Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Nachweis der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer nach Selbstnutzung leer stehenden Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer Aufwendungen für seine zunächst selbst bewohnte, anschließend leer stehende und noch nicht vermietete Wohnung als vorab entstandene Werbungskosten geltend macht, muss seinen endgültigen Entschluss, diese Wohnung zu vermieten, durch ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen belegen.

2. Die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen dienen als Belege (Beweisanzeichen) für die Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 19.04.2006; Aktenzeichen 5 K 3607/04; EFG 2007, 843)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1992 eine 162 qm große Eigentumswohnung, die er zusammen mit seiner Familie bis einschließlich 1995 selbst bewohnte. Seit seinem Umzug im Januar 1996 bis Februar 2001 stand die Wohnung leer. Der Kläger vermietet die Wohnung aufgrund Mietvertrages vom Dezember 2000 ab Februar 2001 für eine Miete (Kaltmiete) von 1 700 DM monatlich.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1999) machte der Kläger in Bezug auf diese Wohnung, die er auch im Streitjahr zu vermieten beabsichtigt habe, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 31 548 DM (Einnahmen 0 DM, abzüglich Werbungskosten wie Schuldzinsen, Absetzung für Abnutzung, Erhaltungsaufwand und sonstige Kosten) geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte dem auch im Einspruchsverfahren nicht. Dabei bezog er sich auf ein durch Urteil der Vorinstanz am 12. November 2002 rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren (9 K 3293/99), in dem das Finanzgericht (FG) Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung nicht anerkannt hatte, weil der Kläger die von ihm behauptete Vermietungsabsicht nicht ausreichend nachgewiesen hätte.

Seine Klage, mit der der Kläger seine in Vermietungsabsicht durchgeführten Aktivitäten darlegte, blieb erfolglos. Das FG führte in seinem Urteil aus, die Absicht des Klägers zur Fremdvermietung sei auch nach der Beweisaufnahme nicht anhand objektiver Umstände feststellbar. Er habe keinen Sachverhalt dargelegt, aus dem sich seine ernsthaften Bemühungen um die Vermietung ersehen ließen. So habe er im Streitjahr lediglich eine Wohnungsbesichtigung durchgeführt und nur eine Vermietungsanzeige aufgegeben. Weitere Maßnahmen habe der Kläger nicht ergriffen.

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Das Urteil verstoße gegen § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil es vom FA aufgestellte Behauptungen als Beweis unterstellt habe. Ferner verletze es materielles Recht, weil es zu hohe Anforderungen an den Nachweis seiner Vermietungsabsicht gestellt habe. Die Rechtsprechung habe noch nicht entschieden, wie die Begriffe "Nachhaltigkeit" und "Ernsthaftigkeit" bei der Frage der Vermietungsabsicht zu interpretieren seien. Sie seien nach Auffassung des Klägers wie bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder im Umsatzsteuerrecht auszulegen. Danach reichten seine in Wiederholungsabsicht unternommenen Aktivitäten zur Wohnungsvermietung im Streitjahr aus.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 14. Juni 2004 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 4. August 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 31 548 DM auf 145 480 DM (74 382,74 €) herabgesetzt wird.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Eigentumswohnung berücksichtigt hat.

1. Das FG hat nicht verfahrensfehlerhaft entschieden. Es hat nicht gegen seine Verpflichtung verstoßen, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Mit seinem Vorbringen, die Schlussfolgerungen des FG seien mit den Zeugenaussagen und dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht vereinbar, macht der Kläger eine fehlerhafte Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG geltend. Die Würdigung von Tatsachen und Beweisen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2005 IX B 38/05, BFH/NV 2006, 772, m.w.N.). Das FG hat ferner dem Kläger nicht unterstellt, er habe die Absicht gehabt, die Wohnung leer stehen zu lassen. Die Passage des Urteils, auf die sich der Kläger insoweit bezieht, betrifft die Erwägung des FG, der Kläger habe das Vorliegen der Vermietungsabsicht (Einkünfteerzielungsabsicht) darzulegen und nachzuweisen.

2. Das Urteil ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat zu Recht die auf die Wohnung entfallenden Aufwendungen nicht als vorab entstandene Werbungskosten abgesetzt.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie bei ihr erwachsen und das heißt, durch die sie veranlasst sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Januar 2008 IX R 45/07, BFHE 220, 264, BStBl II 2008, 572). Fallen solche Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830; BFH-Urteil vom 11. Januar 2005 IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477).

a) Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung können als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige sich   endgültig entschlossen   hat, daraus durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht wieder aufgegeben hat (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761, und BFH-Beschluss vom 21. September 2000 IX B 75/00, BFH/NV 2001, 585, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der Steuerpflichtige hat sich noch nicht endgültig zur Einkünfteerzielung entschieden, wenn er alternativ auch erwägt, die Wohnung zu veräußern. Darin liegt entgegen der Revision der Unterschied zu dem Fall, über den der BFH in seinem Urteil vom 9. Juli 2003 IX R 102/00 (BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940) entscheiden musste. Denn dort ging es nicht um die Begründung der Einkünfteerzielungsabsicht, sondern um deren Aufgabe. Der Steuerpflichtige hatte seine leer stehende Wohnung nach der auf Dauer angelegten Vermietung weiterhin zu vermieten versucht, daneben aber zugleich zum Verkauf angeboten. Er hatte seine Tätigkeit bereits auf dauerhaftes Vermieten ausgerichtet und sich deshalb endgültig zur Einkünfteerzielung entschieden. Er hatte diese Absicht aber noch nicht endgültig aufgegeben, während seine Wohnung leer stand. Demgegenüber muss sich der Steuerpflichtige, der --wie im Streitfall-- zunächst selbst seine Wohnung bewohnte, bei seiner erstmalig zur Vermietung vorgesehenen Wohnung endgültig dazu entscheiden, Einkünfte aus der Vermietung dieser Wohnung zu erzielen. Das tut er aber nicht bei indifferenter Entschlusslage, wenn also noch offen ist, ob er die Wohnung vermieten oder ggf. auch verkaufen will (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463, unter II. 3.).

b) Dieser endgültige Entschluss zu vermieten --die Einkünfteerzielungsabsicht-- ist eine innere Tatsache, die wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV. 3. c bb der Gründe, m.w.N.). Deshalb muss sich der endgültige Entschluss des Steuerpflichtigen zur Vermietung stets anhand objektiver Umstände belegen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761, und in BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, m.w.N.). Derartige Umstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind   ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen   (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940). Es handelt sich bei diesen --den Grad der Vermietungsbemühungen umschreibenden-- Ausdrücken "nachhaltig" und "ernsthaft" entgegen der Revision nicht um gesetzliche Tatbestandsmerkmale, die in gleicher Weise auszulegen wären wie z.B. der Begriff "nachhaltig" in § 15 Abs. 2 EStG. Vielmehr geht es dabei um Beweisanzeichen, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt. Es entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt und ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden (BFH-Urteile vom 14. Juli 2004 IX R 56/01, BFH/NV 2005, 37, unter II. 2. c; in BFHE 203, 86, BStBl II 2003, 940, und BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 585).

3. Nach diesen Maßstäben konnte das FG zu dem Ergebnis gelangen, dass die Vermietungsbemühungen des Klägers nicht ausgereicht haben, um von seinem unbedingten und endgültigen Entschluss auszugehen, seine Wohnung zu vermieten. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kläger seine Vermietungsbemühungen, obschon es sich um eine teure, schwer vermietbare und schon seit Jahren leer stehende Wohnung handelt, abgesehen von einer Wohnungsbesichtigung und einer Vermietungsanzeige im Streitjahr nicht weiter forciert und auch keinen Makler eingeschaltet hatte. Diese Würdigung ist, wenngleich nicht zwingend, so doch jedenfalls möglich und bindet den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO. Entgegen der Revision hat das FG alle feststehenden Indizien und auch spätere Umstände in seine Gesamtwürdigung einbezogen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211, unter II. 1. a, m.w.N.). Es hat nämlich durchaus berücksichtigt, dass der Kläger in dem auf das Streitjahr folgenden Jahr 2000 einen Mietvertrag über die Wohnung abgeschlossen hat, hat dies indes in vertretbarer Würdigung der weiteren Umstände allein auf die Bemühungen im Jahr 2000 zurückgeführt. Das FG hat überdies zutreffend auch den Teil der vom Kläger benannten Mietinteressenten unberücksichtigt gelassen, die nicht an einer Anmietung, sondern an einem Kauf der Wohnung interessiert gewesen waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2080474

BFH/NV 2009, 68

BFH/PR 2009, 55

BStBl II 2009, 848

BFHE 2008, 186

DB 2008, 2741

DStRE 2009, 73

DStZ 2009, 11

HFR 2009, 128

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