Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschränkung des Freibetrags bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (Schweiz) verstößt gegen unionsrechtlich gewährte Kapitalverkehrsfreiheit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Beschränkung des Freibetrags bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht verstößt gegen die unionsrechtlich gewährte Kapitalverkehrsfreiheit, wenn sowohl der Erblasser als auch der Erbe in der Schweiz ansässig sind und der Erwerb von Todes wegen sowohl inländisches als auch ausländisches Vermögen erfasst.

 

Normenkette

ErbStG § 16 Abs. 2, 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 10 Abs. 1 S. 1; BewG § 121; DBA CHE Art. 11; AEUV Art. 63, 65

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.05.2017; Aktenzeichen II R 53/14)

 

Tenor

1. Die gegenüber der Klägerin auf den Erwerb von Todes wegen nach ihrem Ehemann A.V. – zuletzt im Änderungsbescheid vom 18. Juli 2014 – erfolgte Festsetzung von Erbschaftsteuer wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, darf sie nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob es gegen die unionsrechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wenn in den Fällen der lediglich beschränkten Steuerpflicht bei einem Erwerb unter Ehegatten ein geringerer als der in § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geregelte Freibetrag in Höhe von 500.000 EUR berücksichtigt wird.

Die Klägerin ist schweizerische Staatsangehörige mit Wohnsitz in X/Schweiz. In einem Erbvertrag vom 19. Juli 1999 (ErbSt-Akte Bl. 26 – 31) hatten ihr Ehemann A.V. und sie vereinbart, dass sie im Falle des Vorversterbens ihres Ehemannes aus dessen Vermögen eine Reihe dort (unter III.) näher bezeichneter Vermögenswerte erhalten solle. Dazu gehörten neben Aktien an der Y AG C/Schweiz, Bankguthaben bei der E Bank in C/Schweiz und einigen Liegenschaften in der Schweiz auch zahlreiche im Inland (auf den Gemarkungen F und G) belegene Grundstücke.

Am 30. Mai 2010 verstarb A.V., der seinerseits schweizerischer Staatsangehöriger und (ausschließlich) in der Schweiz wohnhaft war. Auf der Grundlage des erwähnten Erbvertrags erhielt die Klägerin in einem zur Auseinandersetzung des inländischen Nachlasses des A.V. vor dem Notariat H (1…) von ihr mit der gemeinsamen Tochter I.V-N. geschlossenen „Vermächtniserfüllungsvertrag mit Auflassung” die ihr – der Klägerin –vermachten, im Inland belegenen Grundstücke zugewiesen und aufgelassen. Die Summe der für diese inländischen Grundstücke auf den Todestag des Erblassers gesondert festgestellten Grundbesitzwerte beläuft sich auf insgesamt 376.951 EUR. Die Klägerin hat aufgrund des Erbfalls – wie vom Erblasser verfügt – weitere Vermögenswerte (in der Schweiz belegene Grundstücke im Wert von 5.200.000 CHF, Bankguthaben und Beteiligungen im Wert von insgesamt 1.100.000 CHF) erhalten. Die Zusammensetzung dieses weiteren Teils des Vermögensanfalls ergibt sich aus dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 5. Mai 2014 (FG-Akte Bl. 85 und 86), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird; danach hat der Wert der der Klägerin vermachten Vermögenswerte, welche nicht aus im Inland belegenem Grundbesitz bestanden, – geschätzt – 6.400.000 CHF betragen. In der Schweiz wurde von der Klägerin keine Erbschaftsteuer erhoben.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Klägerin für den Erwerb von Todes wegen nach A.V. erstmals mit Bescheid vom 21. November 2011 Erbschaftsteuer fest.

Dabei unterwarf es nur den im Inland belegenen Grundbesitz des Erblassers der Besteuerung und berücksichtigte ausgehend von § 16 Abs. 2 ErbStG einen persönlichen Freibetrag lediglich in Höhe von 2.000 EUR. Den Einspruch gegen den im Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens (am 15. Dezember 2011 und am 30. Januar 2012) mehrfach geänderten und zuletzt auf 56.235 EUR lautenden Bescheid wies die Behörde durch Entscheidung vom 3. Februar 2012 als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Versagung des in § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG für einen Erwerb unter Ehegatten geregelten Freibetrags in Höhe von 500.000 EUR wendet. Damit werde ihr Erwerb unter Verstoß gegen Art. 11 des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Deutschland-Schweiz einer stärker belastenden Besteuerung unterworfen als dies bei deutschen Staatsangehörigen unter sonst gleichen Verhältnissen der Fall wäre. Darin liege eine willkürliche Ungleichbehandlung. Außerdem verstoße die Nichtgewährung des Ehegattenfreibetrags gegen die in Art. 56 und 58 des EG-Vertrags begründete Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs. Die Klägerin sieht sich hierin durch die in der Rechtssache Welte ergangene Entsch...

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