisationsformen – Eigenbetriebe, Zweckverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts, Hochschulen und andere Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Stiftungen – oftmals ungeachtet ihrer tatsächlichen Größe oder Rechtsform „wie große Kapitalgesellschaften“ nach dem ersten und zweiten Abschnitt des Dritten Buches des HGB berichten.
so das IDW auf S. 2 des Schreibens an die Finanzministerien der Länder sowie Innen- bzw. für Kommunales zuständigen Ministerien.
Vereinzelnd wurden bislang Gegenmaßnahmen in Form von Gesetzesinitiativen von der Bundesregierung und einigen Bundesländern angestoßen. Diese sehen punktuell Ausnahmen von der mittelbaren Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auch für kleine und mittelgroße öffentliche Unternehmen vor und behalten ansonsten die Anwendung der Vorschriften für große Kapitalgesellschaften bei. Zum Beispiel (IDW-Schr. S. 4 f.)
- für privatrechtliche Unternehmen der öffentlichen Hand:
- Ergänzung des § 65 Abs. 1 Nr. 4 BHO-E durch Art. 21 des RegE CSRD-UmsG zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung; Änderung des Art. 65 Abs. 1 Nr. 4 BayHO durch das am 28.06.2024 verkündete Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2024 und 2025;
- Änderung des § 73 Abs. 1 Nr. 2 KV MV durch die am 11.06.2024 im Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlichte Neufassung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern;
- Nordrhein-Westfalen hat mit dem 3. NKFWG zwar bereits Erleichterungen für kommunale Unternehmen geschaffen, nicht jedoch für Unternehmen des Landes.
- Für andere Rechtsformen, die (mittelbar) nach den für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften Rechnung zu legen haben, enthält der RegE CSRDUmsG auch Anpassungen: Art. 27 zur Änderung des Stabilisierungsfondsgesetzes (§ 8a Abs. 1a Satz 1 StFG) und Art. 33 zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (§ 11 Abs. 2 BDBOSG). In beiden Fällen soll ergänzt werden, dass auf den Lagebericht § 289b HGB-E keine Anwendung findet.
Darüber hinaus gibt es aber auch unklarere Rechtslagen, wo etwa konkret nur auf § 289 HGB verwiesen wird, was ggf. die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ausklammert. Unabhängig davon reicht es nach Ansicht des IDW nicht aus, das jeweilige Landesgesetz zu ändern, sondern in vielen Fällen ist auch die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag rechtzeitig zu ändern, aus dem sich ggf. noch strengere Rechnungslegungsvorschriften ergeben. Die Frist dafür ist bereits sehr knapp, da die Verpflichtung nach Umsetzung der CSRD in das HGB bereits für das Geschäftsjahr 2025 vorgesehen ist.
Hinweise für Zweifelsfragen
Das IDW hat sich in dem 10-seitigen Papier neben der Frage der mittelbaren Verpflichtung zur Reduktion von Unsicherheiten bezüglich des Anwendungsbereichs und Umfangs der anzuwendenden Vorschriften mit weiteren offenen Fragen beschäftigt.
- Hat für öffentliche Unternehmen die Einbeziehung in den Konzernnachhaltigkeitsbericht befreiende Wirkung gemäß § 289b Abs. 2 HGB-E? Dabei geht das IDW davon aus, dass das Konzernprivileg regelmäßig auch für Unternehmen der öffentlichen Hand auf Landesebene und auf kommunaler Ebene anwendbar ist, solange die landesrechtlichen Vorschriften oder die Satzung nicht regeln, dass es nicht angewendet werden darf.
- Ist die EU-Taxonomie-Verordnung auch bei mittelbarer Anwendung der CSRD zu beachten? Hier kommt das IDW zum Ergebnis, dass die Vorgaben der Taxonomie-Verordnung formal nicht explizit für mittelbar betroffene Unternehmen gelten.
Öffentliche Unternehmen als Vorreiter der Nachhaltigkeit?
Das IDW hat bereits in einem früheren Schreiben (s. 5) darauf hingewiesen,
Gebietskörperschaften [sollten] eine Vorreiterrolle übernehmen und sich selbst zeitlich und inhaltlich den Anforderungen zur Nachhaltigkeit(-sberichterstattung) zumindest wie Unternehmen stellen. Wenngleich die Vorschriften zur kommunalen Doppik dies noch nicht in allen Bundesländern widerspiegeln, haben sich auf kommunaler Ebene Pilotprojekte gebildet, um auf freiwilliger Basis eine gute Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erreichen (z.B. auf Basis der vom Rat für Nachhaltige Entwicklung herausgegebenen Testversion einer Handreichung für Kommunen „Berichtsrahmen nachhaltige Kommune“, die auf dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex aufbaut). Insofern versuchen einzelne Kommunen dem gesteigerten Bedarf der Bürger an Transparenz nachzukommen; es gilt jetzt nur noch, die Landesvorschriften anzupassen, damit sie der tatsächlichen Entwicklung nicht hinterherhinken und für einheitliche Mindestanforderungen im kommunalen Konzern sorgen.
Direkt und indirekt betroffene öffentliche Unternehmen müssen schnell handeln und ihre Systeme und Prozesse anpassen, um die neuen Rechnungslegungsanforderungen zeitgerecht für das Geschäftsjahr 2025 erfüllen zu können.
In der News-Reihe "Aktuelles zur Nachhaltigkeitsberichterstattung" fasst Herr Prof. Dr. Müller monatlich die neusten und relevantesten Entwicklungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung prägnant für Sie zusammen. Weitere aktuelle Ausgaben:
Diskussionen um das CSRD-Umsetzungsgesetz
ESRS Set 1 und Art. 8 XBRL-Taxonomie von der EFRAG veröffentlicht
Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten – ISSA 5000 und CEAOB-Leitlinien verabschiedet
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ESRS: Übersicht aller Datenpunkte zu Set 1 veröffentlicht
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Konsolidierung von Berichtspflichten: EU-Kommission schlägt „Omnibus“-Verordnung vor
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CSRD: Ein praxisorientierter Blick auf die ersten Berichte
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ESG – Definition und Bedeutung für Unternehmen und Investoren
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CSRD-Praxisguide: Doppelte Wesentlichkeitsanalyse
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Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD: ein dynamisches Projekt
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