Rz. 33

Stand: EL 01 – ET: 05/2016

Das EU-Umsatzsteuerrecht ist weitgehend harmonisiert. Weitgehend – das heißt gleichzeitig aber auch nicht vollständig! Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen ist es daher häufig unabdingbar, auch die Rechtsauffassung anderer EU-Mitgliedstaaten zu berücksichtigen:

 
Praxis-Beispiel

Grieche G bestellt beim Deutschen D eine Werkzeugmaschine. Für G ist es wichtig, dass die Maschine möglichst ohne Unterbrechungszeiten im Einsatz ist. G macht daher seine Bestellung von einem gleichzeitig von D in Griechenland einzurichtenden Lager abhängig, dem er bei Bedarf alle Verschleißteile entnehmen kann. Die Lagerhaltung soll auf die voraussichtliche Funktionsdauer der Maschine begrenzt sein. Die Ersatzteile sollen dem G erst bei tatsächlicher Entnahme aus dem Lager in Griechenland berechnet werden. Aus deutscher Sicht beurteilt sich der Fall wie folgt:

  • Die Lagerbeschickung führt bei D in Deutschland zu einem (steuerfreien) Verbringen, § 3 Abs. 1 a UStG.
  • Die Lagerbeschickung führt bei D in Griechenland zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb, vgl. § 1 a Abs. 2 UStG.
  • D muss sich in Griechenland steuerlich registrieren lassen.
  • D muss eventuelle Lagerentnahmen durch B in Griechenland versteuern und der griechischen Umsatzsteuer unterwerfen! Rechnungen des Lagerhalters müssen m. a. W. die Umsatzsteuer des Landes (hier: Griechenland) ausweisen, in dem sich das Lager befindet.
 

Rz. 34

Stand: EL 01 – ET: 05/2016

Deutschland hält sich mit seiner Rechtsauffassung an die insoweit eindeutigen Vorgaben der MwStSystRL – und zwar an die allgemeinen Regeln, da es im europäischen Umsatzsteuerrecht eigentlich keine Sonderregeln für Lagergeschäfte gibt (vgl. § 3 Rn. 153; ausführlich Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 15. Auflage 2017, Kap. 33.6).

 

Rz. 35

Stand: EL 01 – ET: 05/2016

Das besondere Problem derartiger Fallgestaltungen liegt darin, dass entgegen der MwStSystRL einige EU-Mitgliedstaaten die Besteuerung der Lagergeschäfte "vereinfachen". Die abweichenden Regelungen bestehen darin, dass diese Mitgliedstaaten bei der Aufstockung eines Lagers nicht von einem innergemeinschaftlichen Verbringen in das Lager ausgehen, sondern von einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager an den dortigen Abnehmer.

 

Rz. 36

Stand: EL 01 – ET: 05/2016

Hat nicht der in Deutschland ansässige Unternehmer, sondern sein Abnehmer in den eine Vereinfachung der Lagerumsätze vorsehenden Mitgliedstaaten einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern, erhält der deutsche Unternehmer keine USt-IdNr. für seinen in dem anderen Mitgliedstaat belegenen Unternehmensteil. Er kann daher den nach § 13c UStDV erforderlichen buchmäßigen Nachweis nicht erbringen. Da der Buchnachweis materiellrechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ist, wäre das innergemeinschaftliche Verbringen daher steuerpflichtig.

 

Rz. 37

Stand: EL 01 – ET: 05/2016

Solange die EU-Kommission das Problem noch nicht aufgegriffen und gelöst hat, ist es nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung im Einzelfall zugelassen, dass der Unternehmer den Tatbestand der Warenentnahme aus dem ausländischen Konsignationslager parallel zur Erwerbsbesteuerung des Leistungsempfängers im anderen Mitgliedstaat als innergemeinschaftliche Lieferung behandelt. Damit entfällt die umsatzsteuerliche Erfassung als innergemeinschaftliches Verbringen beim Transport der Ware in das Konsignationslager. Die "innergemeinschaftlichen Lieferungen" an den Abnehmer sind dementsprechend in der Zusammenfassenden Meldung nach § 18a UStG anzugeben (Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 15. Auflage 2017, Kap. 33.7).

 

TIPP

Der Bedarf nach einer Einzelfallregel lässt sich vom Unternehmer gegenüber der deutschen Finanzverwaltung durch eine entsprechende Vorabauskunft leicht nachweisen.

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