Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermietung einer Einliegerwohnung an nahe Angehörige als Gestaltungsmißbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

Vermieten Eheleute die Einliegerwohnung im eigenen Zweifamilienhaus zur Betreuung ihres Kleinkindes an die Eltern der Ehefrau, die am selben Ort weiterhin über eine größere Wohnung verfügen, so kann es sich bei der Vermietung um einen Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 AO 1977 handeln.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG 1983 § 21 Abs. 2, § 21a Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Entscheidung vom 17.02.1989; Aktenzeichen 1 K 189/87)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) --zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute-- sind Eigentümer eines von ihnen im Streitjahr 1984 bezogenen Zweifamilienhauses. Die Einliegerwohnung (31 qm) wurde durch schriftlichen Vertrag zum 1.August 1984 an die Eltern der Klägerin vermietet; der auf fünf Jahre befristete Vertrag wurde von einem der Kläger und einem Elternteil unterzeichnet. Als Mietzins wurden 210 DM monatlich zuzüglich 50 DM als Nebenkostenpauschale vereinbart; im übrigen sollten die gesetzlichen Regeln gelten.

Die Eltern der Klägerin behielten ihre bisherige, am gleichen Ort belegene Wohnung (83 qm) bei. Ab September 1986 vermieteten die Kläger das Haus an Fremde, da sie inzwischen ein anderes Zweifamilienhaus erworben hatten.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1984 ermittelten die Kläger die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte dagegen das Mietverhältnis mit den Eltern der Klägerin einkommensteuerrechtlich nicht an und rechnete den Klägern den Nutzungswert des Wohngrundstücks nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu.Die nach insoweit erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) im Streitpunkt abgewiesen.

Dazu führte es in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 354 veröffentlichten Urteil aus, es gehe ohne Überprüfung im einzelnen davon aus, daß das Mietverhältnis zwischen den Klägern und den Eltern der Klägerin zivilrechtlich wirksam begründet und tatsächlich durchgeführt worden sei. Das Mietverhältnis stelle jedoch einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nach § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) dar.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung der §§ 21, 21a EStG und des § 42 AO 1977.

Das Mietverhältnis sei wie unter Fremden üblich vereinbart worden. Die Vertragsbeteiligten hätten es auch vereinbarungsgemäß durchgeführt.

Die Kläger hätten von Anfang an geplant, die Einliegerwohnung zu vermieten. Wegen der Berufstätigkeit der Klägerin sei es der Wunsch ihrer Eltern gewesen, die Betreuung der damals zweijährigen Tochter zu übernehmen. Aufgrund des Alters und des Gesundheitszustandes der Eltern hätten diese jedoch die Anstrengungen einer täglichen Hin- und Rückfahrt nicht auf sich nehmen können. Einvernehmlich sei deshalb der Entschluß gefaßt worden, die Einliegerwohnung mietweise zur Verfügung zu stellen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1984 unter Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses aus Vermietung und Verpachtung von 46 306 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist entgegen der Ansicht des FA zulässig. Denn die Kläger haben ausreichend i.S. des § 120 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargetan, welche Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art nach ihrer Auffassung die Vorentscheidung unrichtig erscheinen lassen.

Die Revision ist jedoch unbegründet.

Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Kläger den Nutzungswert des Zweifamilienhauses gemäß § 21 Abs.2 Satz 1 i.V.m. § 21a Abs.1 Satz 1 und 2 EStG zu versteuern haben. Die Anwendung von § 21a Abs.1 Satz 3 EStG entfällt, weil die Vermietung der Einliegerwohnung an die Eltern der Klägerin einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen ist.

Der Senat läßt offen, ob der Mietvertrag als Scheingeschäft i.S. von § 117 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beurteilen sein könnte, das nach § 41 Abs.2 AO 1977 für die Besteuerung unbeachtlich wäre. Ferner bestehen erhebliche Bedenken, ob der nur von einem der Kläger und einem Elternteil unterschriebene und inhaltlich auffällig knapp gefaßte Mietvertrag dem erforderlichen Fremdvergleich standhält (vgl. Urteil vom 19.Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75) und ob die Eltern der Klägerin tatsächlich die Einliegerwohnung i.S. des § 21a Abs.1 Satz 3 Nr.2 EStG dauernd genutzt haben. Auch diese Zweifel bedürfen keiner weiteren Erörterung oder tatsächlicher Feststellungen.

Denn die Entscheidung des FG, daß im vorliegenden Fall die Vermietung der Einliegerwohnung an die Eltern der Klägerin einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstelle, hält der Revision stand.

Nach § 42 AO 1977 kann das Steuergesetz durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein solcher Mißbrauch liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem erstrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurteile vom 31.Juli 1984 IX R 3/79, BFHE 142, 347, BStBl II 1985, 33; vom 23.Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; vom 19.Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904). Liegen diese Voraussetzungen vor, so entsteht nach § 42 Satz 2 AO 1977 der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine ungewöhnliche Gestaltung unter nahen Angehörigen, für die gewichtige nichtsteuerliche Gründe weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Den Klägern ist zwar grundsätzlich darin zuzustimmen, daß es einem Steuerpflichtigen überlassen bleiben muß, ob und an wen er eine zweite Wohnung seines Hauses vermietet. Die Vermietung einer Einliegerwohnung an nahe Angehörige muß jedoch einwandfrei von einer unter Verwandten üblichen unentgeltlichen Beherbergung abzugrenzen sein. Wenn sich die Mutter der Klägerin im Hause der Kläger aufgehalten hat, um deren Kleinkind unentgeltlich zu betreuen, so hätte es mindestens sehr nahe gelegen, ihr auch die dafür benötigte Unterkunft unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Kläger selbst haben für den Abschluß des Mietvertrags keine stichhaltigen nichtsteuerlichen Gründe zu benennen vermocht. Nach ihrer Darstellung wurde der Mietvertrag auf Wunsch der Eltern der Klägerin abgeschlossen, damit die Kläger keine finanzielle Einbuße gegenüber einer Fremdvermietung erleiden sollten. Diese altruistische Motivation der Eltern läßt sich nur aus dem nahen Verwandtschaftsverhältnis erklären; sie bildet keinen i.S. des § 42 AO 1977 hinreichenden wirtschaftlichen Grund für die gewählte Gestaltung. Die Beurteilung des Sachverhalts durch das FG ist auch im übrigen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Streitfall bietet keinen Anlaß zu entscheiden, ob die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs eine darauf gerichtete Absicht der Vertragsparteien voraussetzt; denn die Vermietung an die Eltern der Klägerin indiziert bei Berücksichtigung der Gesamtumstände des Streitfalles eine Umgehungsabsicht (vgl. Senatsurteile in BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604, und in BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904).

Der Einkommensbesteuerung der Klägerin ist nach § 42 Satz 2 AO 1977 der tatsächliche wirtschaftliche Vorgang ohne die unangemessene Gestaltung durch das Mietverhältnis mit den Eltern der Klägerin zugrunde zu legen. Dies führt dazu, daß die Kläger sich so behandeln lassen müssen, als hätten sie im Streitjahr die zweite Wohnung in ihrem Haus nicht vermietet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64145

BFH/NV 1992, 41

BStBl II 1992, 549

BFHE 167, 55

BFHE 1992, 55

BB 1992, 1057 (L)

DB 1992, 1169-1170 (LT)

DStZ 1992, 411 (KT)

HFR 1992, 391 (LT)

StE 1992, 290 (K)

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