Entscheidungsstichwort (Thema)

Börsengang, Aktienemission, Steuerbarkeit, Vorsteuerabzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Ausgabe neuer Aktien stellt keinen Umsatz dar, der in den Anwendungsbereich von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung fällt.

2. Nach Artikel 17 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 95/7 geänderten Fassung besteht ein Recht auf Abzug der gesamten Vorsteuer, die die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die verschiedenen Leistungen belastet, die er im Rahmen einer Ausgabe von Aktien bezogen hat, sofern es sich bei sämtlichen Umsätzen, die dieser Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, um besteuerte Umsätze handelt.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1, Art. 17 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Kretztechnik

Kretztechnik AG

Finanzamt Linz

 

Verfahrensgang

UFS (Österreich) (Entscheidung vom 20.10.2003)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Leistungen gegen Entgelt ‐ Ausgabe von Aktien ‐ Börseneinführung eines Unternehmens ‐ Abzugsfähigkeit der Vorsteuer“

In der Rechtssache C-465/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Linz (Österreich), mit Entscheidung vom 20. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2003, in dem Verfahren

Kretztechnik AG

gegen

Finanzamt Linz

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Kretztechnik AG, vertreten durch P. Farmer, Barrister, im Beistand von J. Kajus und Professor B. Terra,

‐ des Finanzamts Linz, vertreten durch W. Ritirc als Bevollmächtigten,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,

‐ der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch F. Huschens, M. Lumma und A. Tiemann als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Bethell als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hall, Barrister,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und K. Gross als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Februar 2005

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 2 und 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Kretztechnik AG (im Folgenden: Kretztechnik) und dem Finanzamt Linz wegen dessen Weigerung, den Abzug von Vorsteuern zuzulassen, die Kretztechnik auf Leistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien aus Anlass ihrer Einführung an der Frankfurter Börse (Deutschland) entrichtet hatte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301) bestimmt: „Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“

4

Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer.

5

Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Sechsten Richtlinie lautet:

„(1)Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diese...

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