Rz. 14

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

§ 4 Nr. 10 Buchst. a S. 1 UStG verweist zur Bestimmung des sachlichen Geltungsbereichs dieser Steuerbefreiungsvorschrift allgemein auf alle Versicherungsverhältnisse im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Dieser gesetzgeberische Verweis ist unvollständig, da im VersStG das "Versicherungsverhältnis" nicht definiert ist.

Nach der zu § 1 Abs. 1 VersStG ergangenen Rechtsprechung setzt ein "Versicherungsverhältnis" voraus:

  1. das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen Wagnisses sowie
  2. die Begründung einer Gefahrengemeinschaft, mit dem Ziel, Gefahren, d. h. ungewisse Schäden oder ungewisse Verluste, die die Mitglieder der Gefahrengemeinschaft unmittelbar selbst treffen, gemeinsam zu tragen (BFH vom 11.12.2013, Az: II R 53/11, BStBl II 2014, 352 m. w. N.).

Ungeachtet dieser norminterpretierenden Auslegung fehlt es damit im nationalen Recht an einer Legaldefinition dieses Tatbestandsmerkmals.

 

Rz. 15

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Auch aus dem übergeordneten EG-Recht lassen sich keine näheren Erkenntnisse gewinnen, da in der MwStSystRL der Begriff des "Versicherungsumsatzes" ebenfalls nicht definiert ist. Der EuGH füllt dieses Vakuum, indem er zur Begriffsbestimmung auf die Vorschriften der EG-Versicherungsrichtlinie zurückgreift. Diese Bezugnahme unterliegt – wie in der Rs. Skandia entschieden – aber der wesentlichen Einschränkung, dass nicht alle Umsätze von Versicherungsunternehmen pauschal von der Mehrwertsteuer befreit sein sollen. Die Mitgliedstaaten müssten von den Unternehmen nach den Versicherungsrichtlinien auch verlangen, dass sie ihren Geschäftszweck unter Ausschluss jeder anderen Geschäftstätigkeit auf Versicherungsumsätze und solche Umsätze beschränken, die unmittelbar hiermit im Zusammenhang stehen (EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-240/99, Försäkringsaktiebolag Skandia, UR 2001, 157, Rn. 31).

 

TIPP

Demnach sind die Bestimmungen des VersStG und der VersStDV nur insoweit maßgebend, als sie im Einklang mit der Vorschrift des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL und der genannten Versicherungsrichtlinie stehen (Klenk in R/D, § 4 Nr. 10 Rn. 21).

 

Rz. 16

Stand: 5. A. – ET: 12/2018

Generell ist zur Auslegung der in Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL normierten Steuerbefreiungen auszuführen, dass es sich bei diesen Tatbeständen nach Auffassung des EuGH um autonome Begriffe des Unionsrechts handelt. Bei der Rechtsanwendung ist daher zu beachten, dass nicht nur eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung vermieden, sondern auch der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beachtet wird (EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-240/99, Försäkringsaktiebolag Skandia, UR 2001, 157, Rn. 23; vom 17.01.2013, Rs. C-224/11, BGZ Leasing sp.z o.o, UR 2013, 262). Unter Beachtung dieser Direktive sind die einzelnen Tatbestände des Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL eng auszulegen, da sie eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz darstellen, dass grundsätzlich jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (EuGH vom 19.07.2012, Rs. C-44/11, Deutsche Bank, UR 2012, 667).

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