Dekarbonisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung

Herr Dr. Then, was sollte die Immobilienwirtschaft bei der Dekarbonisierung und Elektrifizierung ihrer Bestände mitdenken – neben der rein physischen Stromversorgung?
Dr. Dirk Then: Neben einer zuverlässigen Stromversorgung ist es aus meiner Sicht für die Immobilienwirtschaft entscheidend, vom eigentlichen Ziel her zu planen: eine gangbare Roadmap zur Klimaneutralität – und damit die Integration der erneuerbaren Energien in die Gebäudeversorgung. Vieles, was auf diesem Weg nötig sein wird, ist heute schon verfügbar – von intelligenter Mess- und Zählertechnik bis zu Prosumer- oder Mieterstrommodellen. So schaffen Unternehmen frühzeitig die notwendigen Strukturen, um künftige Geschäftsmodelle effizient einzubinden. Diese werden auf dem Weg zunehmend wichtiger für die erfolgreiche Bewirtschaftung der eigenen Liegenschaften.
Wie greifen Dekarbonisierung und Digitalisierung idealerweise ineinander?
Wir werden nie dauerhaft überschüssige Energie haben. Deshalb ist es essenziell, Energie immer möglichst wirtschaftlich einzusetzen und Verbräuche und Angebote im Sinne optimaler Effizienz zu steuern. Hier kommt die digitale Infrastruktur ins Spiel. Sie schafft Transparenz, ermöglicht die intelligente Steuerung von Verbräuchen und bereitet das Gebäude auf netzdienliche Funktionen vor. So kann der Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien in der Gebäudeversorgung ökonomisch und ressourceneffizient gelingen.
Die Immobilienwirtschaft wird vom reinen Stromverbraucher zum Prosumer. Wo liegen Herausforderungen und Potenziale?
Für Bestandshalter liegt die Herausforderung vor allem in der wirtschaftlichen und rechtssicheren Umsetzung neuer Konzepte: Netzdienlichkeit durch Laststeuerung, Speicherlösungen, dynamische Tarife oder Sektorenkopplung. Diese Ansätze eröffnen große Chancen: Wenn Gebäude nicht nur Energie verbrauchen, sondern auch produzieren und ins Netz zurückspeisen, steigt ihre Bedeutung im Energiemarkt. Das sichert langfristig ihre Wirtschaftlichkeit, weil lokale Ressourcen optimal genutzt und neue Ertragsquellen erschlossen werden.
Wie beurteilen Sie den regulatorischen Rahmen?
Aktuell sind vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) maßgeblich. Deutschland hat ein gewachsenes, komplexes Regelwerk, das nun vor großen Transformationsaufgaben steht. Die Legislative sollte Bewährtes weiterentwickeln, dabei aber stets die Offenheit für neue Technologien sicherstellen. So ist das Smart Meter Gateway ein Beispiel für hohe Sicherheit, die im Strombereich wichtig ist.
Worauf müssen sich Entscheider einstellen?
Nicht alle Anwendungen erfordern ein solch kostspieliges System. Je nach Einsatzbereich können flexiblere, kostengünstigere Lösungen genügen. Technologische Offenheit ist daher der Schlüssel. Am Ende müssen sich die wirtschaftlichsten Ansätze durchsetzen, solange sie etwa die CO2-Ziele erreichen.
Das Interview ist Teil des Beitrags "Transformation Konkret", der in der Ausgabe 01/25 der "Immobilienwirtschaft" erschienen ist.
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