Rz. 38

Stand: 5. A. Update 4 – ET: 04/2023

Ein Reihengeschäft ist eine Transaktion, bei der mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte (bis zum 31.12.2019: "Umsatzgeschäfte") abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer zum letzten Abnehmer gelangt (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG, bis 31.12.2019: § 3 Abs. 6 S. 5 UStG). Für den Fall des Reihengeschäftes ist zu beachten, dass die Beförderung oder Versendung nur einer der Lieferungen zugeordnet werden kann (§ 3 Abs. 6a S. 1 UStG = bewegte Lieferung) und nur diese Lieferung die Voraussetzungen der i. g. Lieferung (§ 6a UStG) erfüllen kann (vgl. auch Abschn. 3.14 Abs. 2 S. 2, 3 und Abs. 13 S. 1, 2 UStAE; vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 2 UStAE). Für die übrigen Lieferungen (= ruhende Lieferungen) im Reihengeschäft regelt § 3 Abs. 7 S. 2 UStG, dass der bewegten Lieferung vorangehende Lieferungen dort als ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung beginnt (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 1 UStG), der bewegten Lieferung nachfolgende Lieferungen als dort ausgeführt gelten, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3 Abs. 7 S. 2 Nr. 2 UStG). Bei einem sog. gebrochenen Transport (vgl. Rz. 56) kann kein Reihengeschäft vorliegen (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 4 UStAE).

Ab dem 01.01.2020 regelt § 3 Abs. 6a S. 2 UStG, dass bei Beförderung oder Versendung durch den ersten Lieferer die Warenbewegung dessen Lieferung zuzuordnen ist. Bei Beförderung oder Versendung durch den letzten Abnehmer wird die Warenbewegung der Lieferung an diesen Abnehmer zugeordnet (§ 3 Abs. 6a S. 3 UStG). Weiterhin ordnet § 3 Abs. 6a S. 4 UStG für den Fall, dass der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet wird, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), grundsätzlich die Warenbewegung der Lieferung an diesen Unternehmer zu, es sei denn er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Dieser Nachweis soll im Wege einer Fiktion durch Verwenden einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus dem Abgangsmitgliedstaat bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung gegenüber seinem Vorlieferanten erfolgen (§ 3 Abs. 6a S. 5 UStG). Abschn. 3.14 UStAE war bei Redaktionsschluss noch nicht an die geänderte Rechtslage angepasst. Die Neuregelung im UStG dient der Umsetzung einer der sog. "Sofortmaßnahmen" ("Quick Fixes") der EU, konkret des neu eingefügten Art. 36a MwStSystRL.

Bis zum 31.12.2019 war in § 3 UStG keine vergleichbare explizite Zuordnungsregelung für die Warenbewegung vorgesehen. Die Finanzverwaltung stellte u. a. bei Versendung auf die Auftragserteilung an den selbständigen Beauftragten ab sowie im Zweifel auf die Frachtzahlerkonditionen (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 710a UStAE). Nur für den Fall, dass der "mittlere" Unternehmer der Lieferkette den Gegenstand der Lieferung beförderte oder versendete, enthielt § 3 Abs. 6 S. 6 UStG a. F. die widerlegbare Vermutung, dass die Warenbewegung der Lieferung an ihn zuzuordnen war. Der Unternehmer konnte alternativ nachweisen, dass er die Beförderung oder Versendung in seiner Eigenschaft als Lieferer und nicht als Abnehmer der Vorlieferung getätigt hatte. Hierzu reichte es der Finanzverwaltung regelmäßig, dass dieser Unternehmer eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mitgliedstaates verwendete, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands begann, und auf Grund der mit seinem Vorlieferanten und seinem Auftraggeber vereinbarten Lieferkonditionen Gefahr und Kosten der Beförderung oder Versendung übernahm, v.a. durch handelsübliche Lieferklauseln, z. B. die sog. Incoterms (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 9 und 10 UStAE).

 

Rz. 39

Stand: 5. A. Update 4 – ET: 04/2023

Die Verwaltungsauffassung hinsichtlich der Zuordnung der Warenbewegung zu einer der Lieferungen im Reihengeschäft ergibt sich weiterhin aus Abschn. 3.14 Abs. 710a UStAE. Zur abweichenden Zuordnung der bewegten Lieferung nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates vgl. Abschn. 13.14 Abs. 19 S. 1 UStAE (sog. Kollisionsregelung; BMF vom 07.12.2015, Az: III C 2 – S 7116-a/13/10001 und III C 3 – S 7134/13/10001, BStBl I 2015, 1014, zuvor Abschn. 3.14 Abs. 11 UStAE).

 

Rz. 40

Stand: 5. A. Update 4 – ET: 04/2023

Die nach nationalem deutschen Umsatzsteuerrecht geltende Rechtslage zur Bestimmung des Ortes bei Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6a, Abs. 7 S. 2 UStG) sowie die Anwendung der Steuerbefreiung nur auf die bewegte Lieferung ist grundsätzlich richtlinienkonform (vgl. EuGH vom 06.04.2006, Rs. C-245/04, EMAG Handel Eder OHG/Österreich, DStR 2006, 699; ausführlich zum Urteil des EuGH Möhlenkamp/Masuch, UR 2009, 268 ff.). Allerdings hat der EuGH sich in dieser Entscheidung nicht zu der Frage geäußert, welcher Lieferung im Reihengeschäft die Warenbewegung zuzuordnen ist, welche Lieferung also die bewegte Lieferung ist. Besondere Schwierigkeiten ergaben sich in Fällen, in denen ein "mittlerer" Unternehmer der Lieferkette die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes durchführt. Nicht unionsrechtskonform...

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