Rz. 84

Stand: 5. A.

Die in Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL festgelegte Mehrwertsteuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen von Gegenständen bildet das Kernstück der derzeitigen Übergangsregelung. Gleichzeitig bietet diese Steuerbefreiung auch die Grundlage für den sog. Karussellbetrug (vgl. § 25d Rz. 5 ff.).

Das endgültige Mehrwertsteuersystem für den Handel innerhalb der EU soll dieses Problem lösen, aber für die Zeit bis dahin haben die Mitgliedstaaten Zwischenlösungen gefordert. Insbesondere verlangten sie, dass die Anforderung in die MwStSystRL aufgenommen wird, dass der Erwerber, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung der Gegenstände beginnt, ansässig ist, eine gültige MwSt-IdNr. besitzen muss, damit der Lieferer die Steuerbefreiung überhaupt erst anwenden darf. Dies geht über die derzeitige Sachlage hinaus, bei der die MwSt-IdNr. des Erwerbers der Auslegung des EuGH zufolge lediglich eine formale Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist. Aufgrund dessen können die Mitgliedstaaten, wenn diese Bedingung nicht erfüllt ist, derzeit lediglich Geldbußen oder Verwaltungssanktionen verhängen, jedoch die Steuerbefreiung an sich nicht verweigern (vgl. EuGH vom 06.09.2012, Rs. C-273/1, Mecsek-Gabona; vom 27.09.2012, Rs. C-587/10, VStR; vom 20.10.2016, Rs. C-24/15, Plöckl; vom 09.02.2017, Rs. C 21/16, Euro-Tyre).

 

Rz. 85

Stand: 5. A.

Die derzeitige Übergangsregelung basiert ferner auf der Verpflichtung des Lieferers, eine zusammenfassende Meldung (der sog. MIAS-Eintrag, der die MwSt-IdNr. des Erwerbers enthält) einzureichen. Dies ist ebenfalls eine formale, aber keine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Diese Information können die Steuerbehörden des Mitgliedstaats des Erwerbers über das MIAS-System abrufen, sodass sie über die Ankunft von Gegenständen in ihrem Hoheitsgebiet informiert werden, die normalerweise einem steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb unterliegen. Der Erwerber muss diesen innergemeinschaftlichen Erwerb in seiner Mehrwertsteuererklärung angeben, und die Steuerbehörden können diese Angabe mit den Daten im MIAS-System abgleichen. Der MIAS-Eintrag ist daher seit der Abschaffung der Steuergrenzen und des damit verbundenen Wegfalls der Zollunterlagen eine entscheidende Komponente des Mehrwertsteuersystems.

 
Hinweis

Ohne korrekte Informationen aus dem MIAS-System werden die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten nicht ordnungsgemäß über die Ankunft nicht versteuerter Gegenstände in ihrem Hoheitsgebiet unterrichtet und müssen sich ausschließlich darauf verlassen, was ihre Steuerpflichtigen melden. Wenn der Eintrag für eine Lieferung nicht ausgefüllt wird, können zwar Sanktionen verhängt werden, die Steuerbefreiung als solche kann jedoch nicht verweigert werden.

10.4.3.1 Die vorgeschlagene Regelung

 

Rz. 86

Stand: 5. A.

Der vorgeschlagene neue Art. 138 Abs. 1 (geändert) MwStSystRL umfasst daher Änderungen in Bezug auf diese beiden Aspekte:

  • Während derzeit auf den Erwerber als Steuerpflichtigen oder als nichtsteuerpflichtige juristische Person, der/die als solche/r handelt, Bezug genommen wird, wird nun als materielle Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung festgelegt, dass der Erwerber für Mehrwertsteuerzwecke in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände für Mehrwertsteuerzwecke registriert sein muss. Wie bereits bisher muss der Lieferer den Status des Erwerbers über das MIAS-System überprüfen, bevor er die Steuerbefreiung anwendet. Aus dieser Perspektive gibt es für den Lieferer in der Praxis keinen Unterschied, jedoch können die Folgen unterschiedlich sein, da auf dieser Grundlage die Steuerbefreiung abgelehnt werden kann, wenn der Erwerber nicht identifiziert werden kann.
  • Die korrekte Erfassung des MIAS-Eintrags wird auch zu einer materiellen Voraussetzung, was dazu führen kann, dass eine Steuerbefreiung von der Steuerbehörde abgelehnt wird, wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

(Volltext der Bestimmung in BR-Drs. 660/17).

10.4.3.2 Kritische Stellungnahme von Beraterseite

 

Rz. 87

Stand: 5. A.

Der Deutsche Steuerberater Verband e. V. sieht auch diese mögliche Neuregelung kritisch (vgl. DStV, Stellungnahme S 01/18 vom 16.2.2018, a. a. O.):

Zitat

[. . . ]

MwSt-Identifikationsnummer und Zusammenfassende Meldung (ZM) sollen materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung werden. Wenn die korrekte ZM Tatbestandsvoraussetzung zur Gewährung der Steuerbefreiung wird, erhöht sich ihr rechtlicher Stellenwert enorm. Nach derzeitiger Rechtslage stellt die unrichtige Abgabe einer ZM lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar. Diese kann mit Geldbuße geahndet werden. Künftig könnte eine fehlerhafte ZM dazu führen, dass die Steuerbefreiung versagt und in Folge eine steuerpflichtige Lieferung vorliegt. Erkennt der Steuerpflichtige dies nicht rechtzeitig, drohen ihm steuerstrafrechtliche Konsequenzen wegen unterlassener Mehrwertsteueranmeldung. Der DStV plädiert daher dafür, auf die Einbeziehung d...

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