Rz. 144h

Der Begriff "auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen" i. S. d. Umsatzsteuerrechts umfasst Dienstleistungen, die über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erbracht werden, deren Erbringung aufgrund ihrer Art im Wesentlichen automatisiert und nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erfolgt und ohne Informationstechnologie nicht möglich wäre. Diese Voraussetzungen sind in der Regel erfüllt, wenn ein Unternehmer auf einer Internet-Plattform seinen Mitgliedern gegen Entgelt eine Datenbank mit einer automatisierten Such- und Filterfunktion zur Kontaktaufnahme mit anderen Mitgliedern i. S.e. Partnervermittlung bereitstellt. Erbringt ein Unternehmer mit Sitz im Drittland (hier: USA) derartige Leistungen an Nichtunternehmer (Verbraucher) mit Wohnort im Inland, so liegt der Leistungsort im Inland. Dazu lag dem BFH folgender Sachverhalt vor:

 

Sachverhalt

Die Klägerin (K) ist eine in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ansässige Kapitalgesellschaft amerikanischen Rechts. Sie betreibt ihr Unternehmen von den USA aus und hat im Gemeinschaftsgebiet weder einen Sitz noch eine feste Niederlassung (Betriebsstätte).

Im Streitjahr 2003 betrieb K Kontaktbörsen (Communities) im Internet. Die entgeltliche Mitgliedschaft ihrer Kunden (User) berechtigte zum Zugriff auf persönliche Informationen anderer Mitglieder und ermöglichte eine Kontaktaufnahme i. S.e. Partnervermittlung.

Die Mitglieder konnten sich auf den Internetseiten der K über andere Mitglieder ihrer Community informieren, mit diesen kommunizieren und ggf. in Kontakt treten. Zu diesem Zweck waren auf den Webseiten schriftliche Mitglieder- und Videoprofile hinterlegt. Die Portale enthielten Suchfunktionen, mit denen andere Mitglieder nach bestimmten Kriterien herausgefiltert werden konnten. Auf den jeweiligen Portalen wurden verschiedene Möglichkeiten der Kontaktaufnahme genannt, um ein persönliches Treffen, das wie bei Partner- und Freundschaftsvermittlungen üblich ein wesentliches Ziel der Mitglieder darstellte, zu ermöglichen. Darüber hinaus enthielten die Webseiten Nachrichtenmagazine mit Inhalten, die für die Mitglieder der Communities zugänglich waren. Ferner bestand für die Nutzer u. a. die Möglichkeit, sog. Chat-Räume zu besuchen. Neben den verschiedenen Plattformen unterhielt die K Beschwerde-Hotlines sowie eine Abteilung, die die Mitgliederaktivitäten kontrollierte und Verletzungen der Privatsphäre oder sonstigem Missbrauch vorbeugte oder abhalf. Dabei wurden die Mitgliederprofile auf ihre Geeignetheit bzw. die Verletzung der Rechte anderer Mitglieder überprüft und unpassende oder missbräuchliche Profile deaktiviert. K nahm an, der Ort der von ihr erbrachten Leistungen liege in den USA, und gab deshalb für die an ihre in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Kunden ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuererklärungen ab. Die von ihr erbrachte Leistung sei eine solche eigener Art und werde vor allem nicht "elektronisch erbracht". Der Begriff der elektronisch erbrachten Dienstleistung sei eng auszulegen. Die Überprüfung der Profile durch ihre besonders geschulten Mitarbeiter sei ein bedeutendes Element ihrer Leistung und erfordere eine mehr als nur minimale menschliche Beteiligung.

 

Rz. 144i

Der BFH teilt die Auffassung der K nicht und weist daher die Revision als unbegründet zurück (BFH Urteil vom 01.06.2016, XI R 29/14, BStBl II 2016, 905):

3.10.8.5.1 Erläuterung der Besteuerungssituation

 

Rz. 144j

Seit dem 01.07.2003 wird eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung (§ 3a Abs. 4 Nr. 14 UStG a. F.; jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG) gemäß § 3a Abs. 3a UStG a. F. (jetzt: § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG) dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat, wenn dieser Empfänger kein Unternehmer ist und seinen Wohnsitz oder Sitz im Gemeinschaftsgebiet hat. Weitere Voraussetzung ist, dass die sonstige Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der wie K im Drittlandsgebiet (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG; hier: USA) ansässig ist oder dort eine die Leistung ausführende Betriebsstätte hat.

 

Rz. 144k

Die Sondervorschriften setzen die einschlägigen EU-Vorgaben um, deren Ziel es ist,

  • dass auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen in der Gemeinschaft besteuert werden, wenn sie gegen Entgelt erbracht und von Kunden mit Sitz in der Gemeinschaft verbraucht werden, und
  • dass sie nicht besteuert werden, wenn sie außerhalb der Gemeinschaft verbraucht werden (BFH, Urteil vom 01.06.2016, XI R 29/14, BStBl II 2016, 905, Rz. 21 ff. unter genauem Hinweis auf die einzelnen Fundstellen).

3.10.8.5.2 Keine Besonderheiten bei der Auslegung

 

Rz. 144l

Anders als von K vorgetragen sind die Vorschriften weder weit noch eng – quasi also "normal" – auszulegen (BFH Urteil vom 01.06.2016, XI R 29/14, BStBl II 2016, 905, Rz. 27 ff.).

3.10.8.5.3 Hauptleistung "elektronisch erbracht"

 

Rz. 144m

Die Leistung der K ist auch "elektronisch erbracht". Die Hauptleistung, für die der Kunde seine Mitgliedsbeiträge zahlt, besteht darin, dass es dem Kunden über die von K auf ihren Plattformen (Communities) zur Verfügung gestellten Datenbanken mittels einer automatisierten Suc...

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