Rz. 148f

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Bestätigt wird der BFH durch den EuGH, der – wie schon Art. 28c Teil E Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie 77/388/EWG und jetzt Art. 141 MwStSystRL sowie § 25b Abs. 1, Abs. 3 UStG – davon ausgeht, dass

  • die Zuordnung der Warenbewegung zur ersten Lieferung der Regelfall ist und
  • die Zuordnung zur zweiten Lieferung damit eine Ausnahme

darstellt (BFH vom 25.02.2015, a. a. O., Rz. 61 m. w. N.).

Hinzuweisen ist auf das insoweit grundlegende EuGH-Urteil vom 16.10.2010 (Rs. C-430/09, Euro Tyre Holding, BFH/NV 2011, 397), das die Zusammenhänge zwischen Zuordnungsentscheidung, Absichtserklärungen und Vertrauensschutz wie folgt aufzeigt:

Rz. 29

Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ferner, dass eine Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands im Sinne von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nur anwendbar ist, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferant nachweist, dass dieser Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist und wenn dieser Gegenstand infolge dieser Versendung oder Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Teleos u. a., Randnr. 42, vom 27. September 2007, Twoh International, C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 23, und vom 18. November 2010, X, C-84/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 27).

Rz. 33

Dieser Umstand allein genügt jedoch nicht, um daraus abzuleiten, dass die erste Lieferung eine innergemeinschaftliche Lieferung darstellt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die zweite Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, ebenfalls im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der ersten Lieferung erfolgt, und zwar bevor die innergemeinschaftliche Beförderung erfolgt. In einem solchen Fall könnte die innergemeinschaftliche Beförderung nicht mehr dieser Lieferung zugerechnet werden.

Rz. 34

In dem Fall, in dem der Erwerber die Befähigung, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Liefermitgliedstaat erlangt und sich verpflichtet, den Gegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat zu befördern, wie es bei Lieferungen unter der Bedingung geschieht, dass die Waren am Lager des Lieferanten abgeholt werden, sind so weit wie möglich die Absichten zu berücksichtigen, die der Erwerber zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte, sofern sie durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil X, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rz. 35

Haben im vorliegenden Fall die Käufer als Ersterwerber ihre Absicht bekundet, die Waren in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, und sind sie mit ihrer von diesem anderen Mitgliedstaat zugewiesenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aufgetreten, konnte ETH davon ausgehen, dass die von ihr getätigten Umsätze innergemeinschaftliche Lieferungen darstellten.

Rz. 37

Soweit ferner die Bedingung des Nachweises zu den in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen für die Befreiung gehört, ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn grundsätzlich der Lieferant nachzuweisen hat, dass der Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, unter Umständen, unter denen das Recht, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, im Hoheitsgebiet des Liefermitgliedstaats übertragen wird, und es diesem Erwerber obliegt, den Gegenstand nach Orten außerhalb des Liefermitgliedstaats zu befördern, der Nachweis, den der Lieferant gegenüber den Steuerbehörden führen kann, wesentlich von Angaben abhängt, die er zu diesem Zweck vom Erwerber erhält.

Rz. 38

Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs legitim, in einem solchen Fall zu verlangen, dass der Lieferant gutgläubig ist und alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergreift, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Ist allerdings der Lieferant seinen Verpflichtungen in Bezug auf den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung nachgekommen, während der Erwerber seine vertragliche Verpflichtung, die Gegenstände an Orte außerhalb des Liefermitgliedstaats zu versenden oder zu befördern, nicht erfüllt hat, müsste der Erwerber in diesem Mitgliedstaat zur Mehrwertsteuer herangezogen werden . . . ”

 

Rz. 148g

Stand: 5. A. Update 1 – ET: 10/2019

Auch den vor allem in den Rz. 37 f. zum Ausdruck kommenden Gedanken des Vertrauensschutzes nimmt der BFH auf und bietet eine für die Unternehmer bestehende Absicherungsmöglichkeit an (BFH vom 25.02.2015, a. a. O., Rz. 69 f.).

 

TIPP

Nach Auffassung des BFH kann sich A (der erste Lieferant) von B (dem ersten Abnehmer) versichern lassen, dass Letzterer die Befugnis, über den Gegenstand der Lieferung wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung das Inland verlas...

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