Leitsatz (amtlich)

Dem Kantinenpächter einer berufsbildenden Einrichtung steht für die Lieferung von Speisen und Getränken an Schüler und Lehrpersonal nicht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 zu, da er (lediglich) mit der Bewirtung der Schüler diese nicht zur Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung bei sich aufnimmt.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 4 Nr. 23

 

Tatbestand

Der Kläger (Antragsteller und Beschwerdeführer) betrieb im Jahre 1975 als Pächter die Mensa im Berufsbildungszentrum in A, das von der Handwerkskammer getragen wird. Dieser Mensabetrieb ist nicht öffentlich, sondern steht nach dem Pachtvertrag nur den Personen zu, die zum Betreten des Grundstücks des Berufsbildungszentrums berechtigt sind; das sind vor allem die Schüler dieser Einrichtung, die Dozenten und andere Angestellte. Diesen Personenkreis belieferte der Kläger mit Speisen und Getränken. Dabei war ihm die Preisgestaltung nicht freigestellt, sondern mußte im Einvernehmen mit dem Träger des Berufsbildungszentrums erfolgen. Entsprechend lagen die Preise unter denen der öffentlichen Gaststätten im Stadtgebiet von A. Das Finanzamt (Beklagter, Antrags- und Beschwerdegegner) versagte dem Kläger im Rahmen der Umsatzsteuerveranlagung 1975 die von ihm für die vorbezeichneten Umsätze begehrte Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967/1973). Über die deswegen zum Finanzgericht erhobene Klage hat dieses noch nicht entschieden. Einen beim Finanzgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1975 vom 22. Februar 1978 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 4. Dezember 1978 hat das Finanzgericht zurückgewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt:

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides, dessen Aussetzung der Kläger begehrt, bestünden nicht. Gemäß § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 seien bestimmte Leistungen eines Unternehmers (Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und übliche Naturalleistungen) steuerfrei, wenn der diese Leistungen erbringende Unternehmer Jugendliche zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken bei sich aufnehme. Unter Aufnahme im Sinne dieser Befreiungsvorschrift sei ein Betreuungsverhältnis zwisehen dem aufnehmenden Unternehmer und den Jugendlichen zu verstehen. Die Verabreichung von Speisen und Getränken gegen Entgelt im Rahmen eines Unternehmens, das den Charakter einer Kantine bzw. eines Speiselokals trage, könne für sich allein ein Betreuungsverhältnis im Sinne der genannten Befreiungsvorschrift nicht begründen. Ein solches Betreuungsverhältnis bestehe lediglich zwischen dem Träger des Berufsbildungszentrums und den Jugendlichen, ohne daß der Kläger dabei eingeschaltet sei. Wie stark das vorbezeichnete Betreuungsverhältnis ausgebildet sei, könne unentschieden bleiben, denn es bestehe jedenfalls nicht im Verhältnis zum Kläger. Dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16. Oktober 1972 (BStBl I 1972, 504) könne nichts Gegenteiliges entnommen werden. Denn dieser Erlaß halte ausdrücklich an dem gesetzlichen Merkmal der Aufnahme fest. Da jedoch dieser Erlaß mit seiner Auffassung, daß der aufnehmende Unternehmer die Aufnahmezwecke nicht selbst verfolgen müsse, sondern auch durch andere Personen oder Einrichtungen wahrnehmen lassen könne, eine Tendenz zu einer großzügigeren Auslegung des § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 erkennen lasse, hat das Finanzgericht die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.

Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger sein Aussetzungsbegehren weiter. Er trägt im wesentlichen vor: Er habe die Schüler des Berufsbildungszentrums quasi aufgenommen. Das Betreuungsverhältnis sei zwar nicht besonders ausgeprägt. Dies liege aber daran, daß die meisten Schüler bereits volljährig seien und auf sie höchstens im Rahmen der Hausordnung des Berufsbildungszentrums und des eigenen Hausrechtes des Pächters der Mensa eingewirkt werden könne. Eine weitergehende Fürsorgepflicht oder ein Obhutsverhältnis könne es nicht geben. Eine engere Auslegung des § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 würde ihn ungerechtfertigt von der Steuerbefreiung ausschließen. Daß dieses Ergebnis unerwünscht sei, müsse auch dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16. Oktober 1972 (BStBl I 1972, 504), insbesondere der Nummer 2 dieses Schreibens, entnommen werden. In diesem Zusammenhang weist er auf die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 18. Februar 1958 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1958 S. 257 - EFG 1958, 257 -) und des Finanzgerichts München vom 7. Oktober 1970 (Umsatzsteuer-Rundschau 1971 S. 90 - UStR 1971, 90 -) zu § 4 Nr. 13 UStG 1951 hin.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Im Sinne des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehen keine erstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids. Der Kläger erfüllt die in § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 aufgestellten Voraussetzungen nicht.

Die vorbezeichnete Befreiungsvorschrift begünstigt diejenigen Unternehmer, die nicht schon von den Befreiungsvorschriften des § 4 Nr. 18, 21, 24 und 25 UStG 1967/1973 erfaßt werden, aber ebenfalls im Bereich der Jugendarbeit tätig werden. Die durch § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 begünstigten Unternehmer sind dadurch gekennzeichnet, daß sie Jugendliche zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken bei sich aufnehmen. Diese Tätigkeit muß den Gegenstand ihres Unternehmens bilden. Im Rahmen dieser Tätigkeit fallen auf Grund der Aufnahme bzw. als Ausfluß derselben Betreuungs- und Pflegeleistungen (Leistungen der Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen) an. Diesen gilt die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973.

Wortlaut und Sinnzusammenhang dieser Vorschrift lassen nur die Auslegung zu, daß begünstigter Unternehmer nur der aufnehmende Unternehmer ist, der die aus der Aufnahme zu den genannten Zwecken folgenden Betreuungs- und Pflegeleistungen erbringt. Diese Auffassung hat der Bundesfinanzhof bereits zur Anwendung des Vorläufers des § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973, nämlich dem § 4 Nr. 13 UStG 1951 vertreten (vgl. Urteile vom 7. Juli 1960 V 282/57 U, BFHE 71, 393, BStBl III 1960, 396, und vom 19. Dezember 1963 V 102/61 U, BFHE 78, 280, BStBl III 1964, 110). Im Urteil vom 24. August 1961 V 22/59 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1951 § 4 Ziff. 13 Rechtsspruch 6), das einen Gastwirt betraf, der eine zu einer Bäckereifachschule gehörende Gaststätte im Pachtwege betrieb und Speisen und Getränke an die Schüler abgab, ist deshalb ausgeführt, der Gastwirt sei nur dann mit diesen Umsätzen begünstigt, wenn eine Aufnahme der Schüler durch den Gastwirt zu Erziehungszwecken in den gleichfalls vom Gastwirt gepachteten Internatsräumen vorliege.

Es ist mit dem Wortlaut des § 4 Nr. 23 UStG 1967/1973 auch vereinbar, wenn der aufnehmende Unternehmer (der Träger der Aufnahmezwecke) sich bei Erbringung der mit der Aufnahme verbundenen Betreuungs- und Pflegeleistungen sich anderer Unternehmer als Erfüllungsgehilfen bedient. Dieser Fall ist hier nicht gegeben, da als aufnehmender Unternehmer allenfalls die Handwerkskammer (als Träger des Berufsbildungszentrums) in Betracht kommt. Die Handwerkskammer hat jedoch nicht die Leistungen der Beköstigung gegenüber den Schülern erbracht und sich dabei des Klägers bedient. Vielmehr ist der Kläger selbst in Leistungsaustausch mit den Schülern getreten.

Ob sich die vom Bundesminister der Finanzen in Nummer 2 seines Schreibens vom 16. Oktober 1972 (BStBl I, 504, USt-Kartei § 4 S 7181 Karte 2) vertretene Auffassung, der aufnehmende Unternehmer sei auch dann begünstigt, wenn eine andere Person Träger der Aufnahmezwecke ist, halten läßt, kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, denn einerseits hat die Handwerkskammer als Träger des Berufsbildungszentrums die Ausbildungszwecke verwirklicht; andererseits hat der Kläger mit der Verabreichung der Speisen und Getränke die sich nur zeitlich befristet in der Mensa aufhaltenden Jugendlichen nicht im Sinne des Gesetzes bei sich aufgenommen, d. h. nicht mit dem Ziele der Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung betreut. Mit der bloßen Verabreichung von Speisen und Getränken ist keine erzieherische oder ausbildende Einwirkung auf die Jugendlichen verbunden (vgl. Eckhardt/Weiß, Umsatzsteuergesetz 1967 § 4 Nr. 23 Tz. 10).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72929

BStBl II 1979, 721

BFHE 1979, 421

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