Rz. 73

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Für Steuerfestsetzungen, die infolge der fehlerhaften Vornahme des Vorsteuerabzugs im Erstjahr rechtswidrig sind, weil Vorsteuern zu Unrecht in Abzug gebracht oder zu Unrecht nicht abgezogen wurden, kommt keine Vorsteuerberichtigung gem. § 15a UStG in Betracht, soweit eine Änderung der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach den Vorschriften der AO noch möglich ist oder im Zeitpunkt der Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit noch möglich gewesen wäre (vgl. BFH vom 05.02.1998, Az: V R 66/94, DB 1998, 967, vom 24.02.2000, Az: V R 33/97, UR 2000, 386). Die Vorsteuerberichtigung ist nur auf solche Steuerfestsetzungen anwendbar, die abgabenrechtlich nicht mehr geändert werden können, d. h. bestandskräftig sind. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse eingetreten ist, wird die fehlerhafte Entscheidung über den Vorsteuerabzug im Abzugsjahr zu Grunde gelegt. Eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse liegt in diesem Fall vor, wenn erkannt wird, dass die rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze im Abzugsjahr fehlerhaft war (vgl. BFH vom 13.11.1997, Az: V R /93, DStR 1998, 77). Die Verwendungsumsätze selbst müssen sich nicht geändert haben (vgl. ständige höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH: Urteile vom 19.02.1997, Az: XI R 51/93, StB 1997, 12; vom 07.05.1997, Az: V R 15/93, HFR 1998, 122; vom 07.05.1997, Az: V R /92, BFH/NV 1998, 221; vom 07.05.1997, Az: V R /92, BFH/NV 1997, 909; vom 07.05.1997, Az: V R /92, BFH/NV 1998, 95; vom 12.06.1997, Az: V R 36/95, BStBl II 1997, 589; vom 12.06.1997, Az: V R 49/92, HFR 1998, 220; vom 19.06.1997, Az: V R 57/97, BFH/NV 1998, 357; vom 24.07.1997, Az: V R 57/95, HFR 1998, 221; vom 24.07.1997, Az: V R 59/94, HFR 1998, 220; vom 24.07.1997, Az: V R 60/94, HFR 1998, 221; vom 27.08.1997, Az: XI R /92, HFR 1998, 394; vom 13.11.1997, Az: V R /93, DStR 1998, 77; vom 10.12.1997, Az: XI R 83/90, HFR 1998, 676; vom 18.12.1997, Az: V R 12/97, HFR 1998, 677; vom 08.01.1998, Az: V R 5/97, BFH/NV 1998, 890; kritisch zur dieser Auffassung Weimann, DStR 1994, 1365, DStR 1995, 173, FG Berlin vom 22.10.1996, Az: VII 172/93; FG Köln vom 17.12.1996, Az: 7 K 1078/91, EFG 1997, 915, Zurückverweisung an FG durch BFH vom 24.02.2000, Az: V R 33/97, UR 2000, 386).

 

Rz. 74

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Ein Anwendungsbeispiel für die fehlerhafte Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Erstjahr ist die spätere Feststellung der Gemeinschaftswidrigkeit der deutschen Vorschriften (BFH vom 19.10.2011, Az: XI R 16/09, BStBl II 2012, 371). Die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern sich, wenn sich der Unternehmer nachträglich innerhalb des Berichtigungszeitraums auf die Steuerfreiheit seiner Verwendungsumsätze nach dem Unionsrecht beruft.

 

Rz. 75

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Vorsteuerberichtigung erfolgt ab dem Zeitpunkt der Erkenntnis der fehlerhaften rechtlichen Beurteilung bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums.

 

Rz. 76

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Die Erkenntnis der fehlerhaften rechtlichen Beurteilung, d. h. die Änderung der rechtlichen Beurteilung, wird demnach genauso behandelt wie eine Gesetzesänderung. Die Anwendung des § 15a UStG auf die Vorsteuerbeträge, die auf die noch nicht abgelaufenen Jahre des Berichtigungszeitraums entfallen, wird einerseits dem Vertrauensschutz des Unternehmers (keine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen) und andererseits dem Ziel des richtigen Vorsteuerabzugs (Änderung zu Gunsten wie auch zu Ungunsten des Unternehmers) gerecht.

 
Praxis-Beispiel

Zum 01.01.01 erwarb U ein Gebäude (Anschaffungskosten 400.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer 64.000 EUR). U nutzte das Gebäude für steuerfreie Umsätze, verzichtete jedoch auf die Steuerbefreiung und machte deshalb den vollen Vorsteuerabzug geltend. Das Finanzamt erkannte die Option zur Steuerpflicht zunächst an, stellte jedoch im Januar 07 fest, dass diese Entscheidung fehlerhaft war, da die Voraussetzungen für die Option von Anfang an nicht vorlagen. Die Steuerfestsetzung des Jahres 01 wurde mit Ablauf des Jahres 06 bestandskräftig.

Lösung:

 
Berichtigungszeitraum 01.01.01–31.12.10
Anteil der Umsätze mit Vorsteuerabzug in 01 100 %
Anteil der Umsätze mit Vorsteuerabzug in 07 0 %
Änderung der Verhältnisse zu Lasten von U 100 %
Vorsteuerbetrag insgesamt 64.000 EUR
jährlicher Vorsteuerbetrag 6.400 EUR
jährlicher Vorsteuerberichtigungsbetrag 6.400 EUR
Restdauer des Berichtigungszeitraums 01.01.07–31.12.10
Steuerfestsetzung 01 keine Änderung
Anmeldung der Vorsteuerberichtigung Voranmeldungszeitraum 01/07

Erweiterung des Sachverhalts: U veräußert das Gebäude im Januar 07 steuerpflichtig an E.

 
Anteil der Umsätze mit Vorsteuerabzug in 01 100 %
Anteil der Umsätze mit Vorsteuerabzug in 07 100 %
Änderung der Verhältnisse 0 %

→ keine Vorsteuerberichtigung

 

Rz. 77

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Der Vorsteuerabzug für ein gemischt genutztes Gebäude wird gem. § 15 Abs. 4 UStG nur anteilig gewährt. Das im Zeitpunkt ...

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